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In den Olymp. Neun Unis verteidigen ihren Elitetitel, sieben bewerben sich. Absteigerinnen muss es geben, sagt Dagmar Simon.

© dapd

Interview: „Der Elitewettbewerb bleibt spannend“

Die vorerst letzte Runde der milliardenschweren Exzellenzinitiative für die deutschen Unis wird am 15. Juni entschieden. Im Interview spricht Dagmar Simon, Expertin vom Wissenschaftszentrum Berlin, über die Untiefen der Wettbewerbs und seine Folgen.

In einer Woche ist es so weit: Dann entscheiden Wissenschaftler und Politiker in der Exzellenzinitiative. Neun Universitäten, die schon 2006 und 2007 in dem Wettbewerb gewonnen haben, müssen ihren Status verteidigen, darunter die FU Berlin. Sieben weitere Unis wollen den Exzellenzstatus erstmals erringen, darunter die Humboldt-Universität. Entschieden wird auch über Cluster (große Forschungsprojekte) und über Doktorandenschulen. Insgesamt geht es um 2,7 Milliarden Euro.

Frau Simon, am 15. Juni wird die Exzellenzinitiative entschieden. Halten Sie die Ergebnisse für absehbar?
Welche der neuen Bewerberinnen noch zur Eliteuniversität gekürt werden, ist schon sehr spannend. Gerade in Berlin: Kommt die Freie Universität weiter und die Humboldt-Universität dazu? Und obwohl von der DFG und vom Wissenschaftsrat immer betont wird, dass es nur nach wissenschaftlichen Kriterien geht, sind doch wissenschaftspolitische und regionale Überlegungen relevant. Wie da am Ende die Entscheidungen fallen, kann man nicht vorhersehen.

Fänden Sie es gut, wenn keine der jetzigen Exzellenzunis den Olymp verlassen muss, wie es Bayerns Wissenschaftsminister Heubisch gefordert hat?

Es kann durchaus Abstiegskandidatinnen geben. Es darf kein Ticket geben, auf dem man immer weiterfährt. Das würde dem Wettbewerbscharakter widersprechen, der ja immer hochgehalten wurde.

Als die Politik den Wettbewerb im Jahr 2004 erfand, verband sie damit ehrgeizige Ziele. Einige wenige deutsche Unis sollten bald auf Augenhöhe mit weltberühmten wie Harvard oder zumindest der ETH Zürich stehen. Wie nah sind die Exzellenzunis diesem Ziel gekommen?

Institutionen ändern sich bekanntlich sehr langsam. Die Idee, dass unsere Universitäten binnen sechs oder 12 Jahren mit jahrhundertealten, systematisch aufgebauten Universitäten konkurrieren sollen, war doch etwas denkwürdig. Aber zweifellos hat die Exzellenzinitiative nicht nur den erfolgreichsten Unis einen starken Modernisierungsschub gegeben.

Sind die deutschen Unis denn internationaler und international sichtbarer geworden?

Von internationaler Sichtbarkeit wird in der Wissenschaftspolitik immer gerne gesprochen. Aber darauf, dass man in Harvard oder Cambridge jetzt auch von der LMU München spricht, gibt es nur anekdotische Hinweise. Was aber gestärkt worden ist, sind die internationalen Kooperationen, die allerdings zumeist schon vorher angelegt waren. In internationalen Ranglisten wie dem Times Higher Education Ranking finden sich die deutschen Eliteunis keineswegs automatisch auf den oberen Plätzen.

Die Exzellenzinitiative soll viel Geld und die besten Wissenschaftler an wenigen Unis konzentrieren. Viele Kritiker halten das für einen großen Fehler. Denn das bedrohe die große Stärke des deutschen Unisystems, die hohe Qualität auch in der Breite. Ist die befürchtete Kannibalisierung schon eingetreten?

Es war durchaus auch schwierig, die geeigneten Wissenschaftler für die Professuren und für Postdoc-Stellen in den Exzellenzclustern zu gewinnen. Die Sorge nicht ganz so erfolgreicher Universitäten, ihre besten Leute könnten abgeworben werden, hat sich aber nicht in dem befürchteten Umfang bestätigt. Für die Studierenden zeigt eine aktuelle Studie, dass es Abiturienten aus einem bürgerlichen Elternhaus verstärkt zu den Exzellenzunis zieht.

Was hätte die Politik für kleine und mittlere Universitäten tun müssen, damit sie nicht zu Aschenbrödeln werden?

Wir brauchen differenzierte Programme. Durch den Elitewettbewerb wird vor allem Spitzenforschung finanziert, aber für die Profilbildung der Hochschulen ist es auch zentral, exzellente Lehre, Weiterbildung oder die unternehmerische Universität zu fördern. Aber solche Programme müssen in der Exzellenzliga mitspielen können und finanziell gut ausgestattet werden. Es reicht nicht, wenn sich Stiftungen engagieren, auch die DFG und der Wissenschaftsrat müssen da mitmachen.

Viele angesehene Wissenschaftler wurden für ihre Forschung im Exzellenzwettbewerb von der Lehre befreit.

Das ist langfristig keine gute Idee. Dass die grundständige Lehre in der ersten Wettbewerbsphase auf keinen Fall aus den Exzellenzmitteln bezahlt werden durfte und auch jetzt dafür kein Geld fließen darf, liefert Fehlanzreize. In dieser Runde sollen Lehrkonzepte eine Rolle spielen, aber das ist schlichte Symbolik. Angesichts des schlechten Betreuungsverhältnisses von Professoren zu Studierenden hätte ich mir eine echte Kurskorrektur gewünscht.

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Der Wettbewerb hat die Versäulung zwischen Universitäten und außeruniversitären Instituten aufgebrochen. Inzwischen geht aber die Sorge um, aus Exzellenzbereichen könnten bald „Töchter“ mit außeruniversitären Instituten entstehen, wodurch den Unis die besten Professoren verloren gehen. Sehen Sie die Gefahr auch?

Die Versäulung ist schon vorher aufgebrochen worden, etwa durch gemeinsame Berufungen der Leibniz-Institute und anderer außeruniversitärer Forschungseinrichtungen mit den Unis. Die Exzellenzinitiative konnte darauf aufbauen. Dass die Unis ihre besten Professoren andersherum durch Fusionen wieder verlieren, ist kaum zu befürchten. Davon wird es, wenn überhaupt, nur eine sehr begrenzte Zahl geben. In Karlsruhe sieht man, wie schwierig solche Konstruktionen sind.

An dem Auswahlverfahren im Exzellenzwettbewerb hat es von Anfang an viel Kritik gegeben. Moniert wird etwa, dass die Gewichtung der Kriterien für die Unis nicht klar nachzuvollziehen ist.

Die Kriterien waren wirklich sehr allgemein formuliert. Vollkommen unbekannt war etwa, wie das innovative Konzept im Unterschied zum Gewicht der leitenden Forscher gesehen würde. Hinterher stellte sich heraus, dass die Principal Investigators in der Einschätzung der Begutachteten mehr Gewicht hatten, als die Inhalte der Konzepte. Wenn es aber im Wesentlichen nach der Reputation geht, widerspricht das dem Ziel der Initiative, bei der Förderung neue Wege zu gehen.

Mehrere Instanzen urteilen über die Anträge: Die Fachgutachter haben sich die Projekte bei Begehungen angesehen. In den Tagen vor dem 15. Juni beraten verschiedene Kommission ihre Förderempfehlungen, über die dann der Bewilligungsausschuss mit Wissenschaftlern und Ministern aus Bund und Ländern entscheidet. Was bleibt da noch übrig vom Eindruck der Gutachter vor Ort?

Aus der ersten Runde wissen wir, dass die Begehungen und die Beschäftigung mit den Anträgen einen großen Stellenwert hatten. Dass die Wissenschaftspolitiker auch etwas bewirken wollen, finde ich nicht ganz falsch, das gibt die Möglichkeit der Nachjustierung. Problematisch ist aber der unglaublich große Umfang der zu bewältigenden Entscheidungen in kurzer Zeit, das kann zu Fehlentscheidungen führen.

Hätte es wegen der Kritik nicht schon vor der letzten Runde eine umfassende Evaluation des Elitewettbewerbs geben müssen?

In der Tat gibt es offenbar kein fertiges Konzept für die Evaluation, nur die Aussage, eine hochkarätige internationale Kommission solle den Wettbewerb abschließend bewerten. Das kommt aber auf jeden Fall zu spät. Man hätte schon einige Beobachtungen und Daten nutzen können, um das Verfahren in der zweiten Runde zu verbessern. Doch jetzt brauchen wir sehr bald empirisch fundierte Befunde, anhand derer wir diskutieren können, was nach 2017 passiert.

Was sollte bewertet werden?

Es reicht nicht, nur zu messen, was publiziert wurde und welche Patente herausgekommen sind. Wir müssen etwa auch fragen, was die zum Teil riesigen Forschungsverbünde an Mehrwert gebracht haben, ob sie ein Modell für die Zukunft sind. Doch ich bin skeptisch, wann und wie die Organisatoren des Wettbewerbs die Evaluation angehen und was wir dann von den Ergebnissen haben.

Ist es nicht auch sonderbar, dass die Entscheidungen weder für die Unis noch für die Öffentlichkeit ausführlich begründet wurden?

Das ist eine der problematischten Fragen des Wettbewerbs. Die Ablehnungsbescheide waren zu knapp, als dass die betroffenen Wissenschaftler daraus hätten lernen können. Das kann sich eine Wissenschaftsnation nicht erlauben, dazu ist der Aufwand für alle Beteiligten zu groß.

Die Fragen stellten Amory Burchard und Anja Kühne.

Dagmar Simon (58) leitet die Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Sie wirkt mit am Monitoring der Exzellenzinitiative.

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