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© - Foto: Sabine Böck/TU

Interview: "Die Präsidenten werden unterschätzt"

Zum Beginn des Superwahljahrs für drei Berliner Universitäten erklärt Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner, was Hochschulleiter können müssen.

Herr Zöllner, Berlins drei große Universitäten stehen vor einer ungewöhnlichen Situation. Sie sind zeitgleich dabei, neue Präsidenten zu finden. An der TU geht Kurt Kutzler in den Ruhestand, an der HU läuft Christoph Markschies’ Amtszeit Ende des kommenden Jahres aus und Dieter Lenzen wechselt von der FU an die Spitze der Uni Hamburg. Was bedeutet das für Berlin?



Der Präsident einer Hochschule ist zu jeder Zeit wichtig, erst recht aber, wenn große Weichenstellungen anstehen wie jetzt mit der nächsten Runde des Exzellenzwettbewerbs. Da wäre Kontinuität sehr von Vorteil. Die fehlt jetzt gleich an allen drei Universitäten, das ist natürlich ein Problem. Andererseits stehen alle drei – ich betone: alle drei – Universitäten ausgesprochen erfreulich da.

Sehen Sie in dem zeitgleichen Wechsel auch Chancen?

Durchaus. Es könnten jetzt in etwa zeitgleich Persönlichkeiten ihr Amt antreten, die, wenn es wichtig ist, auch gemeinsam marschieren. Davon könnte Berlin dann profitieren. Ich denke zum Beispiel an die Einstein-Stiftung für die Spitzenforschung, die zügiger hätte arbeitsfähig werden können. Vielleicht hätte ich darauf auch drängen müssen. Natürlich besteht zwischen den drei Universitäten ein Wettbewerb, der auch erwünscht ist. Also kann das oberste Motto nicht „Friede, Freude, Eierkuchen“ sein. Und starke Persönlichkeiten an den Spitzen der Hochschulen können deren Entwicklung positiv prägen. Aber es wird immer Momente geben, in denen es besser ist, nicht nur egoistisch zu denken.

Welche Bedeutung hat es überhaupt für eine Hochschule, von wem sie geleitet wird? Wird die Entwicklung nicht viel stärker von anderen Faktoren geprägt – etwa von der Finanzpolitik eines Landes?

Die Rolle des Präsidenten wird oft unterschätzt. Dabei ist die Leitung einer Hochschule schwieriger als die eines Unternehmens. Sie können Leistungen und Kreativität nicht einfach anordnen, sondern müssen die Betroffenen immer mitnehmen. Die Hochschulen müssen Schwerpunkte setzen, um Profile zu bilden. Ein Präsident braucht also Überzeugungskraft und Einfühlungsvermögen, um die Akteure zum gemeinsamen Handeln zu bringen. Und in Zeiten des Exzellenzwettbewerbs, der die Forschung weiter aufwertet, wäre es etwa die Aufgabe des Präsidenten, dafür zu sorgen, dass der Lehre trotzdem Ressourcen zugewiesen werden, damit die Hochschule nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Es ist also keineswegs belanglos, wer eine Uni leitet.

Welche Merkmale zeichnen gute Uni-Präsidenten oder -Präsidentinnen noch aus?

Ein guter Präsident muss ein Grundverständnis für die großen Wissenschaftsbereiche haben. Er darf also zum Beispiel nicht nur wissen, dass Naturwissenschaftler in Laboren arbeiten, sondern er muss auch berücksichtigen, was Kulturwissenschaftler für Lehre und Forschung brauchen. Außerdem muss er sich schnell in Meinungsbildungsprozesse an der Uni einfühlen können, um sie mit zu gestalten. Und schließlich braucht er die Akzeptanz von Gesellschaft und Wirtschaft. Denn die Hochschule ist auf die Akzeptanz ihrer Leitung angewiesen, damit sie selbst akzeptiert wird.

Was unterscheidet ein professionelles Findungsverfahren von einem unprofessionellen Findungsverfahren?

Professionell ist es, wenn man Kandidaten mit den von mir genannten Eigenschaften identifizieren kann. Ob es jemand von außen oder von innen ist, ist dabei nachrangig, beides kann ja Vorteile haben. Unprofessionell wäre es, mit dem Verfahren gute Leute von einer Kandidatur abzuschrecken. Es ist natürlich so, dass Geheimhaltung wichtig ist, wenn Personen kandidieren, die in einer verantwortlichen Position sind und deshalb Diskretion brauchen. Trotzdem darf vor lauter Geheimhaltung die Basis der Hochschule nicht den Eindruck bekommen, es handle sich um ein Handstreichverfahren. Man braucht so viel Vertraulichkeit wie nötig und so viel Beteiligung der Gremien wie möglich. Eine eherne Regel dafür gibt es nicht, alles hängt von den handelnden Personen ab.

In der nächsten Runde des Exzellenzwettbewerbs müssen die Antragsskizzen bis zum September eingereicht sein. Besteht das Risiko, dass die neuen Präsidien an der TU und der FU nicht schnell genug arbeitsfähig werden und auch nicht genug Zeit haben, die Basis auf ihre Strategie einzuschwören?

Natürlich ist Kontinuität verbunden mit einer klaren Linie in diesem Wettbewerb ein riesiger Vorteil. Die fehlt nun in Berlin. Andererseits haben andere Unis andere Nachteile. Zum Beispiel haben sie eine schlechtere Finanzierung. Wir dürfen die Lage also nicht dramatisieren. Wichtig ist mir allerdings, dass kein Tag in den Wahlprozessen verloren geht.

An der Humboldt-Universität wird der bisherige Präsident Markschies die Anträge erneut verantworten müssen, mit den Effekten muss aber sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin umgehen. Ist das nicht problematisch?

Ja, in der Tat. So wie ich Herrn Markschies verstanden habe, erkennt er aber, dass eine vernünftige Antwort gefunden werden muss. Denkbar wäre ja, jemanden zu gewinnen, der bereits vor seinem eigentlichen Amtsantritt Teilverantwortung übernehmen kann. Ich kann mir da unheimlich viel vorstellen, aber wiederum hängt alles von den handelnden Personen ab.

Die Fragen stellte Anja Kühne.

Jürgen Zöllner (64) ist seit dem 24. November 2006 Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Berlin. Vorher war er Bildungsminister in Rheinland-Pfalz.

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