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Interview: "Es muss mehr Freiheit geben"

HU-Studierendenvertreter Tobias Roßmann erklärt, was die Aktivisten wollen.

Herr Roßmann, welche Erwartungen haben Sie an die Politik?



In Berlin wie auch in anderen Ländern macht der Finanzsenator die Bildungspolitik und nicht der für Bildung zuständige Senator beziehungsweise Minister. Über die zukünftige Finanzierung der Berliner Hochschulen hören wir schlimme Nachrichten. Wir erwarten aber, dass die Politik die notwendigen Ausgaben für Kitas, Schulen und Hochschulen bereitstellt.

Bei der Besetzung des FU-Präsidiums am Dienstag gab es offenbar Sachschäden durch Vandalismus. Ist zu befürchten, dass das die Reputation Ihres Streiks beschädigt?

Ich weiß nicht, wie diese Schäden genau aussehen. Es kann sich um Kollateralschäden handeln, die einfach entstehen, wenn 100 Leute in einen kleinen Raum gehen. Man kann auch nicht alles kontrollieren. Natürlich kann es passieren, dass jemand was an die Wand schreibt. Das ist für die Unis nicht schön, aber verurteilen würde ich es nicht. Die Behauptung des FU-Präsidiums, das Geld für die Renovierung werde nun der Lehre fehlen, ist natürlich Unsinn. Denn Geld aus dem Topf der technischen Abteilung wird nie der Lehre zugute kommen. Die Unis schmeißen eine Menge Geld für Unsinn raus. Zum Beispiel will der Präsident der HU unbedingt den Senatssaal im Hauptgebäude renovieren, obwohl der picobello aussieht.

Sind Besetzungen und Blockaden überhaupt geeignete Aktionen? Es könnte so aussehen, als müssten Studierende und Dozenten zur Beteiligung gezwungen werden.

Nein, zum Protest gezwungen werden müssen die Studierenden sicher nicht. Es geht darum, dass zwar zumindest die Präsidenten von TU und FU offiziell verlautbart haben, dass die Anwesenheit während des Streiks nicht so streng wie sonst kontrolliert werden soll. Aber letztlich liegt es in der Hand der Dozenten, wie sie entscheiden. Wenn die Uni gesperrt ist, entsteht dieses Problem erst gar nicht.

Wie wird beim Bildungsstreik darüber entschieden, wer für die Demonstranten spricht?

Wir vom Refrat der HU haben es so erlebt, dass sich schon im vergangenen Jahr von uns verschiedene Leute für den Bildungsstreik engagiert haben. Aus den vielen Gruppen, die involviert sind, wurden dann Presseteams gewählt.

Der Philologenverband wirft Ihnen vor, auf der Unterstützerliste stünden mehrere linksradikale Gruppen.

Es haben sich schon immer linke und auch linksradikale Gruppen für Bildung engagiert. Inhaltlich habe ich da teilweise Probleme, aber ich sehe keinen Grund, mich von denen jetzt zu distanzieren, nur weil die Gegenseite die als linksextrem bezeichnet.

Das Präsidium der FU wurde auch mit der Begründung besetzt, es habe „bei der Verstümmelung von Diplom und Magister“ eine Vorreiterrolle gespielt. Lehnen die Streikenden Bachelor und Master völlig ab?

Nein, nicht rundherum. Ich kann nicht für alle sprechen, aber grundsätzlich geht es darum, wie die neuen Studiengänge umgesetzt wurden. Man muss das neue System mehr vom alten inspirieren lassen. Es muss mehr Wahlfreiheit und mehr Möglichkeiten zum Studium generale geben. Die Module müssen so angeboten werden, dass es keine Katastrophe ist, wenn jemand dienstags zwischen 12 und 14 Uhr jobbt. Eine Verklärung der alten Studiengänge darf es aber nicht geben. Manches war da auch schlechter. Leute, die ein stärker strukturiertes Studium und mehr Betreuung brauchen, wurden alleingelassen. Aber mehr Struktur und Betreuung hätte man auch in Diplom und Magister integrieren können, wenn man sich nur angestrengt hätte.

Wie ist es zu der Verschulung des Bachelors gekommen?

Das ist ein deutsches Phänomen, ein bisschen hat man sich wohl auch an den USA und Großbritannien orientiert. Die Unis berufen sich immer darauf, dass die Studiengänge nur akkreditiert werden, wenn sie so verschult sind. Das glaube ich aber nicht. Ich war selbst schon Gutachter für die Akkreditierung. Auch unter den Professoren, die die Gutachten machen, gibt es immer welche, die offen für andere Lösungen wären. Aber dafür müssen sie von den Unis auch mutigere und unkonventionellere Vorschläge bekommen.

Haben Sie die Hoffnung, dass die Studiengänge in einem zweiten Reformschritt verbessert werden?

An der HU passiert jedenfalls nichts. Die große „Studierbarkeitsstudie“ der Studierenden hat schon vor zwei Jahren aufgedeckt, dass die Arbeitsbelastung oft viel zu hoch ist. Um einen einzigen Studienpunkt zu bekommen, müssen zum Teil 30-seitige Praktikumsberichte geschrieben werden. Die Professoren ändern zwar die Studienordnungen, machen aber alles nur immer noch schlimmer. Bei den Psychologen wird inzwischen jede einzelne Studienleistung abgeprüft. Es herrscht ein unglaublicher Druck. Aber seriöse Evaluationen finden nicht statt. Die Unileitung sagt, sie könne die Institute leider nicht beeinflussen.

Was geschieht, wenn Schüler und Studierende nach Besetzungen von Instituten oder Banken rechtlich belangt werden?

Wir hoffen, dass das nicht passiert. Die Banken gehören zum Teil dem Staat, also uns allen. Deshalb dürfen wir dort auch demonstrieren. Wenn es doch rechtliche Schritte gegen Demonstranten gibt, würden wir mit Rechtsanwälten helfen. Wir setzen auf die Solidarität der Teilnehmer und werden beim großen Abschlusskonzert bestimmt genug Geld reinholen.

Glauben Sie, dass die Aktionen nach der Woche weitergehen werden?

In Berlin ist das möglich. Der Senat wird den Hochschulen in den nächsten Tagen ein Angebot für ihren zukünftigen Etat vorlegen. Ich nehme an, dass es dann Vollversammlungen geben wird, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Das Gespräch führte Anja Kühne.

TOBIAS ROSSMANN, 26, studiert Geschichte im Magisterstudiengang und ist im ReferentInnenrat (Refrat), dem Asta der Humboldt-Universität, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit

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