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© Ulrich Dahl

Interview: „Kaum einer kann Nein sagen“

Der DAAD rechnet mit einer Rückkehrerwelle von Wissenschaftlern aus den USA. Ein Grund dafür seien die attraktiven Programme der Forschungsförderung in Deutschland, sagt Katja Simons, Projektleiterin der Initiative "Gain" in New York.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) erklärt, dass immer mehr deutsche Nachwuchswissenschaftler aus den USA nach Deutschland zurückkehren wollen. Was sind die Ursachen?

Ausschlaggebend ist, dass sich in Deutschland viel verändert und mehr und mehr positive Signale kommen. In den nächsten Jahren werden durch die drei Pakte – die Fortsetzung des Hochschulpakts, der Exzellenzinitiative und des Pakts für Forschung und Innovation – 18 Milliarden in Wissenschaft und Forschung fließen.

Wird die Exzellenzinitiative wirklich an den US-Unis wahrgenommen?

Es spricht sich herum, dass in den Exzellenzclustern tausende neuer Stellen für Promovierte und mehrere hundert Professuren entstanden sind. An deutschen Universitäten gibt es heute ganz neue und gut ausgestattete Forschungsknotenpunkte. Und auch für Doktoranden bieten die vielen neuen Graduiertenschulen gute Bedingungen.

Wie unterstützt „Gain“ Rückkehrwillige?

Wir informieren über die attraktiven Programme in Deutschland und bieten Seminare an, etwa zum Aufbau einer Nachwuchsgruppe. Der DAAD hat außerdem ein Rückgewinnungsprogramm aufgelegt, aus dem wir Fahrtkostenzuschüsse zu Kongressen oder Vorstellungsgesprächen geben, damit die Wissenschaftler ihre Netzwerke in der Heimat pflegen können. Und es gibt Stipendien zur wissenschaftlichen Wiedereingliederung in Deutschland. An all diesen Angeboten ist das Interesse in den letzten Monaten stark gestiegen.

Ist auch die Krise in den USA ein Grund für die sich abzeichnende Rückkehrerwelle?

Die Postdoktoranden fürchten um ihre Karriereoptionen, es gibt schon Einschnitte. Die Stiftungsvermögen der privaten Unis schrumpfen, was an Topuniversitäten wie Harvard und Stanford zu einem Einstellungsstopp geführt hat, Mitarbeiter werden entlassen, Gehälter eingefroren, viele Projekte auf Eis gelegt. Dazu kommt, dass weniger Zuweisungen aus den Bundesstaaten an die Hochschulen gehen. Es gibt immer mehr Lehrpersonal in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, die Lehrveranstaltungen werden oft von Graduate Students getragen.

Die USA sind die führende Wissenschaftsnation, ziehen exzellente Nachwuchsforscher aus aller Welt an. Gilt das nicht mehr?

In Forschungsrankings sind die US-Unis immer an erster oder zweiter Stelle, und das wird sicher auf lange Sicht so bleiben. Junge Wissenschaftler gehen in die USA, um hier an den Top-Unis zu forschen, Netzwerke zu knüpfen und neue Methoden auszuprobieren. Das ist genauso attraktiv wie eh und je. Aber der internationale Wettbewerb um die besten Köpfe ist schärfer geworden, und Deutschland hat dabei ein weit höheres Gewicht als noch vor ein paar Jahren.

Was sind es für Wissenschaftler, die zurück wollen?

Vor allem sind es Postdoktoranden aus den Lebens- und Naturwissenschaften, sie stellen zwei Drittel der insgesamt rund 6000 deutschen Postdocs in den USA. Aber zunehmend denken auch Geisteswissenschaftler an Rückkehr: Die Förderung der Geisteswissenschaften ist in Deutschland stark, die Deutsche Forschungsgemeinschaft steckt deutlich mehr Geld in diesen Bereich als die entsprechende Förderorganisation in den USA. Dazu kommen die relativ große Zahl geisteswissenschaftlicher Projekte in der Exzellenzinitiative und die Forschungskollegs, die der Bund mit Millionenbeträgen finanziert.

Nun war der brain drain in die USA ohnehin ein Mythos, die meisten sind früher oder später zurückgekommen. Verkürzen sich die Aufenthalte jetzt?

Deutsche Postdoktoranden, die mit einem Stipendium in die USA gehen, kommen zu 85 Prozent nach ein, zwei Jahren wieder nach Deutschland. Aber von denen, die in den USA promovieren und länger bleiben, ist jeder zweite auch nach fünf Jahren noch hier. Das beginnt sich jetzt zu ändern. Beziffern können wir die Rückkehrerwelle nicht. Aber es gibt einen Hinweis auf die Dimension: Von den 4000 Stellen, die bislang in Projekten der Exzellenzinitiative geschaffen wurden, sind 37 Prozent mit Wissenschaftlern aus dem Ausland besetzt, 18 Prozent davon sind Postdocs aus den USA, von denen sehr viele deutsche Staatsbürger sind.

Der Fall des Molekularbiologen Thomas Tuschl, der letztlich einen Ruf an die FU Berlin ablehnte, weil Mitarbeiter nicht verbeamtet werden sollten, zeigt: Die Verhältnisse sind auch hier nicht paradiesisch.

Die Alexander-von-Humboldt-Professur, von der Sie sprechen, ist sehr attraktiv auch für Top-Forscher in den USA. Zu einer Grundausstattung von fünf Millionen Euro kann kaum jemand Nein sagen. Aber den Wissenschaftlern fällt auch auf, dass in Deutschland die Berufungsverfahren kürzer und transparenter werden. Gleichzeitig wird es leichter, Familie und Beruf zu vereinbaren, an 30 Hochschulen gibt es Beratungsstellen für Wissenschaftler-Paare. Es ist ein ganzes Bündel an Faktoren, das deutsche Wissenschaftler in den USA ermutigt, in Deutschland die Karriere fortzusetzen.

Das Gespräch führte Amory Burchard.

Katja Simons (39)

ist Projektleiterin der Initiative „Gain“, die beim DAAD in New York angesiedelt ist und deutsche Wissenschaftler bei der Rückkehr in die Heimat

berät.

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