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Annette Grüters-Kieslich ist seit 2008 Dekanin der Charité und damit Mitglied im Vorstand des Universitätsklinikums.

© Kai-Uwe Heinrich

Interview mit Charité-Dekanin: "Hier wurden Prinzipien verletzt"

Die Charité-Dekanin Annette Grüters-Kieslich zu den Fälschungsvorwürfen zu einer an der Charité entstandenen Doktorarbeit.

Frau Grüters-Kieslich, manipulierte Daten auf dem sensiblen Gebiet der Handystrahlung. Verschleppen Sie den Fall, wie Ihnen jetzt vorgeworfen wird?
An den Vorwürfen ist nichts dran. Wir sind seit September letzten Jahres am Ball, alle Tatbestände wurden seitdem dokumentiert. Es ist aber nicht machbar, alle Originaldaten in einer Woche zusammenzusuchen. Die Arbeit wurde schon im Jahr 1999 begonnen, die erste schriftliche Version datiert ins Jahr 2003 zurück.

Welche Unstimmigkeiten wurden inzwischen gefunden?

Bis Mitte November wurden vom zuständigen Institut von Rudolf Tauber relevante Probleme und Abweichungen in mehreren einzelnen Punkten festgestellt. Teilweise sind sie wohl auf Verwechslungen zurückzuführen, die die Aussage der Arbeit nicht veränderten. Bei einigen muss man wohl von Schlamperei sprechen, andere begründeten den Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten.

Was ist weiter geschehen?

Daraufhin wurde von Professor Tauber sofort der Ombudsmann für gute wissenschaftliche Praxis eingeschaltet, der Humangenetiker Karl Sperling. Es stellte sich heraus, dass einige auffällige Unstimmigkeiten durch die Anwendung unterschiedlicher Methoden und die anschließende Einführung eines Korrekturfaktors zu erklären sind – ohne dass das ausdrücklich erklärt worden wäre. Hier wurden die Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis verletzt. Im Frühjahr stellten wir zudem fest, dass nicht zuverlässige mathematische Annahmen gemacht wurden. Die Autorin wurde daraufhin aufgefordert, weitere Dateien zu liefern, die nun ebenfalls überprüft wurden und weiter untersucht werden. Im Frühjahr haben wir die Daten an Professor Lerchl von der Jacobs-University in Bremen weitergegeben. Außerdem wurde die Promotionskommission hinzugezogen, die nach der Sommerpause die Doktorandin, Institutsleiter Tauber, den Ombudsmann und Gutachter Lerchl anhören und anschließend über eine Aberkennung des Doktortitels entscheiden wird.

Herr Lerchl hat den Anstoß zur Überprüfung der Daten gegeben. Ist für eine solche Überprüfung Druck von außen nötig?

Seit 2004 wird in der Charité jede Doktorarbeit zusätzlich von externen Gutachtern geprüft, wie das an der Humboldt-Universität schon vorher üblich war. Inzwischen werden alle Arbeiten auch in elektronischer Form abgegeben. Das Promotionsverfahren, von dem wir hier sprechen, ist allerdings noch unter FU-Bedingungen und ohne externen Gutachter gelaufen. Für mich ist klar: Nur wo genau hingeschaut wird, kann man auch etwas aufdecken.

Mit Frau Grüters-Kieslich sprach Adelheid Müller-Lissner.

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