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Ganz sicher? Eigene Entscheidungen einzuschätzen, ist eine wichtige Fähigkeit, auch auf dem Weg zum Fernsehmillionär.

© dpa

Introspektion: Nachdenken über das Nachdenken

Entscheidungen zu fällen gehört zum menschlichen Alltag – und auch sich im Nachhinein mit den eigenen Gefühlen, Gedanken und Entscheidungen auseinanderzusetzen. Aber nicht alle Menschen sind gleich gut darin, ihre Gedanken zu hinterfragen.

Für die Unterschiede in der Fähigkeit zur Introspektion gibt es offenbar eine biologische Basis. Das berichten Wissenschaftler des University College in London im Fachmagazin „Science“ (Band 329, Seite 1541). Sie hoffen, dass ihre Erkenntnis eines Tages auch psychiatrischen Patienten zugute kommt.

Wie hilfreich Introspektion sein kann, das lässt sich jede Woche bei der Sendung „Wer wird Millionär?“ beobachten, wenn ein Kandidat bei einer Frage nicht weiter weiß. „Ein introspektiver Mitspieler wird bei Unsicherheit einen Freund anrufen oder das Publikum fragen, während ein weniger introspektiver Kandidat nicht beurteilen kann, ob seine potenzielle Antwort richtig ist. Er wird wahrscheinlich niemanden um Hilfe bitten“, erklärt Koautorin Rimona Weil.

Um herauszufinden, ob sich diese Fähigkeit auch auf neurologischer Ebene wiederfindet, sollten 32 gesunde Probanden eine einfache Wahrnehmungsaufgabe erfüllen, während sie in einem Hirnscanner lagen. Den Teilnehmern wurden für Bruchteile einer Sekunde zwei Bilder gezeigt. Darauf befanden sich jeweils sechs schwarz-weiß gestreifte Flecken. Auf dem einen Bild war aber einer dieser Flecken heller als die anderen. Die Probanden sollten sagen, auf welchem Bild der hellere Fleck erschien und wie sicher sie sich bei ihrer Entscheidung sind.

Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass es Patienten mit Verletzungen in vorderen Hirnregionen an introspektiver Fähigkeit mangelt. Vor allem die Frontallappen des Gehirns sind in der Verarbeitung von sensorischen Informationen von Bedeutung. Sie erhalten den Input von anderen Regionen, die für Gedanken und Gefühle zuständig sind, zuerst.

Fleming und seine Kollegen fanden nun einen Zusammenhang zwischen dem Volumen der grauen Substanz im präfrontalen Kortex, einer Hirnregion, die direkt hinter den Augen liegt und der introspektiven Fähigkeit. „Allerdings bedeutet das nicht, dass Menschen mit größerem Volumen dieser Hirnstruktur mehr introspektive Gedanken erleben“, so die Forschergruppe. Auch sei mit dem Ergebnis nicht bewiesen, dass die Unterschiede im Gehirn der Grund für die unterschiedliche Fähigkeit zur Introspektion sei. Die Erklärung sei aber naheliegend.

Der Zusammenhang deutet außerdem auf eine Hirnregion, die in der jüngsten Vergangenheit des Menschen besonders stark gewachsen ist. Da die Befähigung, über eigene Gedanken nachzudenken, gerade auch für Gruppenentscheidungen wichtig ist, könnte sie schon bei unseren Vorfahren zum Überleben wichtig gewesen sein. „Wenn wir unsicher sind, ob wir unser potenzielles Mittagessen beim Jagen tatsächlich gesehen haben oder auch ein gefährliches Raubtier, dann war es von Vorteil dies die anderen wissen zu lassen, um gemeinsam zu handeln“, sagt der Autor der Studie, Stephen Fleming.

Mit ihren Ergebnissen hoffen die Forscher auch im klinischen Alltag helfen zu können – zum Beispiel bei Patienten mit psychischen Erkrankungen, die sich ihrer Erkrankung nicht bewusst sind. Diese nehmen oftmals ihre Medikamente nicht oder unregelmäßig. „Wenn wir die neurologische Grundlage von Selbsterfahrung verstehen, können wir vielleicht die Behandlung von solchen Patienten anpassen und für sie neue Strategien in der Therapie entwickeln“, erklärt Fleming. Auch Vorgänge im Kopf von Patienten mit schwerem Schädelhirntrauma oder nach einem Gehirnschlag, die ihre eigene Situation oft nicht erkennen, wollen die Forscher so besser begreifen und behandeln.

Interessant wäre auch zu wissen, ob diese Fähigkeit angeboren ist oder durch Erfahrungen und Lernen erworben wird. Würde Letzteres zutreffen, könnte man Menschen trainieren sich und sein eigenes Verhalten zu beobachten. Fleming und Kollegen konnten dazu noch keine Aussage treffen. Das müssen daher weitere Studien klären.

Jana Hauschild

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