zum Hauptinhalt
Ein Ziel der Zentren ist es, unter Muslimen Wissen über ihren eigenen Glauben zu verbreiten. Im Bild ein Weiterbildungsseminar für Imame.

© dapd

Islam-Studien: Neue Wege in die Moschee

Vor einem Jahr nahmen die ersten Zentren für Islamische Theologie ihre Arbeit auf. Im Bundestag zogen jetzt Experten eine positive Zwischenbilanz. Doch die Sorge um fehlenden Professorennachwuchs und die Akzeptanz der Uni-Geistlichen bleibt.

Ein Jahr nach der Einführung islamischer Theologie an deutschen Universitäten sehen Experten die neuen Zentren für Islam-Studien auf gutem Weg. Bei einer ersten Zwischenbilanz im Bildungsausschuss des Bundestags zeigten sich beteiligte Wissenschaftler optimistisch, dass es gelingen wird, einen wissenschaftlichen Islam in Deutschland zu etablieren. Schon jetzt werde das Projekt im europäischen Ausland als „sehr attraktiv“ angesehen, sagte der in Bern lehrende Islamwissenschaftler Reinhard Schulze. An anderen Universitäten in Europa gebe es nichts Vergleichbares.

Schulze war seinerzeit Mitautor jenes Gutachtens des Wissenschaftsrats, das vor drei Jahren den Anstoß zur Einführung von islamischer Theologie gegeben hatte. Er erinnerte daran, dass es dem Gremium damals nicht um den Islam ging, sondern darum, insgesamt die „raison d’être“ von Theologie an säkularen Hochschulen zu überprüfen. Die Empfehlung, islamische Studien einzuführen, sei nur das „logische Produkt“ dieser Auseinandersetzung gewesen, Reaktion auf wachsende religiöse Vielfalt.

Allerdings, auch daran erinnerte Schulze, habe man damals einen viel kleineren Versuch empfohlen, eine etwa zweijährige Probephase, für die ein Personaltableau von etwa einem Dutzend Wissenschaftlern kalkuliert wurde. Weil die Länder aber den hochschulpolitischen Marktwert rasch erkannt und sich „stark engagiert“ hätten, sei diese Personaldecke rasch dünn geworden. Da müsse nach wie vor Spagat geübt werden, wie auch im Verhältnis zwischen säkularem Staat und Glaubensgemeinschaften.

Dem stimmten die Kollegen zu. „Rekrutierung ist eine große Herausforderung“, sagte Bülent Ucar, der das Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück leitet, eines der neuen Zentren mit zehn Professuren und 40 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch dass sich oft kein muslimisches Personal fände, sei ein „großes Problem“. Das Gros der Mittelbauer komme aus Arabistik und Islamwissenschaft.

Probleme mit Gemeinden? Da hilft nur reden, sagt eine Professorin

Einigkeit herrschte auch darüber, dass auch anderswo ein Spagat nötig sei – zwischen Muslimen und Professoren, zwischen Moschee und Universität. An den sogenannten Beiräten, mit denen die Muslime selbst, die Basis der Gläubigen eingebunden werden sollen, wie dies bei christlichen theologischen Lehrstühlen durch die katholische und evangelische Kirche geschieht, hatte es schon vor Einführung der islamischen Studien Kritik gegeben.

Was aber am grünen Tisch hoch problematisch erscheint – kann Universitätstheologie unabhängig bleiben, wenn sich die Gemeinden einmischen? – ist praktisch lösbar, meint etwa die Hamburger Professorin Katajun Amirpur, nämlich durch „viel Unterhaltung“, das ein Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern der Beiräte und Schuras herstelle. Wir haben auch keine andere Möglichkeit“, sagte Amirpur. „Es hat keinen Sinn, wenn wir freischwebend unsere Theologie entwickeln und keiner will sie hören.“

Ohnehin gehe es um die Verbreitung von Wissen über den eigenen Glauben unter den Muslimen selbst, erklärten die FU-Doktorandin Anne Schönfeld und der Osnabrücker Theologie-Student Enes Erdogan ebenso wie der Erlanger Jura-Professor Mathias Rohe. Dies sei vielen wichtiger als die Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Die „Furcht vor Fremdbestimmung, die Angst vor einem Staatsislam“ sei unter ihnen „so groß wie anderswo die Angst vor der Islamisierung Deutschlands“, sagte Rohe.

Dass die „Islamstudien“ womöglich mehr gute Theologen ausbilden, als die Moscheegemeinden sich Imame leisten können, sieht zumindest Erdogan nicht als Problem. Der Student aus Neukölln – „Osnabrück war mein erster Umzug“ – will später zurück in seinen Kiez, gern in eine Moscheegemeinde, aber auch überall sonst, „wo es am nötigsten ist“. „Einem Theologen sollte es vielleicht nicht zuerst ums Geld gehen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false