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Zurück ins Leben. Am dritten Tag ist Jesus auferstanden von Toten – so steht es in der Bibel, so malte es Albrecht Bouts (1473-1549). Ob die meisten Theologen wirklich glauben, dass es sich zu zugetragen hat, ist zweifelhaft.

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Ist Theologie eine Wissenschaft?: Religion als Wissenschaft

Die Frage, ob Theologie eine Wissenschaft sei, verneinte der Theologe Heinz-Werner Kubitza und löste damit eine Diskussion aus. Nun antwortet ihm Stefan Förner vom Erzbistum Berlin.

In der Karwoche habe ich mich wieder daran erinnert, wie mein Onkel – milde mit dem Kopf schüttelnd – von seinem Theologie-Studium erzählte und dem mehr oder weniger verzweifelten Versuch eines Professors, einen Widerspruch in den Passions-Erzählungen aufzulösen. Denn während im Markus-Evangelium der Hahn zweimal kräht, nachdem Petrus Jesus verleugnet hat, kräht er bei Matthäus, Lukas und Johannes nur einmal. Die Antwort damals – die aber schon meinen Onkel nicht überzeugte: der eine konnte von seinem Platz aus offenbar besser hören als die anderen. Das ist natürlich Unsinn und hat mit Wissenschaft nichts zu tun.

 Theologie weist auf den Widerspruch hin, ohne ihn letztlich klären zu können

Knapp 50 Jahre später habe ich es in meinem Theologie-Studium so gelernt: Die Erzählungen von Jesus wurden zunächst mündlich weiter getragen, dabei konnten unterschiedliche Details unterschiedlich ausgeschmückt werden. Die Geschichte(n) von Jesus wurden erst nach Ostern erzählt, sie sind alle aus der Perspektive des leeren Grabes, aus dem Glauben an die Auferstehung Jesu Christi formuliert. Welchen Grund hätte es auch gegeben, das peinliche Verhör, die grausame Folter und die schmähliche Hinrichtung eines unbedeutenden Wanderpredigers aus der letzten Ecke des römischen Reiches weiterzuerzählen und aufzuschreiben, wenn man nicht davon überzeugt wäre: dieser Jesus von Nazareth ist tatsächlich auferstanden!? Und schließlich ist eine weitere Aussage wichtig: die ersten Jünger waren keine Helden, jedenfalls nicht von Anfang an. Auch sie hatten Angst, versuchten ihre Haut zu retten, während ihr Rabbi gekreuzigt wurde. Theologie, so wie ich sie verstehe, wird also auf den Widerspruch hinweisen, ohne ihn letztlich klären zu können.

Für meinen Onkel, bis ins hohe Alter ein unerschrockener Pfarrer und Theologe, war das Zweite Vatikanische Konzil eine echte Erlösung: endlich konnte man vernünftig über die Bibel sprechen, endlich konnte man sie so erklären, dass die Menschen sie auch verstehen konnten. Denn leider erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat auch die katholische Kirche wissenschaftliche Methoden anerkannt und damit auch die Forschungsfreiheit der Theologie.

 Glaube und Vernunft widersprechen sich nicht

Dogmatik und Fundamental-Theologie stehen seitdem in Austausch mit der Philosophie, Neues und Altes Testament werden nach dem Anspruch anderer Literatur- und Geschichtswissenschaften gelehrt, Pastoral-Theologie profitiert von Erkenntnissen der Soziologie oder auch der Psychologie und das Kirchenrecht sucht das Gespräch mit der juristischen Fakultät, die Moral-Theologie mit der Ethik.

Das war und ist nicht immer einfach für die Theologie: Sie steht damit unter dem Anspruch, diskursfähig zu sein und verständlich zu machen, worum es ihr geht. Sie kommt nicht mehr durch mit dem Hinweis, es handle es sich um Angelegenheiten des Glaubens und damit letztlich um unergründliche Geheimnisse. Sie muss dem nachgehen, was schon Thomas von Aquin behauptet hat, nämlich dass der Glaube an die Existenz Gottes nicht vernunftwidrig ist, sich also Glaube und Vernunft nicht widersprechen. Wenn ihr das gelingt, ist auch die Abgrenzung von allen Radikalisierungen, die sich zu Unrecht auf den Glauben berufen, leicht möglich. Ein Bischof, der den Holocaust leugnet, darf sich genauso wenig auf seinen Glauben zurückziehen, wie ein Anhänger des IS, der vorgibt im Namen Allahs zu morden.

Umgekehrt heißt das aber auch für alle, die nicht glauben: Hört einfach damit auf, Menschen, die glauben für doof zu halten oder wenigstens für unvernünftig. Wir haben es nicht geschafft, Euch die Existenz Gottes zu beweisen, dann werdet Ihr es auch nicht schaffen, seine Nicht-Existenz zu beweisen!

 „Die katholische Theologie muss in Berlin gefördert werden“

Theologie als Wissenschaft hat nicht nur eine christliche Tradition, im angeblich ach so finsteren Mittelalter diskutierten bereits muslimische, jüdische und christliche Theologen miteinander, allerdings hat sich in Deutschland nur die christliche Theologie in größerem Umfang erhalten und reformiert.

Neuanfänge lassen sich überall finden, auch in unserer Region. Und während Potsdam beispielsweise zu Recht stolz ist auf seine jüdische Theologie und Berlin weiterhin angestrengt über die Errichtung eines Lehrstuhls für islamische Theologie nachdenkt, sägt Dr. theol. Heinz-Werner Kubitza an den evangelischen und katholischen theologischen Lehrstühlen. Vordergründig spricht er der Theologie die Wissenschaftlichkeit ab, allerdings schwenkt er schnell auf eine bekannte und nicht einmal unberechtigte Kritik an dem Einfluss der Kirchen auf die Wissenschaft ein. Ein großer Teil der von ihm referierten „Skandale“ sind durch die theologische Wissenschaft „aufgedeckt“ worden und haben das Skandalöse längst verloren. So lernt jeder angehende Pfarrer spätestens im dritten Semester, dass die historische Existenz von Abraham, Issak und Jakob ungeklärt ist, dass die Evangelien keine historischen Biographien sondern literarische Texte sind, und dass die Berichte über die Auferstehung den Glauben an die Auferstehung voraussetzen.

Zugegeben, der Weg zu einer eigenständigen wissenschaftlichen theologischen Wissenschaft war durchaus steinig, manches, was heute unstrittig ist, musste erst mühsam erstritten und erkämpft werden. Gotthold Ephraim Lessing hat das Dilemma zwischen Glauben und Vernunft als „garstigen breiten Graben“ beschrieben. Für ihn schien er schier unüberwindlich. Allerdings wäre dies der erste Graben, über den es keine Brücke gäbe. Theologie kann solche Brücken bauen. Sie ist in der Lage, zwischen Glaubenden und Nicht-Glaubenden zu übersetzen und damit ist sie unentbehrlich für unser Zusammenleben. Deswegen war es richtig, dass das Land Berlin und die evangelische Kirche in ihrem Staatsvertrag den Bestand der theologischen Fakultät fortgeschrieben haben, deswegen ist es richtig, dass wir uns als evangelische und katholische Kirche weiterhin für einen – im wahrsten Sinn des Wortes – vernünftigen Religionsunterricht stark machen.

Deswegen ist das Abraham-Geiger-Kolleg und die jüdische Theologie in Potsdam ein Segen auch für die, die nicht glauben. Deswegen ist ein Lehrstuhl für islamische Theologie in Berlin überfällig. Und deswegen ist es auch dringend nötig, was Kardinal Woelki als Erzbischof von Berlin bereits gefordert hat: auch die katholische Theologie muss in Berlin gefördert werden.

Der Autor ist Sprecher des Erzbistums Berlin.

Stefan Förner

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