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Im Namen des Gründers. HU-Präsident Olbertz will den Widerspruch zwischen Bildung und Ausbildung überwinden – und beruft sich auf Wilhelm von Humboldt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Jan-Hendrik Olbertz: Humboldts Hoffnung

Der neue HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz tritt an – und schweigt zum Streit um seine DDR-Biographie. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit erwartet von Olbertz unterdessen, dass er mit der HU endlich im Elitewettbewerb siegt.

Wann immer die Humboldt-Universität eine ihrer beiden historischen Amtsketten aus dem Tresor holt, stehen die Zeichen auf Aufbruch: Dann wird ein neuer Präsident feierlich ins Amt eingeführt – begleitet von großen Hoffnungen der Humboldtianer. In den letzten Jahren wichen diese Hoffnungen allerdings schnell dem Frust.

Zur Unzeit, nämlich mitten im prestigeträchtigen Exzellenzwettbewerb, kam der erfahrene Forschungsmanager Jürgen Mlynek der HU vor fünf Jahren abhanden, um Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft zu werden. Nunmehr nur von Vizepräsidenten geführt, scheiterte die HU. Ein tiefer Fall, schließlich hatte sie sich im Vorfeld als natürliche Siegerin dieses Wettbewerbs gesehen. Zum allgemeinen Entsetzen klappte es auch im zweiten Anlauf nicht unter Mlyneks Nachfolger, dem Theologen Christoph Markschies. Stattdessen triumphierte die Berliner Konkurrentin, die FU.

So kam an der HU die Idee auf, jetzt einen erfahrenen Kultusminister für das Präsidentenamt zu gewinnen, den Erziehungswissenschaftler Jan-Hendrik Olbertz. Auch über Olbertz geriet die HU in Aufbruchstimmung, wie sein gutes Wahlergebnis vom April zeigte. Aber schon bevor der Vorsitzende des HU-Konzils Werner Röcke ihm am Montagabend die „Gründungskette“ mit dem Bild Wilhelms III. umlegte, waren Schatten auf Olbertz gefallen: Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk hatte ihm gemeinsam mit dem Theologen Richard Schröder vorgeworfen, sich als Wissenschaftler an die DDR-Führung angebiedert zu haben. Olbertz leistete Widerstand, unterstützt von Kollegen. Doch neue Kritik erntete seine erste Personalentscheidung. Die vom Landesrechnungshof gerügte TU-Kanzlerin Ulrike Gutheil, gegen die noch immer staatsanwaltschaftliche Ermittlungen laufen, soll Vizepräsidentin für Haushalt der HU werden. Und die Opposition in Sachsen-Anhalt ruft Olbertz hinterher, wäre er noch Kultusminister, müsste er wegen seiner Versäumnisse bei den Finanzbelangen der Stiftung Moritzburg zurücktreten.

Amtswechsel. Jan-Hendrik Olbertz (links) ist jetzt Präsident der Humboldt-Universität. Christoph Markschies (rechts) widmet sich wieder der Theologie.
Amtswechsel. Jan-Hendrik Olbertz (links) ist jetzt Präsident der Humboldt-Universität. Christoph Markschies (rechts) widmet sich wieder der Theologie.

© Davids/Darmer

So warteten manche der fast 700 Besucher im Auditorium maximum der HU am Montag gespannt darauf, ob Olbertz etwas zu seinem schwierigen Start sagen würde, zumal etwas über seinen Umgang mit seinem Leben in der DDR. Doch Olbertz äußerte sich nicht zur Diskrepanz zwischen dem zunächst von ihm öffentlich vermittelten Eindruck, er habe dem DDR-Regime überaus distanziert gegenübergestanden, und seinen beiden Dissertationen, die zugleich von hoher Anpassungsbereitschaft kunden. „Und Sie, Herr Präsident?“, könnten die Studierenden Olbertz jetzt fragen, wenn sie bei wissenschaftlichen Arbeiten täuschen, hat Richard Schröder geschrieben und so Olbertz’ Autorität als Hochschullehrer in Frage gestellt. Doch Olbertz erwähnte seine eigenen Verstrickungen gar nicht und die der Humboldt-Universität im Nationalsozialismus und während der SED-Herrschaft nur allgemein: Sie sollten offen thematisiert werden, sagte er.

Vielleicht hätte der Erziehungswissenschaftler sich an dieser Stelle nicht verstecken und lieber seine Fehler und Zweifel für seine Studierenden produktiv machen können: Mit einem offenen Wort über die Versuchungen des Opportunismus hätte er jene als Vorbild würdigen können, die mutiger für ihre Werte einstanden als er. Olbertz hätte so neue Autorität und Glaubwürdigkeit gewonnen.

Für den Konzilsvorsitzenden Werner Röcke ist die komplexe Situation Olbertz’ in der DDR und sein Umgang mit ihr aber ohnehin eine ganz einfache Sache: Man habe versucht, Olbertz und die HU „durch haltlose Vorwürfe zu beschädigen“. So simpel kann man die Lage interpretieren, selbst wenn sie gar nicht so simpel ist.

Wer von Olbertz keine Selbstkritik erwartet hatte, konnte mit der Rede jedoch zufrieden sein. Im Kern zeigte er, wie Humboldts Leitgedanken doch noch in der heutigen Massenuniversität wirken können. So könne dem Widerspruch zwischen Bildung und Ausbildung, zwischen Universalisierung und Spezialisierung, im exemplarischen und methodischen Lernen begegnet werden, „durch Spezialisierung mit universellem Anspruch“. Auch Forschung und Lehre müssten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Durch die Notwendigkeit zu lehren würden wissenschaftliche Gedankenführungen „kritisch überprüft, relativiert und erweitert, sprich: qualifiziert“, sagte Olbertz und zitierte Hartmut von Hentig: „Wenn die Wissenschaft nicht das in ihr liegende didaktische Prinzip erkennt und verwirklicht, wird sie an der eigenen unbewältigten Produktion ersticken.“

Im Gegensatz zu Olbertz’ klaren und pragmatischen Gedanken stand Christoph Markschies’ Rede. Als Vorredner trumpfte er zum Abschied noch einmal kräftig auf: mit seinem Witz und seiner breiten Bildung. Aber seine Rezepte für die Hochschule wirkten eben doch weltfremd. So als er ohne Rücksicht auf den Studentenberg forderte, die Hochschulen sollten die Zahl ihrer Studierenden selbst bestimmen können. Oder als er kritisierte, die Westdeutschen hätten den Ostdeutschen die Gruppenuniversität mit ihren Gremien „übergeholfen“. Gehört in einer Demokratie Mitbestimmung nicht auch zur Hochschule?

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sagte, Markschies’ Amtszeit sei wohl nicht immer einfach gewesen. Er habe aber die Chance gehabt, die HU fachlich durch herausragende Berufungen zu profilieren. Vor allem habe er sich für die Kooperation der Hochschulen eingesetzt, während „andere, die nicht mehr da sind, konfrontativ“ aufgetreten seien, sagte Wowereit in Anspielung auf den früheren FU-Präsidenten Lenzen.

Von Olbertz erwartet Wowereit nun, dass er mit der HU endlich im Elitewettbewerb siegt: „Denn in diese Liga gehört die HU aus meiner Sicht schon lange“, sagte Wowereit unter Applaus. Der Kuratoriumsvorsitzende Emmermann bezeichnete die HU sogar als die „heute wohl weltweit bekannteste deutsche Universität“. Wenn es ihr trotz ihrer „Spitzenposition“ in der Forschung nicht gelungen sei, den Elitestatus zu erringen, dann habe das auch an eigenen Fehlern gelegen. Diese will die HU in der nächsten Runde des Wettbewerbs unbedingt vermeiden. Olbertz und Markschies haben gemeinsam eine Antragsskizze formuliert, unterstützt von einer Professoren-Task-Force. Was auf dem Spiel steht, wenn die HU noch einmal durchfällt, sagte Emmermann auch: „Sie wird den Anschluss an die Spitze verlieren.“

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