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Wissen: Junges Gemüse

Frisch, frei laufend – und kaum Fritten: An den Mensen der Berliner Hochschulen bewegt sich was. Doch es gibt auch Klagen

Der Arbeitstag von Sven Schmidt beginnt morgens um halb sechs. Während sich die meisten Studenten im Bett noch einmal umdrehen, schmeißen der Koch der Mensa der Technischen Universität (TU) und seine vier Kollegen die Kessel an und heizen die Öfen vor. Die Lkws voller Fleisch, Fisch und frischem Gemüse stehen schon vor der Mensa an der Hardenbergstraße. Die Ware kommt von Großmärkten aus der ganzen Umgebung.

Schmidt hat vor über zehn Jahren seine Kochausbildung in der TU-Mensa gemacht und arbeitet seit drei Jahren wieder dort. Er und sein Team kümmern sich täglich um das kulinarische Wohlergehen von über 4000 Gästen. Bis elf Uhr vormittags müssen 100 Kilogramm Reis und 350 Kilo Biokartoffeln bereitstehen. Fleisch und empfindliche Gemüse werden über den Tag verteilt in kleineren Mengen frisch zubereitet.

Die insgesamt 40 000 Mittagessen, die pro Tag über Berlins Mensatheken gehen, sind penibel durchgeplant. Was im Oktober auf dem Speiseplan steht, wird schon im April beschlossen, sagt Hans Joachim Gabriel, Leiter der Speisebetriebe vom Studentenwerk Berlin. Die Anzahl der Gäste wird prognostiziert, wie viel sie essen und wann sie es essen. Am Ende des Tages bleibt so wenig übrig, dass sich eine Spende für die Berliner Tafel nicht lohnt.

Bis zur Mensaöffnung um 11 Uhr herrscht Hektik an der Hardenbergstraße. Fleisch, Pasta, Salate und Desserts müssen rechtzeitig und sauber geordnet bereitstehen. Dann heißt es: Grünkernbratling oder Currywurst? Das Angebot der Berliner Mensen hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Deutschlandweit ist das Schnitzel Spitzenreiter bei den Studenten. Jährlich gehen rund 11,7 Millionen panierte Fleischfladen über die Mensatheken, dazu rund 2700 Tonnen Pommes frites. Im gesundheitsbewussten Berlin ist jedoch die Hühnerbrust ganz vorne mit dabei. Und auf die frittierten Kartoffelschnitze wird hier aus Frischegründen fast völlig verzichtet. Auf den immer beliebteren Vegetarier-Zug springt die Mensa an der Hardenbergstraße nicht auf. Es gibt zwar auch hier jeden Tag ein vegetarisches Gericht. „Aber TU-Studenten essen wenig Gemüse“, sagt Schmidt. „Wir sind eine Fleischmensa.“

Vegetarisches Essen wird in der Studentenschaft allerdings immer beliebter, gerade in Berlin mit seinen vielen Studierenden aus anderen Kulturkreisen, sagt Hans Joachim Gabriel. Die Freie Universität eröffnete im Januar 2010 mit der „Veggie No. 1“ die erste vegetarische Mensa Deutschlands. Mit knapp 700 Gästen täglich liegt die Besucherzahl weit über den Erwartungen. Die Kapazität der Mensa sei fast ausgereizt, sagt Gabriel. Neben ausschließlich fleischfreier Kost liegt auch der Anteil der Biolebensmittel hier bei über 20 Prozent, in anderen Mensen sind es acht bis zehn Prozent. Und aus Rücksicht auf Allergiker wird bei der Zubereitung vieler Gerichte auf Eier, Milch, Nüsse und Mandeln sowie glutenhaltiges Getreide verzichtet. Werden Eier verwendet, stammen sie heute stets von frei laufenden Hühnern. Dafür erhielt das Berliner Studentenwerk jetzt „Das Goldene Ei“ der „Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt“.

Aber selbst das reicht einigen nicht. „Vegane Mensa“ heißt die Initiative, die deutschlandweit für Studentenrestaurants vollkommen ohne tierische Produkte kämpft. In Berlin würde sich eine solche Mensa nicht rentieren, sagt Gabriel. „Veganer machen nur etwa ein Prozent unserer Kundschaft aus.“

Hat sich der Standard der Mensen etwa so verbessert, dass man sich jetzt nur noch auf hohem Niveau beklagen kann? „Was nicht vollkommen frisch ist, wird heute sofort ausgetauscht. Das war früher logistisch nicht möglich“, sagt Mensakoch Schmidt. „Außerdem erfahren wir durch Fragebögen an den Kassen, was den Studenten nicht passt.“ Da gibt es zwischen den Berliner Häusern durchaus Unterschiede. So genießt die TU-Mensa einen besseren Ruf als etwa die HU-Mensa „Oase“, die laut Internetrankings zu den schlechtesten der Stadt gehört. Dabei wird die Lieferung der Nahrungsmittel zentral vom Studentenwerk Berlin koordiniert, und es gibt einen „Qualitätsmanager Speisebetriebe“, der für ein durchweg gutes Niveau sorgen soll. Das Studentenwerk verordnet seinen Köchen sogar Kochkurse – etwa zur japanischen Aktionswoche, die berlinweit noch bis zum 5. November läuft.

„Wir arbeiten mit den gleichen Grundprodukten wie alle anderen“, sagt Stephanie Amelung, stellvertretende Mensaleiterin in der Hardenbergstraße. „Vielleicht ist es das Gesamtbild der Mensa oder wir haben einfach die besten und motiviertesten Köche.“ Bis zur Haute-Cuisine-Mensa wird es wohl noch ein langer Weg sein, aber die Weichen sind gestellt. Einer hessischen Gaststudentin jedenfalls schmeckt es: „Auf jeden Fall ist das Essen hier deutlich besser als in Marburg.“Maximilian Klose

Maximilian Klose

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