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Gesichert. Die Bahn markiert ihre Kabel, um Diebstahl zu erschweren.

© R. Knauer

Kabelklau: Unsichtbare Falle entlarvt Diebe

Der massenhafte Diebstahl von Metallen richtet Schäden in Milliardenhöhe an. Die betroffenen Firmen wehren sich: Sie markieren das Material, um die Täter schneller zu finden.

Wenn der schnelle ICE der Bahn längere Zeit auf einer Strecke ausfällt oder Telefon und Internet über das Festnetz lahmgelegt sind, steckt möglicherweise in beiden Fällen die gleiche Ursache dahinter: Metalldiebe könnten die Oberleitung oder das Telefonkabel geklaut haben, um das darin steckende, recht teure Kupfer meistbietend zu verhökern. Sie haben bisher leichtes Spiel, weil sie selten auf frischer Tat ertappt und bei einer späteren Festnahme meist keine Beweise gefunden werden, die vor Gericht Bestand haben. Denn Kabelstränge und Oberleitungen sehen nun einmal überall gleich aus.

Deshalb markieren inzwischen betroffene Unternehmen wie die Deutsche Bahn, die Telekom und der Energiekonzern RWE ihre Materialien. Die Technik dazu liefern zum Beispiel Ralf Niemeyer und sein Unternehmen „Anti Crime Technology Corporation“ (kurz: ACTC).

„Unsere Firma kennzeichnet das Metall mit einer Mischung aus drei Komponenten", sagt Niemeyer. Die erste ist ein beständiger Farbstoff. Er leuchtet fahlblau, wenn man ihn mit ultraviolettem Licht anstrahlt. Verschwindet ein so markiertes Kabel an einer Windkraftanlage oder einer Containerbrücke, können Polizeibeamte es mit entsprechenden Lampen identifizieren. „Schrotthändler könnten eine Brücke über den Eingang ihres Hofes installieren, die das Metall schon auf dem Weg ins Lager mit ultraviolettem Licht beleuchtet und verdächtige Ware verrät“, sagt Niemeyer.

Die zweite Komponente der Markierung sind winzige Metallplättchen mit 0,4 Millimeter Durchmesser. Mit einer kleinen Lupe erkennen Polizisten ein Hologramm und eine eingeätzte Markierung auf diesen Plättchen, eine Datenbank verrät deren Herkunft wie zum Beispiel: Oberleitung der Bahnstrecke von Hamburg nach Hannover. Der Mensch, in dessen Besitz das Teil gefunden wurde, hätte dann vor Gericht schlechte Karten.

Ende Juni 2012 wurde zwischen Hamburg und Hannover ein Teil der Oberleitung entwendet, die Strecke war acht Stunden gesperrt und mehr als hundert Züge wurden umgeleitet und waren entsprechend verspätet. „Das ist typisch für solche Diebstähle: Die Folgekosten durch Verspätungen, ausgefallene Züge, gekappte Telefonleitungen oder nicht funktionierende Windräder sind oft viel höher als der Materialwert des Diebesguts“, sagt Niemeyer. In der Europäischen Union sollen so bisher Schäden von mehr als 8,5 Milliarden Euro angerichtet worden sein. Allein 2011 meldete die Deutsche Bahn 15 Millionen Euro Verluste durch Metallklau. Das Unternehmen hat daher triftige Gründe, gegen den Diebstahl von Kupferkabeln zu kämpfen.

Die dritte Komponente der Markierung besteht aus künstlicher DNS. Das ist nichts anderes als ein Nachbau des Erbgutes aller Lebewesen auf der Erde aus dem Labor. DNS besteht aus vier verschiedenen Bausteinen – kurz A, C, G und T – die in langen Ketten verknüpft sind. Diese vier Bausteine baut der ACTC-Wissenschaftler Christian Prüfer zu kurzen Ketten zusammen. Zwar verrät er die genaue Länge der Stücke nicht. Aber jeder Laie kann sich ausrechnen, dass schon eine Kette aus nur fünf Bausteinen mehr als tausend verschiedene und eine Zehnerkette bereits eine Million unterschiedlicher Kombinationen von A, C, G und T erlauben. „Wir können für jede Bahnstrecke oder Windkraftanlage ein individuelles Muster erstellen“, sagt Prüfer.

ACTC liefert diese künstliche DNS mit den kleinen Plättchen und dem ultravioletten Farbstoff hochkonzentriert in einer sehr zähen Flüssigkeit. Sie verhält sich ein wenig wie Baumharz und bleibt auch unter dem Isoliermantel des Kupferkabels zähflüssig. Wird die Isolierung geöffnet, klebt das Harz an allem, mit dem es in Berührung kommt: Hände und Handschuhe, Werkzeug oder Geräte. Der Luftsauerstoff lässt die winzigen Harzteilchen langsam zu einer festen Masse erstarren – ähnlich wie Bernstein. Die darin enthaltenen Stücke künstlicher DNS bleiben mehrere Jahre stabil und sind kaum wegzubekommen.

Mit der in der Kriminaltechnik gut etablierten Analysemethode PCR lässt sich das DNS-Muster zweifelsfrei identifizieren, die Herkunft klären und der Täter überführen. Das Handwerk kann man Metalldieben mit dieser künstlichen DNS zwar nicht legen, aber die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung vor Gericht steigt immens. Und somit kann die künstliche DNS zumindest zukünftige Metalldiebe abschrecken.

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