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© dpa

Karl Einhäupl: "Es muss erhebliche Einschnitte geben"

Karl Einhäupl, designierter Charité-Vorstand, will die Zusammenarbeit mit Vivantes an allen Standorten prüfen lassen.

Als Student haben Sie gegen das Establishment protestiert. Bald leitet der einstige 68er Karl Einhäupl selbst ein Unternehmen mit mehr als 14 000 Mitarbeitern. Können Sie uns das erklären?

Sie meinen den Marsch durch die Institutionen (lacht). Im Ernst: Die Studentenbewegung war geprägt von der mangelhaften Auseinandersetzung der Nachkriegsgesellschaft mit der deutschen Geschichte. Dagegen haben wir aufbegehrt. Eine ähnliche Situation gab es 1990 in der ehemaligen DDR, nur von der anderen Seite des politischen Spektrums. Ich war damals der zweite Professor, der nach der Wende an die Charité berufen wurde und war erneut mit der Bewertung politischer Systeme konfrontiert. Verantwortung für ein Unternehmen steht nicht im Widerspruch zu einer Verantwortung für die Gesellschaft.

Wo wollen Sie die Charité hinführen?

Die Charité ist eines der größten Uniklinika Europas, und sie steht im internationalen Wettbewerb sehr gut da. Das bedeutet aber auch, dass wir uns ständig weiterentwickeln müssen, um vorn zu bleiben, zumindest in unseren Kernthemen. Die Größe ist dabei nicht entscheidend, aber wir sollten zu den besten gehören. Mein Anspruch ist, die Balance zwischen Krankenversorgung, Forschung und Lehre zu halten. Für besonders wichtig halte ich die Lehre, da müssen wir besser werden. Eine Uniklinik prägt ganz entscheidend die Qualität der medizinischen Versorgung in der Region, weil von ihr entscheidende Impulse für Innovationen in die Ärzteschaft ausgehen.

Was die Lehre angeht: An der Charité sollen der Reformstudiengang und der Regelstudiengang unter ein Dach kommen. Gehen da nicht Reformimpulse verloren?

Man könnte die Frage auch umdrehen: besteht nicht die Gefahr, dass Vorteile des Regelstudiengangs aufgegeben werden? Es ist sehr wichtig, dass die Grundlagen der Naturwissenschaften gelernt werden. Das treibt die Befürworter des Regelstudiengangs um. Die Fakultät wird in einem Kompromiss auf hohem Niveau beides zusammenführen.

Sie verhandeln mit dem Krankenhauskonzern Vivantes wegen einer Kooperation.

Wir haben uns verständigt, dass wir eine Zusammenarbeit nicht nur auf der Ebene gemeinsamer Verwaltungseinrichtungen wie dem Einkauf oder den Servicebereichen wie Laboren prüfen. Wir prüfen auch eine Zusammenarbeit in der Krankenversorgung. Dabei geht es nicht nur um den Charité-Campus in Steglitz, sondern um alle Standorte. Es geht um eine Prüfung – entschieden ist noch nichts.

Was heißt das für die Krankenversorgung?

Es könnte sein, dass zum Beispiel am Standort Mitte der Charité ein bestimmtes Fach nicht mehr durch eine akademische Einrichtung der Charité vertreten wird. Dann könnte zum Beispiel die Versorgung der Bevölkerung auf diesem Gebiet durch Vivantes erfolgen.

Können Sie da ein Beispiel geben?

Wir prüfen das für alle Bereiche, aber ein Beispiel kann ich noch nicht geben. Die Vorteile für Vivantes und Charité sind klar. Beide müssen investieren, aber die Knappheit der Mittel bringt uns in eine knifflige Lage. Vielleicht können wir gemeinsam aus dieser Investitionsfalle entkommen. Der zweite Punkt ist, dass die Charité einige Fächer an mehreren Standorten vertritt. Solche Fächer müssen wir akademisch alimentieren, also Mittel für die Forschung bereitstellen. Es ist sinnvoller, die Mittel an einem exzellenten Standort zu konzentrieren. So arbeiten wir Schwerpunkte heraus.

Halten Sie an Ihren vier Standorten fest?

Wir halten innerhalb der Charité am Prinzip fest, mehrere Standorte zu haben.

In Steglitz, am Standort Benjamin Franklin, ist die Furcht vor einer Schließung groß, nachdem bereits die Vorklinik abgebaut und nach Mitte verlegt wurde.

Natürlich wäre es einfacher, alles an einem Standort zu konzentrieren. Aber das wollen wir nicht.

Wie wollen Sie die Chefärzte der Charité dazu bringen, Ihren Plänen zu folgen?

Die Zukunft der Charité hängt von erstklassigen Berufungen ab und die kosten Geld. Die Chefärzte der Charité sind sehr intelligente und sozial kompetente Leute. Deshalb gehe ich davon aus, dass sie gute Argumente überzeugen werden. Wir müssen dringend etwas gegen den dramatischen Investitionsrückstand tun und die Betriebskosten senken. Überall da, wo es Unikliniken in Deutschland gibt, ist die öffentliche Hand nicht mehr willens oder imstande, den Betrieb im erforderlichen Umfang zu gewährleisten.

Die Charité will bis 2015 rund 520 Millionen Euro in Neubauten und Sanierungen investieren, der Senat hat aber bislang nur 300 Millionen zugesagt. Halten Sie trotzdem an Ihren Plänen fest?

Wir halten natürlich an unserem Masterplan Charité fest, auch wenn der nicht in Stein gemeißelt ist und sich dynamisch an Entwicklungen anpassen muss. Das Land hat entsprechende Zusagen gemacht und wir gehen davon aus, dass diese eingehalten werden. Das Land berücksichtigt bisher auch nur die Jahre bis 2011. Außerdem habe ich den Eindruck, dass Berlin im Moment in der Wissenschaft durchaus Akzente setzen will, was ich sehr begrüße.

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit dem Helios-Konzern in Buch?

Das unterliegt einer Prüfung, die noch nicht abgeschlossen ist. Deshalb kann ich mich nicht zu den Ergebnissen äußern. Am Ende werden wir zu einer vernünftigen Entscheidung kommen. Da sind einige Optionen denkbar: von einer Auflösung des Vertrages bis hin zu einer Fortsetzung mit neuen Vertragselementen, die der Situation besser gerecht werden.

Sie monierten, dass die Trennungsrechnung zwischen Charité-Forschung und Helios-Krankenversorgung klarer werden muss. Rücken Sie davon ab?

Ich habe mich grundsätzlich für eine klare Trennung ausgesprochen. Das bezog sich nicht auf die Zusammenarbeit mit Helios. Die Trennungsrechnung war eines meiner Themen im Wissenschaftsrat. Aber sie ist komplizierter, als man denkt. Nehmen wir den Kugelschreiber des Arztes: ist er zu 30 Prozent Forschung und zu 70 Prozent Klinik oder umgekehrt? Wenn wir die Kooperation mit Helios fortsetzen, müssen wir noch klarer umreißen, wer was zahlt. Aber es wird immer schwierig sein zu sagen, dass jemand zu 27 Prozent hier und zu 73 Prozent dort ist. An jedem Universitätsklinikum werden Mittel für Forschung verwendet, um Hochleistungsmedizin zu stützen. Das Geld fehlt der Forschung.

Sie rechnen für dieses Jahr mit einem Defizit von zehn Millionen Euro und zusätzlichen Risiken in ähnlicher Höhe. Wie wollen Sie das Loch in der Kasse stopfen?

Wir sprechen die Einrichtungen mit den größten finanziellen Risiken an, um Strategien zu entwickeln, wie man die Gefahr abwendet. Ich habe fast jeden Tag Gespräche mit Abteilungen, deren Ausgaben oberhalb des Budgets liegen. Wir beraten, sind aber auch zum Eingreifen bereit, wenn sich nichts tut.

Ist Ihre Verwaltung dazu in der Lage, die finanziellen Risiken abzuschätzen?

Ich denke schon. Uns ist klar, dass es erhebliche Einschnitte geben muss, damit wir finanziell auf der sicheren Seite sind. Natürlich müssen Sie dazu Menschen etwas wegnehmen.

Wie hat man sich das vorzustellen?

Wir zeigen jedem seine Zahlen und die der anderen Abteilungen – das hat bei manchem schon Ernüchterung zur Folge gehabt. Das ist wie in einer Familie mit vielen Kindern: Wenn Sie da ungerecht sind, werden Sie auch keinen Frieden finden. Die Regeln, nach denen das Geld verteilt wird, müssen nachvollziehbar sein. Aber dann gilt es auch durchzugreifen, um nicht durch neue Analysen und Bedenken wertvolle Zeit zu verlieren.

Wissenschaftssenator Zöllner denkt über eine Vergrößerung des Vorstands nach. Sind drei Vorstandsmitglieder zu wenig?

Ich halte schmale Vorstände immer für die bessere Lösung. Das heißt nicht, dass es für die tägliche Arbeit nicht sinnvoller sein könnte, den Vorstand zu erweitern.

Das Gespräch führten Liva Haensel, Tilmann Warnecke und Hartmut Wewetzer.

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