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Land unter. Mit Überflutungen wie hier an der Donau, müssen die Deutschen künftig häufiger rechen. Denn der Klimawandel beeinflusst die Niederschlagsverteilung.

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Es wird wärmer: Klimawandel: Die Katastrophe auf Raten

Fast jedes Hochwasser und jede Hitzewelle wird mit der Erderwärmung in Zusammenhang gebracht. Aber nicht überall, wo Klimawandel draufsteht, ist Klimawandel drin.

Unablässig trieb der Wind dunkle Wolken heran. Es regnete nicht, es goss in Strömen. Seit Stunden. Die Gullys liefen über, die Bäche schwollen an, in den ersten Kellern stand das Wasser. Später waren auch die Räume im Erdgeschoss überflutet, die Straßen, die neue Fabrikhalle im Tal.

Sobald es ein Hochwasser gibt – sei es entlang der Neiße, der Elbe oder der Donau –, dauert es oft nicht lange, bis ein Zusammenhang zum Klimawandel hergestellt wird: Seht her, das haben wir mit verschuldet. In Zukunft sollen uns Wetterextreme noch häufiger und heftiger treffen, hört man allenthalben. Umso dringender sei es, den menschgemachten Klimawandel, sprich den Ausstoß von Treibhausgasen, so rasch wie möglich in den Griff zu bekommen. Darum soll es bei der internationalen Klimakonferenz gehen, die am Montag im südafrikanischen Durban beginnt.

Nur, ganz so einfach ist es nicht mit dem Klimawandel. Er steckt nicht überall drin, wo ihn der Volksmund, die Medien und auch einige Experten draufgeklebt haben. Er lässt sich kaum mit einfachen Aussagen beschreiben. Selbst die reflexhafte Schuldzuweisung in Sachen Erderwärmung an das Kohlendioxid ist nicht ganz richtig; sie trifft eine wichtige Ursache, verschweigt aber zum Beispiel die Rolle der übrigen Treibhausgase wie Methan oder Lachgas. Hinzu kommt, dass im Namen des Klimawandels Szenarien entworfen wurden, die deutlich an der Realität vorbeigingen. 50 Millionen Klimaflüchtlinge sollte es 2010 geben, hatte die Uno vor sechs Jahren gewarnt. Eine gehörige Übertreibung, die jedoch eher hängen bleibt als die konservativen Schätzungen von Polarforschern zum Verlust des arktischen Meereises, der in der Realität viel schneller voranschreitet als gedacht. All das macht es schwer, den Klimawandel zu greifen, zu begreifen.

„Der Mensch ist nicht in der Lage, Klimaänderungen wahrzunehmen.“

„Ein wesentliches Problem sind die großen Zeitspannen“, sagt Martin Claußen, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI) in Hamburg. Oft werde das Klima mit dem Wetter verwechselt. Während Letzteres der aktuelle Zustand der Atmosphäre ist, beschrieben mit Bodenfrost, Westwind, Regen oder Sonnenschein, ist Klima der Durchschnitt der „Einzelwetter“ über mindestens 30 Jahre. „Diese Zeitspanne kann der Einzelne kaum überblicken“, sagt Claußen. Mit ein paar Erinnerungen an sehr kalte Wintertage oder einen verregneten Sommer lasse sich jedenfalls keine Statistik machen. Darum lautet sein Fazit: „Der Mensch ist nicht in der Lage, Klimaänderungen wahrzunehmen.“

Im globalen Durchschnitt ist es seit Ende des 19. Jahrhunderts um 0,8 Grad Celsius wärmer geworden.
Im globalen Durchschnitt ist es seit Ende des 19. Jahrhunderts um 0,8 Grad Celsius wärmer geworden.

© dapd

Er könne sie nur indirekt erfahren. Etwa indem er Gletscher in den Alpen besucht und die Markierungen sieht, die zeigen, wie weit die eisige Zunge früher ins Tal reichte.

Weniger sinnlich, aber für jeden nachvollziehbar und nachprüfbar, sind Wetterstatistiken. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sagt: In den vergangenen 120 Jahren ist es hierzulande im Schnitt ein Grad Celsius wärmer geworden. Ähnliche Trends sind weltweit belegt.

Mit den gemächlichen Temperatursteigerungen über Jahrzehnte lassen sich aber nur wenige Menschen davon überzeugen, dass Klimaschutz so dringend sein soll. Gerade Deutschland ist als Anschauungsobjekt für die Folgen des Klimawandels wenig geeignet, weil die Auswirkungen hier noch moderat sind.

Lesen Sie auf Seite zwei, warum es nahe liegt, extreme Wetterereignisse heranzuziehen.

Klimamodelle sind stets Vereinfachungen der Wirklichkeit. Exakte Vorhersagen sind daher unmöglich, es bleibt immer eine Unsicherheit.
Klimamodelle sind stets Vereinfachungen der Wirklichkeit. Exakte Vorhersagen sind daher unmöglich, es bleibt immer eine Unsicherheit.

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Die Wolken sind für Klimamodelle ein großes Problem.
Die Wolken sind für Klimamodelle ein großes Problem.

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Da liegt es nahe, extreme Wetterereignisse heranzuziehen. Dürren oder Fluten ziehen uns nun mal eher in Bann. Ein einzelnes Ereignis als Beleg für den Klimawandel auszurufen ist jedoch unsinnig. Solche Katastrophen gab es schon immer, sie gehören zum Auf und Ab des Wetters. Als Beleg kann nach Ansicht der Forscher allenfalls eine Häufung solcher Ereignisse gelten: Weil steigende Temperaturen Hitzewellen begünstigen, aber auch dazu führen, dass die Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann, die zumindest hierzulande vor allem während der Sommermonate in kurzen und heftigen Güssen niedergehen soll.

Die Beweislage ist bisher aber dürftig. „Wir haben einzelne Stationen, die eine Zunahme von Starkniederschlägen im Sommer zeigen“, sagt Gerhard Müller-Westermeier, Klimaexperte beim DWD. Bei vielen Stationen konnte der Trend aber noch nicht festgestellt werden. „Für verlässliche Aussagen braucht man lange Zeitreihen“, sagt er. „Vor allem, wenn es sich um seltene Ereignisse handelt, die Extremwetter nun mal per Definition sind.“ Bei den Hitzetagen, da sei eine Häufung schon besser zu erkennen.

Dennoch müssen Extremereignisse, zumindest bislang, als eher unzuverlässige Botschafter des Klimawandels betrachtet werden.

Das könnte sich in Zukunft ändern. „Bei den Starkniederschlägen im Winter haben wir ein klares Bild“, sagt Thomas Deutschländer vom DWD. „Im Norden erwarten wir eine deutliche Zunahme solcher Ereignisse bis hin zu einer Verdopplung gegen Ende des Jahrhunderts, am Alpenrand hingegen wird es kaum Änderungen geben.“ Diese Aussage sei durch sechs verschiedene Klimasimulationen gestützt, was ihm in punkto statistischer Sicherheit „ein gutes Gefühl“ gebe. Er würde lieber mehr Modelldurchläufe vorweisen, aber da sich die Resultate nicht widersprechen, ist er fürs erste zufrieden. Anders bei den extremen Sommerniederschlägen. Dazu gibt es bisher nur vier verschiedene Klimamodelle. Für manche Regionen in Süddeutschland, beispielsweise in der Gegend um den Chiemsee, kommen sie zu widersprüchlichen Aussagen, berichtet der Forscher. Zwei Modelle zeigen dort eine leichte Abnahme der Ereignisse, die zwei anderen sehen keine Veränderung. „In solchen Fällen muss man ehrlich sein: Wir können noch nicht sagen, was diese Regionen zu erwarten haben“, gibt Deutschländer zu.

Exakte Vorhersagen sind unmöglich

„Für uns Wissenschaftler ist es oft schwer, Unsicherheiten zu vermitteln“, sagt Guy Brasseur, Direktor des Climate Service Centers in Hamburg. „Ich erlebe es immer wieder, dass Politiker oder Industrievertreter fordern: Sagt uns, wie die Zukunft aussieht.“ Eine genaue Vorhersage wie beim Wetterbericht für die nächsten Tage sei aber unmöglich. „Unsere Modellrechnungen können höchstens angeben, wie wahrscheinlich es ist, dass beispielsweise die Niederschläge in Spanien im Durchschnitt um 30 Prozent zurückgehen“, sagt Brasseur.

Jedes Modell ist eine Vereinfachung der natürlichen Zusammenhänge, jedes Modell hat Fehler – allerdings jeweils andere Fehler. Indem die Forscher ihre Computer verschiedene Simulationen rechnen lassen, erhöht das ihr Zutrauen in die Ergebnisse. Gleichwohl bleibt immer eine Unsicherheit erhalten. Die Entwicklung von Wolken, die vor allem im regionalen Wettergeschehen maßgeblich sind, kann keine Simulation exakt nachvollziehen. Und kein Programmierer weiß, wie sich der Ausstoß von Treibhausgasen in Zukunft verändern wird. Doch diese Information braucht er, um sein Modell zu schärfen.

Klar ist allerdings: „Je mehr Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, umso mehr steigt die Temperatur, das zeigen ausnahmslos alle Modelle“, sagt der MPI-Forscher Claußen. Natürlich können vor allem die reichen Staaten versuchen, sich anzupassen: durch höhere Deiche oder neu gestaltete Städte mit gut isolierten Häusern und Schneisen, durch die der Wind die Hitze des Tages wieder herausblasen kann. „Je höher der Temperaturanstieg ausfällt, umso teurer wird das“, sagt Claußen. „Bei manchen Regionen müssen wir aber davon ausgehen, dass die Anpassung nicht mehr zu schaffen ist.“

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