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Wissen: Katastrophenforscher gerettet

Forschungsstelle kommt von Kiel an die FU

Berlin bekommt einen neuen Forschungsschwerpunkt zur Analyse von Katastrophen. Die Freie Universität beherbergt ab dem 1. Oktober die Katastrophenforschungsstelle (KFS) der Christian-Albrechts-Universität Kiel, die dort abgewickelt wurde. Damit gibt es ein Happy End für die 1987 gegründete Forschungsstelle. In Berlin wird sie zudem aufgewertet, indem eine Professur wieder eingerichtet wird, die seit 2000 nicht mehr besetzt war.

In Schleswig-Holstein saßen der Leiter der Forschungsstelle, Martin Voss, und seine sieben Mitarbeiter zuletzt in zwei engen Büros, am neuen Domizil im Institut für Meteorologie der FU bekommt die KSF mehr Platz. „Wir sind mit offenen Armen aufgenommen worden, man hat sich sehr um uns bemüht“, sagt Voss (39). Solche Wertschätzung war ihm seitens der Kieler Unileitung und der Landespolitik zuletzt nicht mehr entgegengebracht worden. Dort wurde die KFS als ein belastender Haushaltsposten gesehen, obwohl sie sich nach Aussage von Voss mit knapp einer Million Euro an Drittmitteln im Jahr selbst finanziert hat. Bis zuletzt hatte Voss gehofft, durch Unterstützung einer Stiftung seine Arbeit in Kiel fortsetzen zu können – vergeblich. In Berlin ist das Klima weniger rau für die Katastrophenforschung, der Umzug war nach Tagesspiegel-Informationen auch von politischem Wohlwollen begleitet.

Der Soziologe Voss, der sich seit langem auf Katastrophenforschung spezialisiert hat, kommt nicht allein nach Berlin. Mehrere Mitarbeiter, darunter ein Philosoph, ein Kommunikationswissenschaftler und ein Ethnologe, begleiten ihn. Er hoffe, demnächst auch einen Geografen und einen Psychologen ins Team holen zu können, sagt Voss.

Katastrophenforschung bleibt gerade nach den Ereignissen von Fukushima gefragt, oft in Form von Gutachten. Auftraggeber der Forschungsstelle ist unter anderem der Weltklimarat. Die KFS werde etwa an einem Projekt zum Klimawandel in den Alpen weiterarbeiten, bei dem es um die Entwicklung eines Naturgefahrenmanagements geht, sowie an einer Studie zur Wirksamkeit von Katastrophenschutzplänen in Kieler und Hamburger Stadtteilen.

Voss hat zunächst bis zum Ende des Sommersemesters 2013 eine Gastprofessur am Institut für Ethnologie, und wird dort künftig vier bis fünf Lehrveranstaltungen pro Woche anbieten. Sein Credo in der Katastrophenforschung: „Will ich die Praktiker und Handelnden erreichen, muss ich mich einmischen.“

Bei katastrophalen Ereignissen spielt neben den objektiven Fakten der Faktor Mensch eine wichtige Rolle. So stehen die Behörden bei drohenden Vulkanausbrüchen oder Flutwellen oft vor der Frage: Was ist gefährlicher, das Naturereignis oder die Folgen einer Massenpanik, wenn wir Alarm schlagen? Nicht zuletzt leidet auch ihre Glaubwürdigkeit, wenn am Ende doch nichts passiert – mit möglicherweise fatalen Folgen beim nächsten Ernstfall.Dieter Hanisch

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