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Gelichtete Reihen. Die katholische Kirche hat eine lange Tradition großer Denker. Doch es werden immer weniger. Foto: dpa

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Katholische Theologen: Herr, lass Hirn regnen!

Eine Studie zeigt den Niedergang der katholischen Theologie an deutschen Unis. Immer weniger studieren das Fach, auf Professuren gibt es oft nur einen Bewerber. Der Kirche drohe, als zeitgenössischer Ansprechpartner nicht mehr ernst genommen zu werden, heißt es.

Katholische Theologen aus Deutschland gehörten im 20. Jahrhundert zu den besten der Welt. In den 60er Jahren gaben sie die entscheidenden Impulse für das Zweite Vatikanische Konzil und die damit verbundene Weiterentwicklung der Theologie. Kurienkardinal Walter Kasper und der Mainzer Kardinal Karl Lehmann gehören zu dieser geistigen Elite, ebenso der Kirchenkritiker Hans Küng und, natürlich, Papst Benedikt XVI. Doch seit gut zehn Jahren geht es mit der katholischen Theologie in Deutschland bergab. Am Mittwoch veröffentlichte die Bischofskonferenz eine von ihr in Auftrag gegebene neue Studie „Zur Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses in der katholischen Theologie“. Sie zeigt eine dramatische Entwicklung.

Es gibt zurzeit 20 katholisch-theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten und 14 Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft. Damit ist die katholische Theologie noch gut vertreten in der Hochschullandschaft. Es gibt auch immer mehr Studenten, die sich dafür interessieren – aber nur noch im Nebenfach, etwa weil sie Religionslehrer werden wollen. Für den intellektuellen Nachwuchs in der Kirche, unter Diakonen, Priestern und Bischöfen ist relevant, wie viele Studenten das Fach im Vollstudium studieren: gerade noch 2200 Studenten. Vor 15 Jahren waren es doppelt so viele. Es gibt auch 19 Prozent weniger Professuren als vor fünf Jahren, im akademischen Mittelbau sind die Stellen um 20 Prozent eingebrochen. Seit 2006 ist die Zahl der Promotionen um ein Viertel gesunken.

„Erhebliche Nachwuchsprobleme“ stellen die Autoren der Studie in den Fächern Moraltheologie und Fundamentaltheologie fest. Für frei werdende Professuren werde es in den nächsten fünf Jahren „eindeutig zu wenige Bewerber geben“, zum Teil werde nur ein einziger Bewerber zur Verfügung stehen. Setzt sich die negative Entwicklung fort, wird es zu Schließungen von Fakultäten kommen, in Bamberg und Passau ruht schon jetzt der Fakultätsstatus, kommendes Jahr wird die Hochschule in Benediktbeuern dichtmachen.

Die Autoren der Studie konstatieren einen „massiven Substanzverlust der katholisch-theologischen Forschung“, der dem Ansehen der katholischen Kirche „immens schaden“ werde. Der katholischen Theologie drohe, als zeitgenössischer Ansprechpartner nicht mehr ernst genommen zu werden. Die katholische Kirche könnte bald nicht mehr sprachfähig sein bei gesellschaftlichen Debatten. Schon jetzt klagen katholische Theologen, dass sie nicht mehr gefragt werden, etwa wenn es um Bioethik geht, weil die Debatten längst in den Philosophie-Seminaren geführt werden.

Vor kurzem äußerte der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki den Wunsch, eine eigene katholisch-theologische Fakultät in Berlin zu eröffnen. Auch Papst Benedikt würde ein solches Projekt gutheißen, sagte er. Angesichts des mangelnden Nachwuchses erscheint die Idee auf den ersten Blick realitätsfern. Woelki räumte auch ein, dass er nicht wisse, wie man das bewerkstelligen könne, schließlich habe das Erzbistum für große Sprünge kein Geld. Die Berliner Universitäten haben auf einen solchen Vorstoß vermutlich nicht gerade gewartet – zumal man mit dem Seminar für katholische Theologie an der Freien Universität schlechte Erfahrungen gemacht hat. Man musste für den katholischen Theologen und Priester Michael Bongardt eine neue Stelle suchen, weil er nach seiner Heirat für die Kirche nicht mehr tragbar war.

Wenn man eine neue Fakultät in Berlin eröffnen wollte, müsste man wohl den Standort in Erfurt schließen und womöglich noch weitere Einrichtungen hier zusammenzuziehen. Das wäre zumindest im Sinne des Wissenschaftsrates, der in seinen Überlegungen zur Neuordnung der Theologien vor zwei Jahren den Kirchen dringend zur Konzentration und Kooperation riet – über Bistumsgrenzen hinweg. „Mit Sorge“ betrachte man die „Kleinteiligkeit vieler Institutsstrukturen“.

Als er seinen Wunsch nach einer neuen katholisch-theologischen Fakultät äußerte, fügte Kardinal Woelki an, er könne sich auch eine eigene Berliner Hochschule in Trägerschaft der Kirche vorstellen. Der Wissenschaftsrat warnt aber ausdrücklich vor der Ausgliederung der Theologien in private Institute, da dort die wissenschaftlichen Standards gefährdet seien; es fehle der Austausch mit den akademischen Ansprüchen einer Universität.

Die neue Studie der Bischofskonferenz nennt keine Gründe für den Traditionsabbruch. Klar ist, dass immer weniger junge Männer katholische Priester werden wollen. Vor einem Jahr haben zudem über 300 katholische Theologen in einem Memorandum grundlegende Reformen in ihrer Kirche gefordert. Es zeigt, wie groß die Unzufriedenheit unter dem wissenschaftlichen Nachwuchs ist, wie viele unter starren hierarchischen Kirchenstrukturen leiden – gerade in einem Bereich, der von geistiger Kreativität und Freiheit lebt. Die neue Studie zeigt außerdem, dass sich Frauen so gut wie gar nicht mehr für das Studium der katholischen Theologie interessieren. Sie haben nach wie vor kaum Karrierechancen in katholischen Einrichtungen.

Auch bei den Protestanten sind die Studentenzahlen ab Mitte der 90er Jahre eingebrochen. Damals wurde klar, dass es nicht mehr genügend Pfarrstellen gibt für die ausgebildeten Theologen. Seit 2005 entscheiden sich aber wieder mehr Studenten für die Theologie im Hauptfach, zurzeit sind es etwa 4500. Die evangelische Theologie findet überwiegend an staatlichen Universitäten statt, an zehn Fakultäten und 20 weiteren Instituten, die keinen Fakultätsstatus haben. Lediglich zwei Hochschulen werden von der Kirche getragen.

Es wäre nicht im Interesse der Gesellschaft, wenn sich die Theologien aus den Universitäten verabschieden, hat der Wissenschaftsrat mehrfach betont. „Der moderne demokratische Rechtsstaat hat ein vitales Interesse daran, religiöse Orientierungen seiner Bürger für die Stabilität und Weiterentwicklung des Gemeinwesens fruchtbar zu machen“, heißt es in den Empfehlungen zur Neuordnung der Theologien. Die Integration der Theologien an den Universitäten „konfrontiert die Religionsgemeinschaft mit der Aufgabe, ihren Glauben unter sich wandelnden Wissensbedingungen und -horizonten immer neu auslegen zu müssen. Dies kann am besten unter den an Universitäten geregelten Bedingungen wissenschaftlicher Kommunikation und Erkenntnisproduktion gelingen.“ So könne man auch am ehesten verhindern, dass sich religiöse Standpunkte radikalisieren.

Auf ihrer Frühjahrsvollversammlung in Regensburg haben sich die katholischen Bischöfe diese Woche mit der neuen Studie über den wissenschaftlichen Nachwuchs beschäftigt. Man sehe, dass die Zahlen der Studenten so stark gesunken sind, dass die Qualität der Ausbildung „bisweilen leidet“, sagte hinterher der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff, der in der Bischofskonferenz für den theologischen Nachwuchs zuständig ist. „Wir brauchen eine strategische Hochschulplanung, die das Ganze im Auge behält und die Einrichtungen in staatlicher und kirchlicher Trägerschaft einschließt.“ Wie sie aussehen könnte, ließ er offen. Er selbst wolle mehr für die Berufe in der Kirche werben, sagte Mussinghoff und fügte an, dass die Entscheidungen auf der Ebene der Bistümer und in den einzelnen Regionen fallen. Eine konzertierte strategische Planung sieht anders aus.

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