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Waldbrand

© dpa

Klimaforschung: Extreme Prognose

Forscher können das Klima jetzt noch genauer vorhersagen: Ab 2009 wird die Erde so heiß wie nie zuvor.

Zuerst die gute Nachricht: In den nächsten beiden Jahren wird sich die globale Durchschnittstemperatur von rund 15 Grad Celsius nicht weiter erhöhen. Das melden Klimaforscher um Doug Smith vom Hadley Centre des Britischen Wetterdienstes in Exeter. Danach aber – und das ist der pessimistische Teil der Botschaft – wird der Klimawandel die Temperaturen kräftig in die Höhe treiben. 2014 sollen es schon 0,3 Grad Celsius mehr sein als noch 2004.

Mehr als die Tatsache der Erwärmung überraschen Zeitraum und Prägnanz der Prognose. Während sonst eher von „Klimaprojektionen“ die Rede ist, machen die britischen Forscher im Fachjournal „Science“ (Band 317, S. 796) jetzt relativ konkrete und vor allem kurzfristige Klimavorhersagen. „Die Kollegen haben zusätzliche Daten aus dem Meer und der Atmosphäre in ihre Modelle eingebaut und so den simulierten Zustand näher an die Wirklichkeit gebracht“, sagt Johann Jungclaus vom Max-Planck-Institut (MPI) für Meteorologie in Hamburg.

Die üblichen Klimamodelle kommen in der Tat eher theoriebeladen daher. Die Forscher füttern den Computer mit bestimmten Kerndaten. Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre, die Menge der „Aerosol“ genannten winzigen Schwebeteilchen in der Luft und die Sonneneinstrahlung gehören dazu. Die Temperaturen von Luft und Wasser des Jahres, in dem die Modellrechnung beginnt, fehlen dagegen. Mit gutem Grund. Denn Wetter entwickelt sich langfristig gesehen chaotisch. Charakteristisch ist vor allem seine Veränderlichkeit.

Bei ihren Modellen beginnen die Forscher meist mit dem Jahr 1860. Seit diesem Zeitpunkt liegen Daten über die Konzentration der Treibhausgase, die Aerosole und die damalige Sonneneinstrahlung vor. Nicht aufgezeichnet wurde dagegen die Temperatur des Meerwassers.

Als Ersatz werden in die Modelle die Temperaturen des Ozeanwassers der letzten fünfzig Jahre eingesetzt. So kann man näherungsweise zurückrechnen, wie warm der Ozean im Jahr 1860 gewesen sein könnte. Mit diesem Wert sind die Daten komplett, um das Klima des 20.Jahrhunderts simulieren zu können. Die errechneten Modellwerte für Temperatur oder für die Konzentration der Treibhausgase können nun mit den realen Klimadaten verglichen werden. Je besser die Übereinstimmung ausfällt, als desto zuverlässiger für Klimaprognosen wird das Modell angesehen.

Das funktioniert recht gut. Die Modelle geben nicht nur über Jahrzehnte gemittelte Vorhersagen. Sie können sogar rapide Klimaschwankungen erkennen. Diese treten beispielsweise auf, wenn die Tropensonne den Pazifik kräftig aufheizt, während die nach Westen wehenden Passatwinde das warme Wasser von Südamerika in Richtung Australien und Indonesien drücken. An den Küsten Südamerikas quillt dann kaltes Wasser aus den Tiefen des Pazifiks nach oben, während sich das Wasser weit im Westen aufstaut und den Meeresspiegel zwanzig bis dreißig Zentimeter steigen lässt.

In manchen Jahren kehren sich die Verhältnisse jedoch um. Eine warme Welle schwappt dann in Richtung Südamerika und treibt dort die Temperaturen von Wasser und Luft in die Höhe, während gleichzeitig die Küstenwüsten in Peru und Chile kräftige Regenfälle abbekommen. Diese Umkehr der normalen Verhältnisse wird als El Niño bezeichnet. Sie tritt alle paar Jahre auf und wirbelt gleichzeitig das Klima in weiten Teilen der Erde kräftig durcheinander.

Herkömmliche Klimamodelle können inzwischen gut ausrechnen, wie oft ein solcher El Niño das Klima umkehrt und wie stark die Anomalie ausfällt. Nur das Jahr, in dem ein El Niño auftritt, lässt sich so nicht vorhersagen. Schließlich fehlen dem Computermodell die realen Werte für die Ozeantemperaturen.

„Das muss nicht sein“, erklärt MPI-Forscher Jungclaus. Denn es gibt nicht nur auf dem Pazifik genügend Messbojen, um Temperatur und Salzgehalt des Wassers sowie die Höhe des Meeresspiegels festzuhalten. Zusammen mit den aktuellen Daten der Atmosphäre können Meteorologen damit das Wetter der nächsten Tage recht zuverlässig vorhersagen.

Die Idee liegt nahe, solche Daten auch in die Klimamodelle einzubauen und so das Klima für die nächsten Jahre nicht nur zu projizieren, sondern detailliert vorherzusagen. Genau das versuchen Jungclaus und sein Hamburger MPI-Kollege Jochem Marotzke derzeit im Auftrag des Bundesforschungsministeriums. Und genauso machen es die Forscher vom britischen Wetterdienst. Sie geben in ihre Computermodelle zusätzlich den aktuellen Klimazustand verschiedener Jahre ein und können so die Entwicklung des Klimas schon für die nächsten Jahre prognostizieren.

Die Vorhersagen des britischen Teams erstaunen allerdings im ersten Moment ein wenig. Smith und Kollegen sagen nämlich voraus, dass die Temperaturen für einige Jahre nicht weiter steigen werden. Dass die Temperaturen konstant bleiben, liegt daran, dass in dieser Zeit die natürlichen Schwankungen im Ozean dem Klimatrend entgegenwirken. Ab dem Jahr 2009 wird es anders. Dann werden die in den Vorjahren „versäumten“ Temperatursteigerungen nachgeholt.

MPI-Forscher Jungclaus hält diese Art der Klimavorsagen, die bisher aber nur für den Zeitraum eines Jahrzehnts funktionieren, für sehr wichtig. „Steigen die Temperaturen in den kommenden Jahren nicht weiter, entsteht sonst leicht der Eindruck, der Klimawandel sei nicht mehr aktuell“, erklärt der Wissenschaftler. Tatsächlich aber zeigen die Vorhersagen der britischen Forscher, dass sich die Temperaturerhöhung nur verzögert und später rasch nachgeholt wird.

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