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Körperscanner: Abtasten ohne zu berühren

Leibesvisitation aus acht Metern Entfernung: Jenaer Forscher entwickeln einen Körperscanner, der ohne Strahlenquelle auskommt. Er soll schneller sein als die Scanner, die derzeit auf Flughäfen eingesetzt werden.

Die Treppe hoch, zweimal rechts, und schon blickt man ihm direkt ins Auge. Und er schaut zurück. Dazu nutzt er aber nicht die für Menschen sichtbaren Teile des Lichts, sondern Terahertzstrahlen. Die liegen im elektromagnetischen Spektrum zwischen Infrarot- und Mikrowellen. Mühelos kann er unter die Kleidung sehen und Gegenstände erkennen, die dort nicht hingehören. Neben Pistolen, die bereits Metalldetektoren erkennen, sollen Terahertzscanner auch Keramikklingen oder Sprengstoff finden. Seit dem versuchten Attentat auf ein US-Flugzeug kurz nach Weihnachten sind Körperscanner wieder in der Diskussion.

Die Forscher am Jenaer Institut für Photonische Technologien (IPHT) tüfteln schon seit drei Jahren an so einem Gerät. Das Besondere daran: Es kommt ohne aktive Bestrahlung aus und registriert nur jene Terahertzwellen, die jeder Gegenstand ohnehin ständig abgibt. Das Team um Projektleiter Torsten May hat die Maschine so weit entwickelt, dass sie die Leibesvisitation aus acht Meter Entfernung vornehmen kann. Deshalb haben sie das Gerät auch nicht im engen Labor aufgebaut, sondern im langen Flur.

Für einen Laien ist der mannshohe Apparat kaum als Vertreter der heftig diskutierten Körperscanner zu erkennen. Der Aluminiumspiegel, halber Meter Durchmesser, in dessen Fokus ein weiterer Spiegel sitzt, erinnert eher an einen Forschungssatelliten. Je näher man kommt, umso lauter wird ein rhythmisches Zischen. Ein Mal pro Sekunde, gleich einem Herzschlag, tönt es „Piff, Piff, Piff“.

„Das ist der Pulsrohrkühler“, sagt May und legt seine Hand auf einen großen roten Zylinder. „Denn hier drin befindet sich der eigentliche Detektor, der muss gut gekühlt werden.“ Im Grunde sei Terahertzstrahlung eine Wärmestrahlung, je stärker man einen Detektor kühlt, desto kleinere Unterschiede kann er erkennen. Nach diesem Prinzip bauen Astronomen bereits seit Jahren präzise Messapparate; und so kamen die Forscher vom IPHT überhaupt zum Körperscanner. „Wir sollten für das Apex-Teleskop in Chile einen Terahertzsensor bauen“, erzählt der Wissenschaftler. Denn damit können vor allem alte Sterne gut erforscht werden: Aufgrund der Expansion des Kosmos werden die von ihnen ausgesendeten Wellen gedehnt, was die Ur-Sonnen als Infrarotstrahlung losschickten, kommt heute bei den Astronomen als Terahertzwelle an. Als vor gut drei Jahren schon einmal über Körperscanner diskutiert wurde, sahen die IPHT-Forscher, dass sie bereits einen Teil der nötigen Technik besaßen.

May gibt sich bescheiden: „Wenn die Astronomen uns nicht angetrieben hätten, wären wir mit dem Körperscanner noch nicht so weit. Wir sind den Kollegen zu großem Dank verpflichtet.“ In Wirklichkeit war noch viel zu tun. Der Zwölf-Meter-Spiegel des Originals ließe sich in keinem Abfertigungsterminal unterbringen, der Scanner musste deutlich kleiner werden. Auch die Kühlung sollte wartungsfrei sein, denn das Personal auf Flughäfen ist nicht dafür ausgebildet, flüssiges Helium unter Luftabschluss nachzufüllen. Deshalb hat der IPHT-Scanner auch die pfeifende Pulsrohrkühlung. Nach dem Prinzip eines Kühlschranks wird abwechselnd Luft verdichtet und entspannt, um minus 269 Grad Celsius zu erreichen. Ein zweiter Kühlkreislauf, der eine seltene Sorte von Heliumatomen enthält, senkt die Temperatur auf 0,3 Grad über dem absoluten Nullpunkt.

Ein Dutzend Mitarbeiter und gut eine Million Euro waren nötig, um das jüngste Versuchsgerät zu entwickeln und zum Laufen zu bringen, erzählt Hans-Georg Meyer, Leiter der Abteilung Quantendetektion am IPHT. „Weltweit gibt es nur eine weitere Arbeitsgruppe, die in der passiven Terahertztechnik mit Sensorkühlung so weit ist.“

Auf diesen Unterschied legt er Wert. „Die Scanner, die derzeit an Flughäfen eingesetzt werden, sind alles aktive“, sagt Meyer. „Sie senden selbst Terahertzstrahlen aus und messen die zurückgeworfenen Wellen.“ Dass die ausgesandten Strahlen gesundheitsschädlich sein könnten, glaubt er nicht. „Aber die psychologische Komponente – ich werde jetzt bestrahlt! – sollte man nicht unterschätzen.“ Das habe der IPHT-Scanner anderen Geräten voraus. Zudem zeigt er kaum Körperdetails, ist also eher ein „Schemen“- denn ein „Nacktscanner“.

Von Torsten May, der sich mittlerweile vor dem Apparat postiert hat, sind lediglich Umrisse zu erkennen. Das Bild, das auf dem angeschlossenen Laptop erscheint, zeigt ihn in orange-roten Farben, weil er wärmer ist als die Umgebung. „Wo sich sein Bart befindet, ist das Bild heller, denn dort ist es etwas kühler“, sagt Meyer und deutet auf das gerasterte Gesichtsbild seines Mitarbeiters.

10 000 Pixel hat die Abbildung, obwohl nur 20 Sensoren die ankommenden Terahertzwellen registrieren. Damit dennoch ein komplettes Bild entsteht, bedienen sich die Forscher eines Tricks. „Am Anfang blicken die Sensoren exakt geradeaus, etwa so“, sagt May und deutet mit seinem Zeigefinger auf seinen Bauchnabel. „Dann wird der zweite Spiegel minimal gekippt und schrittweise gedreht.“ Auf diese Weise gelangen auch die Wellen jenseits der Mitte zum Detektor. „So werden die Messpunkte spiralförmig abgetastet“, sagt er und formt mit dem Finger ein Schneckenhaus auf seinem T-Shirt. Das Ganze geht so schnell, dass nach 0,2 Sekunden ein vollständiges Bild vorliegt.

„Als wir angefangen haben, musste man eine halbe Minute stillstehen, um ein scharfes Bild zu bekommen“, erinnert sich May. „In Zukunft wollen wir statt fünf oder zehn Abbildungen pro Sekunde 25 schaffen.“ Damit wäre eine Kontrolle „im Vorbeigehen“ möglich. Etwa in den mäanderförmigen Warteschleifen der Airports, wo sich die Passagiere unwillkürlich von allen Seiten zeigen.

So weit ist es aber noch nicht, zwei weitere Jahre Entwicklungsarbeit seien nötig, sagen die Forscher. Das aktuelle Gerät ist noch etwas langsam und würde eher das Prädikat „im Vorbeischleichen“ erhalten. May hat sich jetzt ein Stück Aluminium in Form einer Pistole um den Hals gehängt und unterm Shirt verschwinden lassen. Auf dem orang-roten Terahertzbild des Mannes zeigt sich die Attrappe in hellem Blau. „Metallische Gegenstände halten die Strahlung des Körpers zurück und zeichnen sich als Schatten ab“, erklärt sein Chef Meyer. Ist das Metall kühler als der Körper, wäre es auch mit einer Infrarotkamera auszumachen. Ist es jedoch erwärmt, versagt die bekannte Technik. Nicht aber das Terahertzverfahren. „Die Gegenstände auf der Haut reflektieren auch die Terahertzstrahlen, die von anderen Gegenständen im Raum ausgesandt werden“, fährt er fort. Wenn der Flur beispielsweise nur 20 Grad hat, sind die fremden Strahlen klar von denen des 37 Grad warmen Körpers zu unterscheiden.

Bei Metallen funktioniert die Reflexion der unsichtbaren Wellen besonders gut. Bei anderen Stoffen ist es schwieriger. Eine Handvoll Zucker, die sich May in einem Papiertütchen verpackt in die Hosentasche steckt, ist für Laien schon schwerer zu erkennen, der Kontrast nicht mehr so augenfällig. Mit dem Versuch soll nicht etwa die Suche nach Kaffeehausdieben simuliert werden – am IPHT dient das Süßungsmittel auch als Sprengstoffersatz. Das explosive Original dürfen die Forscher nämlich nicht benutzen. Für die Terahertzkamera sehen beide Stoffe aber ähnlich aus.

Nun steckt sich May ein kleines Messer mit Keramikklinge in den Hosenbund und tritt wieder vor den Scanner. Nur mit Mühe ist der gelbe Fleck zu erkennen, der den Fremdkörper anzeigt.

Vielleicht kann der Scanner solche Gegenstände eher finden, wenn er auf mehreren Frequenzen fahndet. Bisher misst er nur Terahertzwellen mit einer Wellenlänge von 870 Millionstel Meter. Der Wasserdampf in der Luft „schluckt“ nämlich die meisten anderen Wellenlängen. Deshalb durchdringen die Strahlen auch den menschlichen Körper nicht, er besteht ja zum Großteil aus Wasser.

Es gibt aber noch eine Handvoll weiterer „Lücken“, durch die Terahertzwellen mit bestimmten Wellenlängen die Luft passieren können. May und sein Team wollen künftig auch diese detektieren. Ihre Hoffnung: Je nachdem, mit welcher Intensität die jeweiligen Wellentypen ausgesandt werden, könnte man dann Rückschlüsse auf die Materialzusammensetzung erhalten und etwa Fleisch und Blut von Keramik unterscheiden.

Den vielfach geäußerten Vorwurf, Terahertzscanner seien der direkte Weg zum gläsernen, nackten Bürger, wollen die IPHT-Wissenschaftler nicht teilen. „Unser Gerät erzeugt gerade keine Nacktbilder und ist deshalb ethisch unbedenklich“, sagt Meyer. Da es nur Strahlung aufnimmt, die ohnehin ausgesandt wird, gleiche es einer Überwachungskamera. „Die gibt es heute schon an vielen Orten und nur wenige stören sich daran“, sagt er. Wenn sich die Aufregung gelegt hat, werde das mit passiven Terahertzscannern kaum anders sein, glaubt Meyer. Und fügt hinzu: „Sie sind dennoch keine Allheilmittel, eine absolute Sicherheit wird es niemals geben.“

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