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Kolumne: Freie Sicht: Nachhilfeschulen gehört die Zukunft

Nachricht aus Japan: 50 000 Nachhilfeschulen werden zurzeit betrieben, jede hat mehrere hundert Schüler. Je nach Region gehen 25 bis 80 Prozent aller Schüler, beginnend mit der 5.

Nachricht aus Japan: 50 000 Nachhilfeschulen werden zurzeit betrieben, jede hat mehrere hundert Schüler. Je nach Region gehen 25 bis 80 Prozent aller Schüler, beginnend mit der 5. und 6. Grundschulklasse, in die privaten Jukus, sei es zur Vorbereitung auf Aufnahmetests in privaten Mittelschulen oder in Universitäten. Eltern zahlen zwischen monatlich 60 Euro für das bloße Basisprogramm bis über 1000 Euro für ein „Sicherheitspaket“, das weitgehende Sicherheit für den Erfolg im Bildungslauf verspricht. Gleichwohl soll der Jukubesuch für die 80 Prozent der japanischen Haushalte, die wenige Kinder haben, bezahlbar sein.

Belastender ist eher die Anforderung an Schülerinnen und Schüler. So endet die Unterrichtszeit durchaus auch erst um 22 Uhr. An unterrichtsfreien Tagen stehen Jukubesuchern Schreibtische für die individuelle Schulnacharbeit zur Verfügung. Über empirisch gesicherte Erfolge von Jukus ist wenig bekannt. Hohe Erfolgsraten beim Bestehen von Aufnahmeprüfungen und bei der Verbesserung von Schulnoten können natürlich auch auf eine positive Selektion leistungsfähiger Schüler durch die Jukus selbst zurückgehen. Soweit ein paar Fakten.

Was haben wir damit zu tun? Zweifelsfrei werden Nachhilfeschulen in Deutschland der Regelfall werden. Daneben natürlich der Einzelunterricht durch Studenten, Lehrer und andere, die sich ihr Einkommen aufbessern wollen. Warum sind Jukus eine erwartbare Zukunft? – Der Globalisierungsprozess macht auch vor dem Bildungswesen nicht halt. Wir finden private Zusatzschulen in breiter Form weltweit. Deutschland schien eine Ausnahme zu sein. Nachhilfeschulen waren lange Zeit so etwas wie Rotlichtetablissements des Bildungswesens. Die Besuchsfrequenz ist reichlich, wird aber im Einzelfall gern bestritten. Dabei lagen die Ausgaben für Nachhilfeunterricht schon in den neunziger Jahren jährlich bei drei Milliarden Mark.

Ein weiterer Grund: In Deutschland wird die Leistungsfähigkeit öffentlicher Einrichtungen im positiven Falle als Erfolg von Staat und Politik propagiert, Misserfolg wird seit Jahrhunderten privatisiert: zu dumm, zu faul. Dabei ist der Misserfolg im Bildungswesen ausnahmslos Staatsversagen, wenn der Staat Bildung monopolisiert. Besonders dann, wenn die Gründe für den Misserfolg bekannt sind. Man stelle sich vor, wie Pisa-Resultate aussähen, wenn in Deutschland nicht Eltern und Nachhilfelehrer einem beträchtlichen Teil der Sprösslinge das zukommen ließen, was die Schule ihnen aus vielfältigen Gründen verwehren muss: individuelle Betreuung, Erklären ohne Notendruck, eine kooperative Atmosphäre von Empathie.

Der Autor ist Erziehungswissenschaftler und schreibt jeden dritten Montag über aktuelle Themen und Debatten. In der kommenden Zeit blickt er auf das Bildungswesen im Ausland.

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