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Energie aus der Tiefe. Bei der Forschungsbohrung "Genesys" wurde in Hannover knapp 4 Kilometer tief gebohrt. Ziel ist es, die Wärme zum Heizen für das Geozentrum zu nutzen. In dieser Tiefe herrschen so hohe Temperaturen, dass auch die Stromerzeugung denkbar ist. Doch gerade in Norddeutschland kommen solche Projekte kaum voran.

© dpa

Kolumne "Was Wissen schafft": Die Geothermie wird ausgebremst

Erdwärme liefert rund um die Uhr Energie. Doch das Potenzial wird kaum genutzt. Im Gegenteil: Im Kampf gegen fossile Energieträger droht die Geothermie als Kollateralschaden auf der Strecke zu bleiben. Ein Kommentar.

Die Forscher waren ein bisschen enttäuscht. Ihnen war klar, dass ihr Vorhaben die Erde nicht zum Einsturz bringen würde. Aber wenigstens ein leichtes Zittern unten im Bohrloch hatten sie erhofft. Die sensiblen Messgeräte jedoch schlugen nicht einmal aus. 20 000 Kubikmeter Wasser aus dem Mittellandkanal hatten große Pumpen in das gut drei Kilometer tiefe Loch in Hannover gedrückt. Wie erwartet zerbrach der Überdruck das dichte Gestein, es entstand ein wenige Millimeter breiter Spalt – ohne dass an der Oberfläche etwas zu spüren war.

Geothermie zur Stromerzeugung steht erst am Anfang

Genau das wollten die Wissenschaftler mit ihrem Hydraulic Fracturing – oft als „Fracking“ bezeichnet – erreichen. Dank zusätzlicher Spalten kann Wasser besser zirkulieren und mehr Wärme vom kochend heißen Fels in der Tiefe aufnehmen. Das ist nötig, um geothermische Energie effektiv nutzen zu können. Je mehr und je heißeres Wasser die Oberfläche erreicht, umso größer ist die Leistung eines Erdwärmekraftwerks.

Während die Technik für die Wärmeversorgung etabliert ist, steht die Stromerzeugung mittels Geothermie in Deutschland noch am Anfang. Der Grund: Hierfür sind Temperaturen von weit über 100 Grad nötig, es muss kilometertief gebohrt werden. Rechnet man noch das Kraftwerk hinzu, kommt ein zweistelliger Millionenbetrag zusammen.

Wie bei jeder neuen Technik dürften die Kosten sinken, je weiter sie entwickelt wird. Doch dieser Fortschritt könnte in Deutschland ins Stocken geraten. Im Kampf gegen fossile Rohstoffe und für weitere Wind- und Solaranlagen droht die Geothermie hier als Kollateralschaden auf der Strecke zu bleiben.

Umweltbundesamt will höhere Hürden errichten

Das hängt vor allem mit dem umstrittenen Fracking zusammen, mit dem Erdgasfirmen neue Lagerstätten erschließen wollen. In einem Eckpunktepapier haben kürzlich die Bundesminister Sigmar Gabriel und Barbara Hendricks strenge Regeln vereinbart, unter denen das Verfahren eingesetzt werden darf. In der vergangenen Woche legte Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts, nach. Sie will der „Risikotechnologie“ enge Grenzen setzen und fordert rigide Umweltvorschriften für jede Art von Fracking. Betroffen ist damit auch die Geothermie, obwohl dort keine Chemikalien, sondern nur gewöhnliches Wasser benutzt wird.

Gerade in Norddeutschland, wo der Untergrund oft weniger porös ist als in den typischen Geothermiegegenden im Süden, ist das Aufbrechen des Gesteins meist nötig, um überhaupt Aussichten auf einen rentablen Betrieb zu haben. Sollte sich Krautzberger durchsetzen und beispielsweise die umfangreichen und teuren Umweltverträglichkeitsprüfungen zur Pflicht machen, steigen die Kosten weiter.

Finanzieller Bonus für schwierigen Untergrund wurde abgeschafft

Ein Ausgleich ist nicht in Sicht. Zwar wurde bei der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die Vergütung für Erdwärmestrom um 0,2 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Doch ein Sonderbonus von 5 Cent, der Projekte im schwierigen Untergrund des Nordens anregen sollte, wurde gestrichen. Aus Prinzip, weil auch bei Wind- und Solarstrom gekürzt wurde, wie es heißt. Dadurch geraten künftige Vorhaben noch mehr unter Druck.

Natürlich hat die Geothermie auch mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen. Immer wieder kommt es vor, dass die millionenteuren Bohrungen weniger Wärme liefern als erhofft, gibt es Erschütterungen, die die Menschen verunsichern. Das zeigt, dass die Wissenschaftler und Ingenieure den Untergrund nicht so gut kennen, wie sie manchmal glauben.

Wind und Sonne sind wetterabhängig - und benötigen Grundlastkraftwerke im Hintergrund

Die Stromerzeugung aus Erdwärme deshalb aufzugeben, wäre dennoch falsch. Erst recht, wenn der Anteil erneuerbarer Energien weiter steigen soll. Windräder und Solaranlagen mögen zwar auf den ersten Blick billiger Strom produzieren. Doch sie brauchen wetterunabhängige Kraftwerke im Hintergrund, die bei Flaute und Dunkelheit einspringen, denn Speicher und intelligente Stromnetze werden das Problem allein nicht lösen. Die Auswahl der verbleibenden Energiequellen ist begrenzt: Kohle, Öl und Gas übernehmen bisher die Hauptlast, sollen nach dem Willen der Regierung aber verschwinden, erst recht die Kernenergie. Übrig bleiben Wasserkraft und Biomasse, die zumindest in Deutschland kaum weiter ausgebaut werden können. Und Erdwärme, die praktisch überall zu haben ist – wenn man ihr eine Chance gibt.

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