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Kolumne: WISSENSHUNGER: Fette Beute

Kai Kupferschmidt ist Molekularbiomediziner und schreibt am ersten Sonntag jedes Monats über Ernährung und Wissenschaft.

Fett ist bekanntlich ein Geschmacksträger – und dafür bin ich jedes Mal dankbar, wenn ich in ein ölgetränktes Stück Salamipizza meines Lieblingsitalieners beiße. Leider hat Fett aber auch ein paar unangenehme Eigenschaften: Nimmt der Mensch zu viel davon zu sich, erhöht das sein Risiko, an Diabetes, Fettsucht oder Arterienverhärtung zu erkranken. Es können sich eher Blutgerinnsel bilden und Entzündungen entstehen.

Natürlich ist nicht alles Fett, was glänzt. Als besonders ungesund gelten gesättigte Fettsäuren. Das sind Fettmoleküle, bei denen die langen Ketten nicht durch Doppelbindungen unterbrochen sind. Ernährungsberater raten deshalb schon lange, weniger gesättigte Fettsäuren zu verzehren. Das hat am Essverhalten der meisten Menschen allerdings wenig geändert.

In Dänemark gibt es nun seit Anfang Oktober eine Fettsteuer. Die gilt für alle Lebensmittel, die mehr als 2,3 Prozent gesättigte Fettsäuren enthalten, also etwa Chips, Butter, Fleisch oder Tiefkühlpizzen. Ein Kilogramm gesättigte Fettsäuren lässt der Staat sich mit 16 Kronen, umgerechnet 2,15 Euro, zusätzlich vergüten, eine fette Beute. Für die Dänen heißt das konkret, dass ein halbes Pfund Butter nun rund 30 Cent mehr kostet als vorher.

Die einen sehen darin eine faire Lastenverteilung, da Fettsucht, Diabetes und ihre Folgeerkrankungen das Gesundheitssystem viel Geld kosten. Nach dem Motto: Gott bestraft die Sündigen, der Staat die Ungesunden. Die anderen wähnen die dräuenden Anfänge einer Gesundheitsdiktatur zu erkennen, die nach dem Rauchen jetzt Fett, Alkohol und die letzten Freuden des Menschen verbieten will. (Ich kann Sie beruhigen: Sex ist durchaus gesund und muss wohl auch in Zukunft nicht der Volksgesundheit geopfert werden.)

Der Plan ist klar: Das Ernährungsverhalten der Bevölkerung mit Steuern zu steuern. Oder genauer: Der Umfang der Staatseinnahmen soll zunehmen, der des durchschnittlichen Bürgers abnehmen. Aber einiges deutet darauf hin, dass das nicht so leicht wird.

Zum einen ist unklar, ob Konsumenten auf eine Preissteigerung wirklich mit einer Verhaltensänderung reagieren. Britische Forscher haben das dieses Jahr einmal durchgerechnet. Ihr Ergebnis: Eine Preissenkung bei Obst und Gemüse könnte deren Verzehr ankurbeln. Eine Preissteigerung bei fettem Essen würde dagegen wenig ändern, besonders wenig bei denen, die am meisten Fett verzehren.

Doch selbst wenn Menschen wegen einer Fettsteuer weniger Nahrungsmittel mit gesättigten Fettsäuren kaufen, sind die Folgen schwer vorherzusagen. Denn der Konsum verschiedener Lebensmittel ist eng miteinander verknüpft. Eine Studie im „Journal of Epidemiological Community Health“ kam 2007 zu dem Schluss, dass dann auch weniger ungesättigte Fette aufgenommen werden – und die können durchaus wichtig für die Gesundheit sein. (Darum empfehlen Ernährungsberater gerne Fisch, Oliven- oder Rapsöl und Nüsse.) Außerdem könnten Menschen mehr Salz zu sich nehmen, was unterm Strich sogar die Sterblichkeit erhöhen würde.

Letztlich kann nur ein Experiment die Frage klären. Darum bin ich dankbar, dass in Dänemark nun so ein Experiment stattfindet. Das gibt mir die Chance, gespannt auf das Land zu blicken – und dabei meine triefende Salamipizza zu genießen.

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