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Anflug auf den Kometen. So stellt sich ein Künstler die Annäherung vor. Die Größenverhältnisse sind allerdings absichtlich verändert worden. Tatsächlich ist Rosetta gut 30 Meter breit, der Komet hingegen zwischen drei und fünf Kilometern groß.

© Abb.: ESA–C. Carreau/ATG medialab

Kometensonde im Anflug: „Rosetta“, wach auf!

Langer Weg zu „Tschurjumow-Gerasimenko“: Die europäische Sonde soll erstmals einen Kometen besuchen und dort die Frühphase des Sonnensystems erforschen. Zunächst muss sie jedoch aus ihrem tiefen Weltraumschlaf geholt werden.

Von Rainer Kayser, dpa

Zehn Jahre lang hat „Rosetta“ wie eine kosmische Billardkugel das Sonnensystem durchquert. Die letzten 31 Monate davon verbrachte die Raumsonde im tiefen Weltraumschlaf. „Deep Space Hibernation“ nennen Fachleute diese Phase. Fast alle Geräte an Bord sind abgeschaltet, um Strom zu sparen und die Lebensdauer des Raumfahrzeugs zu verlängern. Lediglich der Hauptcomputer und einige Heizungen bleiben in Betrieb. Ohne jede Kontrolle von außen, ohne Funkkontakt mit der Erde hat Rosetta in dieser Zeit ihre Bahn durchs All gezogen.

Der lange Weg der Sonde "Rosetta".
Der lange Weg der Sonde "Rosetta".

© AFP/Esa/DLR/Tagesspiegel

Nun soll der Weltraumschlaf enden. Ein automatisches Signal weckt Rosetta am 20. Januar auf, Detektoren und Messgeräte gehen wieder in Betrieb. Denn die Raumsonde nähert sich ihrem Ziel, dem Kometen „Tschurjumow-Gerasimenko“. Im Mai soll Rosetta – ein Novum in der Raumfahrtgeschichte – in eine stabile Umlaufbahn um den Kern des Schweifsterns einschwenken. Damit nicht genug: Im November soll Rosetta als erste Kometensonde das kleine Landegerät namens Philae darauf absetzen. „Da wir keine Probe des Kometenkerns zur Erde bringen können, bringen wir das Labor zum Kometen“, sagt Gerhard Schwehm von der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, die die knapp eine Milliarde Euro teure Mission bezahlt.

Sehen Sie hier einen Überblick der bisherigen Mission, bereitgestellt von der Europäischen Raumfahrtagentur

Kometen sind Überbleibsel aus der Frühzeit des Sonnensystems vor viereinhalb Milliarden Jahren. Sie sind keine festen, felsigen Körper, sondern ein Gemisch aus Gesteinsbrocken und Staub, eingebettet in gefrorene, flüchtige Substanzen wie Wasser, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Methan. Der eigentliche Himmelskörper, der als Kometenkern bezeichnet wird, ist nur wenige Kilometer groß. Bei der Annäherung an die Sonne verdampfen die flüchtigen Bestandteile und führen zur Entstehung des charakteristischen Schweifs.

Dichter Vorbeiflug an Planeten spart Treibstoff

Die meisten Kometen kreisen weit außerhalb der Planetenbahnen in der „Oortschen Wolke“ um die Sonne. Nur gelegentlich gelangt einer von ihnen in das innere Sonnensystem und sorgt dort als Schweifstern für ein Himmelsspektakel. Tschurjumow-Gerasimenko ist dagegen ein „alter“ Komet, der seit langem seine Bahn zwischen Jupiter und der Erde zieht. Das machte ihn zu einem geeigneten Ziel für die Forscher. Sie konnten seine Bahn langfristig vorhersagen und so Rosetta auf einen geeigneten Kurs für das Rendezvous mit dem kleinen Himmelskörper bringen.

Die bisherige Reise der Sonde glich in der Tat einem kosmischen Billardspiel. Am 2. März 2004 mit einer Ariane-Rakete gestartet, flog Rosetta zunächst – zur Erde. Am 4. März 2005 passierte sie in einer Höhe von 1900 Kilometern die Erdoberfläche. Im Schwerefeld ihres Heimatplaneten holte sie treibstoffsparend Schwung für ihren weiteren Flug. Drei weitere solcher „Fly-by“-Manöver vollführte Rosetta, zweimal an der Erde vorbei und einmal am Mars.

Gleich zweimal durchquerte die Sonde den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Dabei flog sie in nur 800 Kilometer Entfernung an dem fünf Kilometer großen Asteroiden „Šteins“ vorüber sowie an „Lutetia“, der mit einer Größe von 100 Kilometern zu den größeren Brocken im Asteroidengürtel zählt. Die Bilder zeigen die beiden Asteroiden von zahlreichen Kratern übersät, sie sind also vermutlich sehr alte Himmelskörper. Der größte Krater auf Šteins misst mehr als zwei Kilometer, was ziemlich gewaltig ist angesichts der geringen Größe des Asteroiden. Die Forscher vermuten, dass dieser Einschlag Šteins zerstört hat, der Asteroid deshalb kein fester Körper, sondern ein lockerer Haufen von Gesteinstrümmern ist.

Funksignale benötigen fast eine halbe Stunde von der Erde zur Sonde

Nun steht Rosetta die siebte und entscheidende Begegnung bevor. In jeder Sekunde nähert sich die Sonde dem Kometen um 800 Meter. Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop „Hubble“ zeigen, dass der Kometenkern von Tschurjumow-Gerasimenko unregelmäßig geformt und drei bis fünf Kilometer groß ist. Im Gegensatz zu Planeten besitzt so ein kleiner Körper nur eine geringe Anziehungskraft. Bereits kleine Störungen etwa durch die Sonnenstrahlung oder durch Gasausbrüche auf dem Kometen können die Umlaufbahn der Sonde beeinflussen.

Eine Korrektur der Bahn von der Erde aus ist aufgrund der großen Entfernung nicht möglich. Die Funksignale benötigen fast eine halbe Stunde von der Sonde zur Bodenstation und noch einmal ebenso lange für den Weg zurück. Stattdessen muss sich Rosetta an den Sternen orientieren und selbstständig Bahnmanöver vollführen.

Landeroboter mit Harpune

Die geringe Schwerkraft des Kometenkerns erschwert auch die Landung von Philae. Damit der Lander nicht wieder ins All zurückprallt, verankert er sich mit einer Art Harpune im Boden. Mit einem zwei Meter langen Greifarm kann er dann aus der Kruste des Kometen Proben entnehmen und in seinem bordeigenen Labor analysieren.

Für die Forscher sind die geschweiften Himmelswanderer ein Fenster in die Vergangenheit. In ihrem Inneren enthalten sie unverfälschte Materie aus der Entstehungszeit unseres Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren. Die Forscher hoffen, mithilfe von Philae neue Erkenntnisse über die Frühzeit des Sonnensystems zu erhalten, über die Herkunft des Wassers auf der Erde und vielleicht sogar über den Ursprung des Lebens.

Vorausgesetzt, die schlummernde Sonde hört das Wecksignal.

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