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Gute Schule. Vielfalt, auch bei den Schulbüchern, schadet nicht, sagt Thies.

© Rückeis

Kultusministerkonferenz: „Kein Interesse an Schlagkraft“

Erich Thies, Generalsekretär a.D. der Kultusministerkonferenz, über das unpopuläre Gremium.

Herr Thies, „das billige Vergnügen, Witze über die KMK zu machen, gehört zu den wohl beliebtesten Formen intellektueller Selbstbefriedigung in Deutschland“, hat der einstige Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Hans Joachim Meyer, einmal bitter gesagt. Warum wird die KMK so oft öffentlich verspottet?

Meistens hat es die KMK mit komplizierten Themen zu tun, für die es eben keine einfachen Lösungen gibt. Das ist aber nur schwer zu vermitteln.

Was war während Ihrer 13-jährigen Amtszeit in der KMK der dunkelste Moment?

Die Diskussion um die Sommerferienregelung im Jahr 1999. Es ging um die Frage, wie man die Sommerferien der Länder so organisiert, dass weder alle zugleich Ferien machen noch sich die Sommerferien in Deutschland vom Mai bis in den Oktober ausdehnen. Ein glänzendes Beispiel für ein Problem, das nicht zur Zufriedenheit aller gelöst werden kann. Noch schlimmer war die emotionale Debatte um die Rechtschreibreform, die von einer Initiative der Ministerpräsidenten ausging. Im Nachhinein hat sich dann gezeigt, dass die Hysterie überflüssig war. Ich selbst schreibe „dass“ übrigens immer noch mit „ß“.

Als Ministerpräsident löste Christian Wulff 2004 eine Krise aus. Er drohte, Niedersachsen werde aus der KMK austreten. Schließlich musste das Generalsekretariat auf seinen Druck hin 30 von 190 Stellen abbauen. Womit sind die verbleibenden vielen Menschen im Sekretariat eigentlich den ganzen Tag lang beschäftigt?

Mit der politischen Koordination der KMK sind nur relativ wenige befasst; das wird gerne übersehen. Ein großer Teil kümmert sich um den Pädagogischen Austauschdienst, der den Austausch von Lehrern und Schülern mit dem Ausland organisiert. Ein anderer großer Teil arbeitet in der Zentralstelle für die Anerkennung ausländischer Bildungsnachweise. Beides sind zentralisierte Dienstleistungen für die Länder.

Erich Thies, geb. 1943, ist Professor emeritus für Erziehungswissenschaft an der HU. Von 1998 bis September 2011 war er Generalsekretär der Kultusministerkonferenz.
Erich Thies, geb. 1943, ist Professor emeritus für Erziehungswissenschaft an der HU. Von 1998 bis September 2011 war er Generalsekretär der Kultusministerkonferenz.

© promo

Eltern sagen, die Vielfalt im Schulwesen erschwere Umzüge in ein anderes Land. Haben Sie selbst noch den Überblick über die vielen Schultypen, Sprachenfolgen und Abituranforderungen?

Ich selbst habe den Überblick nicht, aber natürlich hat ihn das Sekretariat als Behörde. Allerdings steckt hinter dieser Kritik der Eltern auch oft nur die Frustration über Dinge, die in der Schule für die Kinder gerade schiefzulaufen scheinen. Tatsächlich ist der Wechsel zwischen zwei Schulen in derselben Stadt für die Kinder womöglich auch nicht leichter als der Wechsel von Land zu Land. Die Idee, dass darum jede Schule in Deutschland das gleiche Schulbuch benutzen soll, halte ich trotzdem für falsch. Ich finde es gut, wenn die Lehrer die besten Schulbücher aussuchen können.

Jedes Land will das Rad offenbar allein erfinden. Am Ende gibt es 18 unterschiedliche Sprachtests für Vorschüler. Verhindert diese Kleinteiligkeit nicht die Durchschlagskraft der Reformen?

Wenn die Tests gut wären, wäre es gleich, wie viele wir haben. Leider gibt es aber kaum belastbare Erkenntnisse über deren Wirksamkeit. Kein Land will hinter der KMK verschwinden. Jedes will mit seinem Eigengewicht vor seinen Wählern erscheinen. Darum ist eine schlagkräftige KMK gar nicht im Interesse der Länder. Und es ist ja auch nicht einzusehen, warum für Bremen immer gut sein soll, was für Bayern gut ist.

Dann soll auch der Bund nicht über die Bildung entscheiden?

Es muss möglich sein, ohne Umwege gemeinsam Schulen und Hochschulen zu finanzieren. Darum hoffe ich, dass das Kooperationsverbot fällt. Leider haben sich die Ministerpräsidenten ja vom Bildungsgipfel zurückgezogen. Das war eine einmalige Chance, gemeinsame Verantwortung für eine zentrale Zukunftsfrage unserer Gesellschaft zu beweisen! Würde die Bundesregierung den Ländern einfach einen Blankoscheck geben, wie sie es fordern, könnte es laufen wie oft: Da verspricht der Bau einer Autobahn kurzfristig mehr Arbeitsplätze als Investitionen in Bildung.

Die Länder werben einander aggressiv Lehrer ab, die finanzschwachen Länder leiden am meisten darunter. Muss die KMK solchen Kannibalismus nicht verhindern?

Nein, ein so wichtiger Beruf muss auch attraktiv bezahlt werden. Die Länder müssen diese Konkurrenz aushalten.

Was die KMK in Zukunft leisten muss - lesen Sie mehr auf Seite 2.

Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner hat gesagt, er schäme sich für die Tatenlosigkeit der KMK in der Lehrerbildung.

Der Zustand der Lehrerbildung ist wirklich unverantwortlich. Dabei denke ich nicht an mögliche Mobilitätshindernisse für Studierende. Das eigentlich Schlimme ist doch, dass man die Lehramtsstudierenden den fachwissenschaftlichen Interessen von Professoren ausgeliefert hat. Und ihnen Integrationsleistungen abverlangt, die die Professoren selber nicht zu erbringen imstande sind. Die Universitäten scheren sich in der Regel nicht darum, welche Mathematik ein angehender Lehrer braucht. Dabei verdanken sehr viele Professoren ihre Stellen der Tatsache, dass so viele Studierende für das Lehramt studieren. Doch für die Universitäten wie für die Politik ist der Exzellenzwettbewerb eben wichtiger. Die Standards, die die KMK für die Lehrerbildung beschlossen hat, sind darum letztlich wirkungslos.

Was ist zu tun?

Die Politik hätte die Universitäten längst zwingen müssen, sich viel mehr um die Belange der Lehramtsstudierenden zu kümmern. Wie das geht, macht die TU München vor. Die Studierenden und Professoren sind dort einer „School of Education“ zugeordnet. Die kümmert sich nicht nur um die organisatorischen Dinge wie die Lehrerbildungszentren der Universitäten. Sie hat ihr gesamtes Angebot inhaltlich auf die fachlichen Bedürfnisse der künftigenLehrer zugeschnitten.

Auch in die unübersichtliche Hochschulzulassung hat sich die KMK nicht eingemischt. Immer wieder bleiben Studienplätze leer oder können erst während des laufenden Semesters besetzt werden, obwohl großer Andrang herrscht.

Das ist kein Versäumnis der KMK. Es gibt Schwierigkeiten mit der Software, die die Bewerbungen zentral über die Stiftung für Hochschulzulassung abwickeln soll. Darüber, wann das funktioniert, wage ich keine Prognose.

Wäre es nicht einfacher, wenn die Hochschulen auf allgemeine Zulassungskriterien verpflichtet würden?

Davon halte ich nichts. Die Hochschulen sollen ihre eigenen Kriterien anwenden, so wie wir es beschlossen haben.

Was kommt als Nächstes auf Ihren Nachfolger Udo Michallik zu?

Er muss daran arbeiten, dass die KMK die nach Pisa von ihr beschlossenen sieben Handlungsfelder weiter konsequent verfolgt. In der Lehrerbildung muss Druck aufgebaut werden. Genauso bei der Frage der Zulassung zum Studium.

Erich Thies, geb. 1943, ist Professor emeritus für Erziehungswissenschaft an der HU. Von 1998 bis September 2011 war er Generalsekretär der Kultusministerkonferenz.

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