zum Hauptinhalt
Eisberg

© Ullstein

Lebensraum: Eisberge düngen das Meer

Die Nährstoffe sind im Staub enthalten, der sich über Jahrtausende im Eis angesammelt hat.

Eisberge sind im südlichen Ozean rund um die Antarktis ein bevorzugtes Ziel von Seevögeln. Sie finden dort ein Vorratslager gefüllt mit Leckereien, von denen sich auch Mikroorganismen und Fische ernähren. Dies berichten Autoren um Kenneth Smith vom kalifornischen Monterey Bay Aquarium Forschungszentrum online im Journal „Science“.

Die Eisberge liefern lebensnotwendige Spurenelemente wie Eisen, Mangan, Kupfer oder Zink. Genau diese Elemente sind in den Ozeanen und vor allem im Wasser um die Antarktis absolute Mangelware. Das bestätigen auch Rainer Gersonde und Victor Smetacek vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven.

„Normale Nährstoffe wie Nitrat, Phosphat und Silikat gibt es im Südozean reichlich“, sagt Gersonde. „Düngt man das Wasser mit Eisen, wächst dort plötzlich viel mehr Plankton.“ Offensichtlich haben diese Spurenelemente also den winzigen, von Forschern „Plankton“ genannten Meeresorganismen gefehlt, von denen sich Fische, Seevögel und Wale ernähren.

Wie kommen Eisen und andere Spurenelemente eigentlich ins Meer? Das Team um Kenneth Smith nahm Eisberge ins Visier, von denen sie zwei Exemplare in der Weddell-See in der Nähe der Antarktischen Halbinsel genauer untersuchten. Einer dieser Eisriesen war über dem Wasser 2000 Meter lang und 500 Meter breit, der andere war mit 21 Kilometern Länge und fünf Kilometern Breite erheblich größer.

Als die Forscher mit verschiedenen Geräten in einem ferngesteuerten U-Boot das Meer untersuchten, entdeckten sie in unmittelbarer Nähe des Eises sehr viele Mikroorganismen. Entfernte sich das U-Boot vom Eisberg, meldeten die Geräte immer weniger Plankton, bis die Konzentration rund 3700 Meter vom Eis entfernt auf im Südozean übliche Werte abgesunken war. In diesem Umkreis um den Eisberg fanden sich auch überdurchschnittlich viele der Krill genannten Kleinkrebse, die sich vom Plankton ernähren. Krill ist Grundnahrungsmittel vieler Fische, Wale, Robben und Pinguine im Südozean.

Schließlich kamen die Forscher der Quelle des um die Eisberge wimmelnden Lebens auf die Spur. Sie stellten fest, dass das Wasser umso mehr des natürlichen radioaktiven Isotops Radium-224 enthielt, je näher man sich am Eis befand. Radium-224 entsteht beim Zerfall des kurzlebigen Thorium-228 – ein Element, das kaum im Meer, wohl aber an Land vorkommt. Offensichtlich schleppen Eisberge also Material vom Land ins Meer. Da das Material auch viele lebensnotwendige Spurenelemente wie Eisen und Mangan enthält, die im Meer Mangelware sind, blüht in der Umgebung des Eisbergs das Leben regelrecht auf.

Die in der Weddell-See schwimmenden Eisberge kommen meist von den Gletschern der Antarktischen Halbinsel. Fließt dort das Eis zum Meer, reißt es beim Schrammen über den Fels des Festlandes immer wieder Material vom Untergrund ab und trägt es mit sich. Tatsächlich fand sich im kleineren der beiden Eisberge auch Staub vulkanischen Gesteins, das von der Antarktischen Halbinsel stammen dürfte. Als die Forscher den Staub in Wasser gaben, das sie weit von Eisbergen entfernt aus dem Südozean geholt hatten, wuchs Plankton dort hervorragend. Ohne den Gesteinsstaub vermehrte sich Plankton im Wasser des Südozeans dagegen nicht.

Da in der Weddellsee sehr viele Eisberge schwimmen, schätzen die Forscher, dass etwa 39 Prozent der Region von Eisbergen mit Spurenelementen gedüngt werden. Eisberge spielen auch in anderen Bereichen des Südozeans eine wichtige Rolle als Nährstofflieferanten. Das konnten die AWI-Forscher Gersonde und Smetacek für den südlichsten Teil des Atlantiks zeigen. Dort fanden sie in den Sedimenten im Meeresgrund jede Menge Staub, der nur von Eisbergen dorthin getragen worden sein kann.

Doch der eisenhaltige Gesteinsstaub in den Eisbergen stammt keineswegs nur aus Gletscherabrieb. Oft blasen auch kräftige Winde aus den Wüsten Patagoniens und Australiens Staub bis zur Antarktis, wo er sich über Jahrtausende anreichert. Bricht dann ein Eisberg vom Rand der Antarktis ab, trägt er den lange gesammelten Staub weit auf den Südozean hinaus und liefert den Organismen so die lebenswichtigen Spurenelemente.

Wie wichtig dieser Staub für das Leben im Meer ist, haben die AWI-Forscher erfahren, als sie Meeressedimente aus der Eiszeit untersuchten. In der Eiszeit verdunstete relativ wenig Wasser aus den Meeren. Auf dem Festland waren daher die Niederschläge knapp, und die Winde konnten viel mehr Staub als heute auf das Meer blasen. Damals lebten in den Ozeanen dann auch deutlich mehr Organismen als heute, weil diese mehr Spurenelemente im Wasser fanden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false