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Ein Lehrer sitzt vor einer beschriebenen Tafel und spricht zu seinen Schülern.

© dpa

Lehrerbildung in Berlin: Angehende Lehrkräfte wollen Qualität

Berlin plant mehr Praxis im Lehramtsstudium. Doch die wird nur helfen, wenn die Betreuung gut ist, sagen Experten aus Schulen und Unis.

Mehr Praxis im Studium, lautet ein seit Jahrzehnten von Lehramtsstudierenden geäußerter Wunsch. Wird er endlich wahr, wenn Berlin im Lehrerstudium ein Praxissemester einführt? Das hängt davon ab!, war die einhellige Meinung der Experten aus Schule und Universität, die am Montagabend in der Friedrich-Ebert-Stiftung über die Pläne für die Berliner Lehrerbildung diskutierten: „Alles steht und fällt mit den Mentoren in der Schule“, sagte Madeleine Müller, seit einem Jahr Referendarin und Personalrätin der Lehreranwärter. Haben die Lehrer keine Zeit, die Studierenden im Praxissemester intensiv zu betreuen, wird den Studierenden die lange Praxisphase im Studium auch nicht viel weiterhelfen.

Den Studierenden darf es im Praxissemester nicht so ergehen wie zur Zeit vielfach den Referendaren, sagte auch Gunilla Neukirchen, Schulleiterin der Beethoven-Oberschule: „Wir setzen sie nach ihren Fächern ein, ohne Rücksicht auf ihre Wünsche und ihre Persönlichkeit.“ Wenn 50 Lehrer eines Kollegiums 20 „Azubis“ betreuen sollten, könne das nur unter einer Bedingung funktionieren: „Mit mehr Zeit“, sagte Neukirchen unter dem Applaus der rund 200 Zuhörer. Wichtig sei auch, das Praxissemester und das Referendariat nicht wie bislang von der Uni her zu denken. Die Praxis sei schließlich zu 90 Prozent eine Sache der Schulen.

Stefan Kipf, Direktor der Professional School of Education der Humboldt-Universität und früher selbst Lehrer, verwahrte sich gegen den Eindruck, die Unis würden die Lehramtsstudierenden praxisfern ausbilden: „Die Referendare wissen, wie man Unterricht plant.“ Allerdings müssten Praktika so eng mit der Schule abgestimmt werden, „dass alle was davon haben“, etwa, indem die Praktikanten Themen bearbeiten, die aus Sicht der Lehrer für ihre Schule relevant sind.

Scheeres will Referendariat auch in Teilzeit anbieten

Studieren die „Richtigen“ aufs Lehramt? Berlins Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) verwies auf die Meinung von Experten, wonach ein frühes Auswahlverfahren wenig sinnvoll sei: Persönliche Entwicklungen seien schlecht vorherzusagen. Umso wichtiger sei Durchlässigkeit. Der Ausstieg aus dem Lehrerstudium müsse genauso gut möglich sein wie der Einstieg etwa eines Informatik-Absolventen von der Fachhochschule oder eines Quereinsteigers mit Berufserfahrung. Scheeres kündigte an, das Referendariat auch in Teilzeit anbieten zu wollen, um den Beruf noch attraktiver zu machen. Das mit der Reform für alle Lehrämter auf 18 Monate verkürzte Referendariat würde in Teilzeit auf 24 Monate gestreckt.

Mehr Wertschätzung für Lehrkräfte an den ISS

Zur Rekrutierung des Nachwuchses für den Lehrerberuf gehört die Erkenntnis, dass „wir auch Schüler haben, die kein Abi anstreben“, wie Helmut Hochschild sagte, ein erfahrener Hauptschullehrer und nun Leiter des 5. Schulpraktischen Seminars in Berlin-Reinickendorf. Doch es gebe nicht einmal für alle Fächer Ausbilder an den Schulen, die selbst an Haupt- oder Realschulen unterrichtet haben. Ein Ausbilder habe einem Referendar an einer der neuen Berliner Integrierten Sekundarschulen (ISS) sogar empfohlen, die Unterrichtsversuche lieber am Gymnasium zu machen – so schockiert sei der Seminarleiter vom Alltag an der ISS gewesen. „Das Gymnasium gilt als leichter“, bestätigte Neukirchen. Die Lehrer an der ISS müssten mehr Wertschätzung erfahren. Mit der Studienreform will die SPD dies erreichen, indem die Ausbildung aller Lehrämter in Zukunft so lang sein soll wie die der Gymnasiallehrer. Die Ausbildung zum nur wenig nachgefragten Lehrer mit zwei Fächern soll zugunsten eines einheitlichen Lehramts für Oberschulen abgeschafft werden. Die Profilierung zum Lehrer mit besonderer Affinität für die ISS soll im Praxissemester erfolgen. Ob die CDU, die einen „Einheitslehrer“ und die Aushöhlung des Gymnasiums befürchtet, den Kompromiss noch mitträgt, ist wieder unklar (siehe Tagesspiegel vom 16. September). Unklar ist auch, wann die Grundschullehrer, die fortan genauso lang studieren wie Studienräte, auch das gleiche Gehalt bekommen. Scheeres sagte, dies müsse mittelfristig bundesweit geregelt werden.

Alle Studierenden sollen auf Inklusion vorbereitet werden

Berlin will, dass fortan alle angehenden Lehrer auf die Inklusion von Schülern mit speziellem Förderbedarf in die Regelschule vorbereitet werden. Hier warnte Kipf vor zu hohen Erwartungen: „Wir können die Studierenden über das Thema informieren. Eine Professionalisierung für alle ist aber nicht zu schaffen.“ Hochschild sagte, die Sonderpädagogen mit ihrer Expertise dürften nicht „unter dem Deckmantel der Inklusion“ zum Auslaufmodell werden: „Dann bekommen Schüler die Förderung, die sie brauchen, nicht mehr.“

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