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Im Tiefschlaf. Ein narkotisierter Löwe während der Aufnahme mit dem Computertomograph. Fotos: Guido Fritsch/IZW

© dpa

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung: Tierischer Durchblick mit einem CT-Gerät

Ein Computertomograph soll am Leibniz-Institut für Zoo und Wildtierforschung kranken Säugern helfen – und Dinoknochen analysieren.

Verständigen sich Flusspferde unter Wasser in anderen Tonlagen als an Land? Welche Schäden hat eine Bleivergiftung im Gehirn eines Seeadlers angerichtet? Welche Dinosaurierknochen stecken eigentlich in den Lehmbrocken, die seit einer Tansania-Expedition vor hundert Jahren im Keller des Berliner Museums für Naturkunde stehen? Um solche Fragen zu beantworten, können die Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin ab sofort auf Hochleistungstechnik setzen, die man bisher eher aus der Humanmedizin kannte. Mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II wurde ein Computertomograph (CT) der Spitzenklasse im Wert von einer Million Euro angeschafft.

Das tote Elefanten-Mädchen Jamuna Toni stellte das neue Gerät dann noch vor der offiziellen Eröffnung des „Forschungszentrums Computertomografie“ am gestrigen Dienstag auf eine erste Bewährungsprobe. Der Gesundheitszustand des sechs Monate alten Dickhäuter-Babys im Münchner Tierpark Hellabrunn hatte sich so dramatisch verschlechtert, dass es am 14. Juni eingeschläfert werden musste. Bereits wenige Stunden später schoben die Experten in Berlin den 170 Kilogramm schweren Körper in die Röhre des Gerätes. „Das Gewicht ist kein Problem, der Gerätetisch ist bis 300 Kilogramm ausgelegt“, sagt der IZW-Forscher Thomas Hildebrandt.

128 Bilder von verschiedenen Körperschichten macht die Maschine, während die Röntgenquelle und deren Empfänger einmal um den Körper wandern. In einer halben Minute entstehen so mehr als 4000 Röntgenschnittbilder des Körpers. Computer fügen diese zweidimensionalen Bilder zu einer räumlichen Darstellung zusammen. Der riesige Rechenaufwand lohnt sich: Die Forscher sehen sogar Strukturen, die gerade einmal einen halben Millimeter groß sind. Bei Jamuna Toni deckte das Gerät zahlreiche Knochenbrüche im gesamten Körper auf, die vermutlich eine bisher unbekannte Stoffwechselerkrankung verursacht hatte. Die nachträgliche Diagnose zeigte: Das Elefantenbaby war unheilbar krank gewesen und zu Recht von seinem Leiden erlöst worden. In erster Linie wollen die IZW-Wissenschaftler das Gerät jedoch für die Diagnose erkrankter, aber lebender Tiere benutzen.

Thomas Hildebrandt will mit dem Hochleistungsgerät auch Erkrankungen vorbeugen. Etwa im Fall von Giraffen, die in Gefangenschaft häufig Entzündungen an den Klauen entwickeln, manchmal beginnen sich sogar ihre Fußknochen aufzulösen. Liegt es – wie bei anderen Zootieren beobachtet – daran, dass ihre Zehennägel aufgrund mangelnden Abriebs zu lang werden? Jetzt warten 80 eingefrorene Füße verendeter Giraffen auf eine CT-Diagnose, die Verkalkungen und den Phosphatgehalt der Knochen zeigen kann. Vergleichen die Forscher dann die Füße von Zootieren mit denen von Giraffen, die in der Savanne verendet sind, können sie herausbekommen, ob es tatsächlich an den langen Nägeln liegt, ob die Probleme erblich sind oder ob die Ernährung die Ursache ist.

„Vielleicht können wir auch die Frage klären, wie Flusspferde unter Wasser kommunizieren“, hofft Hildebrandt. Weil besonders tiefe Töne im Wasser viel weiter tragen, verständigen sich Meeressäuger im Ultrabass. Damit diese Töne gut gehört werden, bilden sich im Innenohr ausgeprägte Kalkstrukturen. Weil die Forscher im Schädel toter Flusspferde die filigranen Strukturen nur schwer untersuchen können, wollen sie nun mit Hilfe des CTs nachschauen, ob es auch im Flusspferd-Innenohr solche Kalkablagerungen gibt, die auf gutes Hörvermögen im Infraschall hinweisen.

Ganz andere Erkenntnisse erhofft sich dagegen Daniela Schwarz-Wings, die im Museum für Naturkunde in Berlin für fossile Reptilien und damit auch für Dinosaurier zuständig ist. 1909 bis 1913 unternahmen ihre Vorgänger eine der bisher erfolgreichsten paläontologischen Expeditionen der Forschungsgeschichte im damaligen Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania. Von dieser Reise brachten sie nicht nur ein mehr als 20 Meter langes und 13 Meter hohes Skelett eines Brachiosaurus mit, das heute als weltweit größtes aufgebautes Skelett eines Riesenreptils im Museum zu bewundern ist

Im Keller des Gebäudes lagern auch noch 37 Bambustrommeln. Sauber in Savannengras eingepackt hatten die Wissenschaftler damals kleinere Knochen aus der Tendaguru-Dino-Fundstelle in diese rund ein Meter großen Trommeln gesteckt. Damit die wertvollen Fossilien besser erhalten bleiben, hatten sie die Knochen vorher in eine Lehmschicht eingelegt.

Bis heute wurden die Funde nicht wissenschaftlich ausgewertet. Weil es einige Monate dauern kann, bis ein solcher Knochen aus dem Lehm sauber präpariert ist, hat sich bisher niemand an diese Arbeit gewagt. „Mit der Computertomografie können wir die Lehmklumpen durchleuchten und vermutlich bestimmen, von welcher Art die Knochen im Inneren stammen“, nennt Schwarz-Wings ein weiteres Anwendungsgebiet des neuen Gerätes. Die wertvollsten Fossilien in den Bambustrommeln können so bevorzugt präpariert werden, während weniger interessant scheinende Knochen vielleicht für spätere Forschergenerationen aufbewahrt werden.

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