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Grimmelshausenkalender

© - Foto: Promo

Literaturgeschichte: Bestseller des Barock

Abenteuer des Simplicissimus für jeden Tag: Ein Jenaer Forscher hat unbekannte Grimmelshausen-Kalender entdeckt.

Grimmelshausen, Autor des „Abentheuerlichen Simplicissimus Teutsch“ und damit eines der bedeutendsten literarischen Werke des 17. Jahrhunderts, hat auch einfache Kalendergeschichten geschrieben. Das schließt der Jenaer Wissenschaftshistoriker Klaus-Dieter Herbst aus Archivfunden in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin und im Stadtarchiv Altenburg, die er jetzt an der Universität Jena präsentierte. In Berlin entdeckte Herbst den bisher unbekannten Simplicianischen Schreibkalender für 1675 – eine Leihgabe der Sammlungen des Gymnasiums zum Grauen Kloster (Streitsche Stiftung). In Altenburg fand er den verschollen geglaubten ersten vollständigen Jahrgang des „Europäischen Wundergeschichten Calenders“ von 1670. Erzählerische Rückgriffe auf den Simplicissimus Teutsch ließen kaum einen Zweifel, dass nur Grimmelshausen der Verfasser der beiden Kalender sein könne, sagt Herbst.

Die Texte passten zudem ins biografische Bild Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausens, betont Klaus Matthäus, Grimmelshausen-Forscher und Verleger einer jetzt erschienenen Faksimile-Ausgabe der Kalender (Verlag Palm und Enke, Erlangen 2009). So erklärt der Sohn des Simplicissimus in einer Episode, sein Vater sei durchaus noch am Leben, es erschienen ja jedes Jahr von ihm noch Kalendergeschichten.

Schon seinem Romanhelden gab der Barockschriftsteller autobiografische Züge, offensichtlich tat er es auch in seinen späteren simplicianischen Anekdoten. Damit stehe fest, „dass es nicht unter seiner Würde war, im Geschäft der Jahreskalender tätig zu sein“, sagt Matthäus. Diese in der Grimmelshausen-Forschung umstrittene Frage sei nun mit den sensationellen Funden Klaus-Dieter Herbsts geklärt. Zudem sei der Kalender von 1675 der bislang späteste Beleg von Grimmelshausens schriftstellerischer Tätigkeit: Der Autor starb 1676 im badischen Renchen, vermutlich im Alter von 54 Jahren.

Seine Entdeckungen machte Herbst im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts, in dem die Schreibkalender des 17. Jahrhunderts systematisch erfasst wurden. Bekannt ist Grimmelshausen seit langem als Autor des „Ewig-währenden Calenders“ von 1670, einem Handbuch zur Kalenderberechnung. Angereichert mit zahlreichen Texten, darunter ebenfalls Anekdoten aus dem Leben des Simplicissimus, Bauernregeln und Schwänken, war es zugleich ein Hausbuch von dauerndem Wert.

Jahreskalender dagegen waren im ausgehenden 17. Jahrhundert ein Massenmedium. Im Alltag vieler Familien spielten sie eine große Rolle – als kurzweilige Lektüre und Notizbuch waren sie neben Bibel und Gebetsbuch in fast jedem Haushalt vorhanden. In der Zuschrift eines der Kalender heißt es denn auch ironisch, er richte sich an die „in der weiten und breiten Welt / Insonderheit in Europa sich allenthalben befindenden und Continuirlich aufhaltenden Simplicissimis oder Allereinfältigsten / Sowohl Manns- als Weibspersonen“. Amory Burchard

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