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Charité-Forscher entwickelten ein neues Verfahren zur Gensequenzierung.

© pa/dpa

Mabry-Syndrom: Seltene Krankheit aufgeklärt

Das Mabry-Syndrom ist eine seltene, aber schwere Krankheit, die zu geistiger Behinderung und Krampfanfällen führt. Genetiker der Charité und des Max-Planck-Instituts für Molekulare Genetik haben jetzt den Gendefekt entdeckt, der das erbliche Leiden verursacht.

Eine Untersuchung des Genoms von drei betroffenen Geschwistern habe das Gen PIGV als Verursacher ausgemacht, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature Genetics“.

Der Fund dürfte zunächst für jene wenigen Familien Bedeutung haben, in denen das Leiden schon einmal vorgekommen ist. „Vor allem können wir die Technologie aber nutzen, um den genetischen Ursachen vieler anderer Erkrankungen auf die Spur zu kommen“, sagt Stefan Mundlos, Direktor des Instituts für Medizinische Genetik der Charité. „Mit neuen Anreicherungsverfahren fischen wir dabei die Sequenzen aus dem gesamten Genom heraus, die unsere 24 000 Gene kodieren, dann können wir sie in einem Schwung sequenzieren und auf Veränderungen hin überprüfen.“ Aus der großen Anzahl von „Kandidaten“, die dabei auffielen, wurden mittels ausgeklügelter bioinformatischer Analysen diejenigen ausgewählt, die in die engere Wahl kamen, und am Ende entpuppte sich PIGV als Auslöser des Mabry-Syndroms.

Ist dieses Gen verändert, reichert sich ein Eiweiß namens Alkalische Phosphatase im Blut an, das für den Knochenstoffwechsel bedeutsam ist. Offensichtlich führt die Genmutation dazu, dass sich das Protein nicht ordnungsgemäß an die Zellmembran anheften kann. Die Forscher vermuten nun, dass PIGV auch für die Verankerung anderer Eiweiße zuständig ist, zum Beispiel im Gehirn.

Während bei den großen Volkskrankheiten der Einfluss der Gene oft überschätzt wird, der Lebensstil meist wichtiger ist und allenfalls ganze „Gen-Pakete“ zur Veranlagung beitragen, ist es bei seltenen Erkrankungen umgekehrt: Die überwiegende Mehrheit von ihnen wird von einer Veränderung in einem einzigen Gen ausgelöst, das meist von beiden Eltern vererbt wird, ohne dass sie selbst erkrankt wären, denn sie verfügen jeweils auch über eine nichtveränderte Kopie des fraglichen Gens. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Kind die beiden veränderten Kopien erbt und das Leiden bekommt, liegt bei diesem autosomal-rezessiven Weg der Vererbung bei 25 Prozent.

Meist verlaufen seltene Krankheiten schwer und beginnen früh. In einigen Fällen kann das aber heute durch spezielle Ernährung oder Ersatz fehlender Enzyme auch verhindert werden – vorausgesetzt, die Ärzte erkennen das Problem früh genug. „Doch wir kennen bisher noch viel zu wenige dieser Erkrankungen, und meist sind das die häufigen unter den seltenen“, sagt Mundlos. In etwa der Hälfte der Fälle könne auch ein hoch spezialisiertes humangenetisches Universitäts-Institut heute ratlosen Eltern nicht weiterhelfen: Die Auffälligkeiten, die sich bei den Kindern zeigen, sind zu individuell, die Mediziner wissen gar nicht, wo sie anfangen sollen zu suchen. Hochdurchsatz-Sequenziertechniken wie die in der Studie vorgestellte könnten hier in Zukunft Abhilfe schaffen. Adelheid Müller-Lissner

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