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Im Stimmungstief. Die Neigung zur Depression kann vererbt sein.

© ddp

Manisch-depressive Störungen: Ein dunkler Stein im Mosaik der Psyche

Die Spielart eines Gens erhöht das Risiko für manisch-depressive Störungen.

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: Die Anfälligkeit für krankhafte manisch-depressive Stimmungsschwankungen, die sich meist erstmals zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr zeigen, ist anscheinend teilweise in den Genen angelegt. Leidet ein eineiiger Zwilling unter einer solchen Bipolaren Störung, dann trägt auch der andere ein 65-prozentiges Erkrankungsrisiko.

Zur Veranlagung trägt wahrscheinlich ein ganzes Bündel von genetischen Varianten bei, von denen einige in den letzten Jahren identifiziert wurden. Die meisten von ihnen sind in der Bevölkerung allerdings weit verbreitet und erklären, jede für sich genommen, jeweils nur einen Bruchteil der Erkrankung. So auch eine Variante namens rs1006737 im Gen Cacna1C, die sich bei vier von zehn gesunden Versuchspersonen, aber bei der Mehrheit der Erkrankten findet.

Forscher aus der Charité, der Uniklinik Bonn und dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim haben 110 solcher gesunden Versuchspersonen aus Mannheim und Bonn auf die Genvariante getestet und anschließend einer funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) unterzogen, mit der sich besonders aktive Hirnareale anhand der Anreicherung mit sauerstoffreichem Blut sichtbar machen lassen. Während sie im Hirnscanner lagen, mussten die Versuchspersonen psychologische Testaufgaben zu Gedächtnis und Erinnerung lösen.

Die Wissenschaftler um Henrik Walter und Susanne Erk (Charité) und Andreas Meyer-Lindenberg (Mannheim) konnten so zeigen, dass bei Trägern der genetischen Risikovariante zwei Kernregionen des Gehirns in ihrer Funktion beeinträchtigt sind: der für das Gedächtnis bedeutsame Hippokampus und ein Bereich des Stirnhirns, der an der Regulation von Emotionen und Stress beteiligt ist, der subgenuale mediale Präfrontalkortex.

In beiden Bereichen zeigten sich im fMRT geringere Aktivitäten. Allerdings war die Gedächtnisleistung dieser Versuchsteilnehmer in den Tests nicht beeinträchtigt. „Der Gesunde hat hier einen großen Puffer“, hebt Henrik Walter hervor. Die Stimmung könnte die geringere Aktivität in den beiden wichtigen Hirnbereichen allerdings durchaus beeinflussen. Mit ihren sensiblen psychologischen Messskalen konnten die Wissenschaftler erkennen, dass die Teilnehmer mit besonders niedriger Aktivität zugleich ängstlicher und gedrückterer Stimmung waren.

Die Ergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift „Archives of General Psychiatry“ veröffentlicht. Schon im vorigen Jahr war im Fachblatt „Science“ eine Arbeit der Arbeitsgruppe erschienen, für die an derselben Gruppe von Freiwilligen die Folgen einer anderen Genvariante für das Arbeitsgedächtnis untersucht worden waren. „Bei der neuen Arbeit zeigten sich noch deutlichere Effekte“, berichtet Walter. Nun sollen die Untersuchungen in großem Stil wiederholt werden.

Was könnte sich daraus ergeben? Der Psychiater mahnt zur Vorsicht. „Bipolare Störungen haben immer mehrere Ursachen, eine einzige, zudem sehr häufige genetische Variante trägt nur wenig zum Risiko bei, eine solche Krankheit zu entwickeln.“ Allerdings könnte sie ein besseres Verständnis der Bipolaren Störungen ermöglichen. So steht rs1006737 mit einem Gen in Verbindung, das einen der Kalzium-Ionenkanäle kodiert, bei denen wiederum einige der gängigen Medikamente andocken. „Wir haben deshalb die Chance, nun auf molekularer Ebene besser zu verstehen, wie dieser Kanal arbeitet. Das könnte uns einen Weg zu den Mechanismen der Erkrankung weisen.“

Außerdem könnte sich Walter vorstellen, dass mit standardisierten fMRT-Verfahren, die unterschiedliche Hirnfunktionen testen, Risikoprofile für psychische Erkrankungen erstellt werden. „Diese Informationen können wir dann gut gebrauchen, um die individuelle Behandlung zu planen.“ Auch auf die Unterteilung der seelischen Leiden werden die Informationen zur Hirnfunktion, die die Psychiater modernen Methoden wie dem fMRT verdanken, wahrscheinlich Einfluss nehmen. „Es könnte sein, dass wir Untergruppen psychischer Erkrankungen in Zukunft anhand der Bilder aus dem Gehirn bestimmen.“ Adelheid Müller-Lissner

Mehr Information unter: www.dgbs.de

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