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Arzneispender. Der Chip ist etwa so groß wie ein USB-Stick.

© Science

Medizin der Zukunft: Apotheke unter der Haut

Zuverlässige Therapie: Forscher präsentieren einen Chip, der regelmäßig Medikamente abgibt. Sie hoffen, dass der Chip schon in wenigen Jahren routinemäßig einsetzbar ist. Ärzte könnten dann die Therapie ihrer Patienten mit Computer oder Mobiltelefon umstellen.

Auf den ersten Blick ist es nur eine kleine Studie. Acht Frauen in Dänemark, die unter Osteoporose leiden, wurde ein winziger Chip unter die Haut verpflanzt. Auf dem Mikrochip befand sich in winzigen Kammern Teriparatid, ein Mittel gegen den Knochenschwund. Über eine kabellose Verbindung konnten Ärzte dann die Freisetzung des Medikaments im Körper der Patientinnen steuern.

Trotz der kleinen Teilnehmerzahl ist die Untersuchung, die gestern auf einer Wissenschaftstagung in Vancouver vorgestellt wurde, bedeutend: Sie lässt die Zukunft der Medizin erahnen. Es ist das erste Mal, dass ein Mikrochip auf diese Weise genutzt wurde, um bei Menschen ein Medikament im Körper freizusetzen. Die Forscher hoffen, dass die winzigen Siliziumchips schon in wenigen Jahren routinemäßig eingesetzt werden. Das könnte die Medikation von Patienten erleichtern, die etwa unter Multipler Sklerose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs leiden.

Teriparatid ist ein Bruchstück des Parathormons. Wird es regelmäßig verabreicht, aktiviert es Knochen aufbauende Zellen, Osteoblasten. So hilft es gegen Osteoporose, den Verlust von Knochenmasse, der besonders bei älteren Frauen das Risiko erhöht, dass sie sich die Knochen brechen. Das Hormonfragment ist weniger stabil als andere Medikamente.

Um es zu schützen, füllten die Wissenschaftler um Robert Langer vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, 20 Dosen des Wirkstoffes in winzige Kammern auf einem Chip. Mit einer hauchdünnen Schicht aus Platin und Titan wurden die Kompartimente dann abgedichtet. Wird ein schwacher elektrischer Strom durch das Metall geleitet, schmilzt der Deckel und das Medikament wird ausgeschüttet. Die Freisetzung kann entweder vorab programmiert oder durch eine kabellose Verbindung ausgelöst werden.

Das Implantat wurde den Frauen unter lokaler Betäubung in Hüfthöhe unter die Haut gesetzt. Einige hätten angegeben, den Fremdkörper nach kurzer Zeit überhaupt nicht mehr zu bemerken, sagt Robert Farra von der Firma Microchips und Mitautor der Studie, die in „Science Translational Medicine“ erschienen ist.

"Der Chip ist ein Schritt in Richtung einer komplett automatisierten Medikamenteneinnahme"

Die Idee eines Pharma-Chips ist nicht neu. Ärzte hoffen schon länger, dass sie so ein verbreitetes Problem lösen können: Müssen Patienten jeden Tag ein Medikament zu sich nehmen, vergessen sie häufig einzelne Dosen und gefährden damit die Wirksamkeit der gesamten Therapie. Das gilt vor allem für „stille“ Krankheiten wie Osteoporose, bei denen der Patient eine Verschlechterung nicht sofort bemerkt und bei Medikamenten wie Teriparatid, die gespritzt werden müssen.

„Der Chip umgeht das Problem und ist ein Schritt in Richtung einer komplett automatisierten Medikamenteneinnahme“, sagt Michael Cima, einer der Autoren. Ärzte könnten dann die Therapie ihrer Patienten einfach mit Computer oder Mobiltelefon umstellen. „Solchen Verabreichungsformen gehört die Zukunft“, bestätigt Fritz Sörgel, Pharmakollege am Institut für biomedizinische und pharmazeutische Forschung in Nürnberg. Voraussetzung sei, dass die Technik verträglich ist.

Bereits 1999 hatte die Gruppe um Langer und Cima am MIT das Design so eines Chips veröffentlicht. Doch um ihn im Menschen anwenden zu können, waren weitere Arbeiten nötig. So mussten die Wissenschaftler eine Technik entwickeln, den Wirkstoff in die winzigen Kompartimente zu füllen und diese zu versiegeln, ohne die Arznei zu zerstören.

Außerdem hatten Tierexperimente belegt, dass um den Chip Bindegewebe wachsen kann. Das Experiment im Menschen sollte auch zeigen, ob dieses Gewebe freigesetzten Wirkstoff zurückhält. Tatsächlich bildete sich auch bei den Frauen in der Studie eine Bindegewebsschicht. Die störte aber nicht. Bei sieben Teilnehmerinnen wurde das Medikament wie geplant einmal täglich freigesetzt. Bei ihnen stieg die Knochendichte an, das Risiko für Brüche nahm ab.

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