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Kein Entkommen. Gesundheitshelferinnen wie hier in Äthiopien bringen den Impfschtz auch in entlegene ländliche Gebiete. Afrika steht dieses Jahr im Mittelpunkt der Weltimpfwoche.

© UNICEF Ethiopia/Indrias Getachew

Medizin: Impfstoffe für Millionen

Viele Kinderkrankheiten in Afrika könnten verhindert werden – mit Impfstoffen, die längst auf dem Markt sind.

Fast acht Millionen Kinder sterben jedes Jahr, bevor sie ihren fünften Geburtstag feiern konnten. Eine erschreckend hohe Zahl – doch es sind fast vier Millionen weniger als noch 1990. So lautet das verhalten optimistische Ergebnis einer Studie, die im vergangenen Jahr in der Fachzeitschrift „Lancet“ erschienen ist und für die Daten aus 187 Ländern ausgewertet wurden.

Die Vereinten Nationen wollen aber mehr: Bis zum Jahr 2015 soll die Kindersterblichkeit im Vergleich zu 1990 um zwei Drittel gesenkt werden. So steht es in den „Millenniums-Entwicklungszielen“, die 191 Mitgliedsstaaten zur Jahrtausendwende ausgerufen hatten. Dafür sind vor allem in den ärmsten Ländern Afrikas noch große Anstrengungen nötig.

Einen großen Beitrag dazu könnten Impfungen bieten. Deshalb stehen Impfaktionen in afrikanischen Ländern diese Woche im Fokus der Weltimpfwoche. Zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo. Einer Unicef-Studie zufolge sterben in dem zentralafrikanischen Land Jahr für Jahr mindestens 130 000 Kinder an einer Lungenentzündung. Haupterreger sind Pneumokokken und gegen diese Bakterien gibt es einen Impfstoff. Es ist deshalb eine gute Nachricht, dass die Impfung in einigen Provinzen des Kongo seit wenigen Wochen zum Routineprogramm gehört. Die Global Alliance for Vaccines and Immunization hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Impfstoff bis zum Jahr 2015 in mehr als 40 Ländern zur Verfügung zu stellen. In Nicaragua, Guyana, Jemen, Kenia, Sierra Leone und Mali ist es bereits so weit. Auch lebensgefährliche Durchfallerkrankungen sollen durch eine Impfung gegen das Rotavirus verhindert werden.

Geld von der Gavi soll auch Kindern in Äthiopien helfen. Dort sind tausende junger Gesundheitshelfer ausgebildet worden, unter ihnen die beiden jungen Frauen Fantaye Yenehu und Zewde Getahun. Dreimal im Monat machen sie sich auf einen zweistündigen Fußmarsch in eine isolierte ländliche Region im Norden ihres Landes, um dort die Familien über Hygiene, HIV und Familienplanung zu informieren. Und um bei dieser Gelegenheit zu impfen. Seit 2007 können sie dabei auch auf den Fünffachimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Hepatitis B und Hämophilus influenzae Typ b zurückgreifen. Dass damit gewissermaßen fünf Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, erleichtert die Arbeit. Transport und Kühlung der Impfstoffe stellen trotzdem eine gewaltige logistische Herausforderung für abgelegene Orte ohne Strom und Straßennetz dar.

Technische Unzulänglichkeiten erschweren bisweilen auch den Kontakt zwischen afrikanischen und europäischen Wissenschaftlern, etwa beim Telefonieren. „Oft müssen sich die Kollegen in Addis Abeba 15 Mal neu einwählen, aus Malawi erreichen sie uns nur per Satellitentelefon“, berichtet Robert Golinski vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. Die Forschergruppe um den Immunologen Stefan Kaufmann arbeitet seit Jahren mit Kliniken in Äthiopien, Malawi, Südafrika, Gambia, Uganda und Namibia zusammen. Ziel ist die Entwicklung eines verbesserten Impfstoffs gegen die Tuberkulose.

Unter zwölf Impfstoff-Kandidaten, die sich in der klinischen Erprobung befinden, hat der Berliner derzeit besonders gute Chancen, sich zur Marktreife zu entwickeln. Noch trägt der Impfstoff, der genetisch veränderte Varianten des einzigen, seit 90 Jahren verfügbaren Vakzins BCG enthält, den nüchternen Namen VPM1002. Nachdem sich in ersten klinischen Studien an gesunden Freiwilligen in Deutschland und Afrika gezeigt hat, dass er sicher ist, soll demnächst eine weitere Studie in Afrika anlaufen, wie Golinski berichtet. Zum Problem wird der Erreger, den viele Menschen in sich tragen, ohne zu erkranken, vor allen in Kombination mit HIV. Weltweit sind 15 Millionen Menschen mit beidem infiziert. „Die beiden Erreger addieren sich in ihrer Wirkung und multiplizieren sich in ihrer Gefährlichkeit“, schreibt Kaufmann in seinem engagierten Buch „Wächst die Seuchengefahr?“.

Schon seit einigen Jahren setzen die Forscher molekularbiologische Testverfahren ein, um anhand von Blutproben herauszufinden, wie sich Genaktivitäten zwischen gesunden Infizierten und Erkrankten unterscheiden – und damit das Ausbruchsrisiko der Krankheit vorherzusagen. Gerade konnten sie ihr Biomarker-Projekt, für das sie 15 Millionen Dollar von der Bill und Melinda Gates Stiftung bekommen haben, bis Ende 2012 verlängern. „Hier war jemand so mutig, ein Projekt der angewandten Grundlagenforschung zu fördern, von dem keiner wusste, was dabei herauskommen würde“, lobt Golinski. Bis zur Weltimpfwoche des Jahres 2015, dem Stich-Jahr für die Millenniumsziele, wird man hier wohl klarer sehen.

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