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Spur des Schalls. Im Notfall kann die Technik rasch Diagnosen liefern.

© picture alliance / dpa

Medizin: Ultraschall kann Leben retten

Bei Notfällen hilft eine kurze Untersuchung, die richtige Diagnose zu stellen und damit die Weichen für die Behandlung zu stellen. Und das ganz ohne Strahlenbelastung.

Eine 16-Jährige wurde bewusstlos in die Klinik eingeliefert. Sie war zusammengebrochen, nachdem ihr Vater sie verprügelt hatte. Verdacht auf Schädel-Hirn-Verletzung, ein Computertomogramm schien unumgänglich. Joseph Osterwalder, Chefarzt der Notaufnahme am Kantonsspital in St. Gallen, bat um zwei Minuten Zeit für einen Blick in Bauch- und Brustraum mit Ultraschall. Er fand Hinweise, dass ein Blutpfropf eine Lungenarterie verstopfte. Lebensgefährliche Lungenembolie. Der Pfropf hatte sich möglicherweise durch die körperliche Erschütterung aus einer Gefäßwand gelöst.

Eine 60-Jährige war vom Hausarzt in die Notaufnahme geschickt worden, mit Verdacht auf Nierenprobleme. Tatsächlich war eine sackartige Ausstülpung der Hauptschlagader im Bauchraum gerissen. Sie kam sofort in den OP.

„Ich könnte Hunderte von Fällen nennen, in denen wir mit Ultraschall Leben gerettet haben“, sagt Osterwalder. Der Leiter des Arbeitskreises Notfallsonographie der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (Degum) ist begeistert von dem Verfahren, bei dem anhand der Ausbreitung von Schall hoher Frequenz Schichtbilder von Körperstrukturen gewonnen werden. Tatsächlich hat es in den letzten Jahrzehnten einen Siegeszug durch viele Fachgebiete angetreten – am augenfälligsten in der Begleitung von Schwangerschaften.

Auch wenn es darum geht, im Notfall die Weichen für die richtige Behandlung zu stellen, ist Ultraschall inzwischen sehr wichtig, heißt es in einer Studie, die die Degum in Berlin vorstellte. Seine Domänen sind alle Unklarheiten im Bereich von Bauch und Brust wie das Erkennen von Wasseransammlungen, Blut oder Schwellungen, von Ergüssen im Herzbeutel oder Luft im Lungengewebe.

In die Studie wurden 1452 Patienten aus sechs Kliniken aufgenommen, die zwischen April 2010 und Februar 2011 wegen unklarer Beschwerden in die Notaufnahme kamen. Rund drei Viertel von ihnen wurden dort innerhalb der ersten 24 Stunden per Ultraschall untersucht, die anderen erst später. Bei fast 95 Prozent der früh Untersuchten hatte das Ergebnis Einfluss auf die Therapie. Im Schnitt konnten sie drei Tage früher entlassen werden als die Vergleichsgruppe.

Der Vergleich ist allerdings nicht ganz fair, denn die Gruppen teilten die Ärzte ein. Die Notfallpatienten, die früh Ultraschall bekamen, waren im Schnitt deutlich jünger und weniger krank. Andreas Schuler von der Helfenstein-Klinik in Geislingen ist trotzdem vom Nutzen überzeugt: „Wenn bei allen Patienten sofort eine Ultraschalluntersuchung gemacht worden wäre, hätten weniger im Krankenhaus bleiben müssen.“

Leben retten, unnötige Diagnostik und damit häufig auch Strahlenbelastung vermeiden: Das sind gute Argumente dafür, den kurzen Check mittels Schallkopf in die Notfallroutine aufzunehmen. In der Deutschen Rettungsflugwacht sei das seit Jahren üblich, die Rettungswagen sollten folgen, meint der Präsident der Degum, Stefan Nöldeke vom Klinikum Garmisch-Partenkirchen. Die Verdachtsdiagnose könne entscheiden, welche Klinik angesteuert wird. Die Fachgesellschaft bringt nun Ärzten das Know-how für die zwei- bis dreiminütige „fokussierte Notfallsonografie“ bei. „Wir brauchen den Notfall-Generalisten“, sagt Nöldeke. Das Gespräch und die körperliche Untersuchung mache der Ultraschall nicht überflüssig. Aber mobile Ultraschallgeräte sollten genauso zur Grundausstattung von mobilen Rettungseinheiten gehören, wie es bei Defibrillator und EKG üblich ist. Osterwalder sieht den Ultraschall sogar ganz allgemein als Teil der ärztlichen Grundausstattung: „Der Schallkopf ist das Stethoskop der Zukunft.“ Adelheid Müller-Lissner

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