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Wissen: Meeressaurier waren vermutlich Warmblüter

Versteinerte Zähne dienen als „Thermometer“ für ausgestorbene Reptilien

Pfeilschnell jagt der schlanke Meeresbewohner mit kräftigen Schlägen seiner Schwanzflosse sein Opfer. Dann schnappt das lange Maul zu, die Beute zappelt zwischen den Zähnen. Der Jäger erinnert an einen Delfin. Diese Meeressäuger entstanden aber erst vor 35 Millionen Jahren, während die schnelle Jagd bereits vor gut 150 Millionen Jahren durch die Meere der Jurazeit tobte. Der Jäger von damals war ein Ichthyosaurier und gehörte zu den Reptilien.

Das verblüfft Biologen, denn eine Hetzjagd klappt mit einer gleichbleibenden, relativ hohen Körpertemperatur viel besser. Bei den heute lebenden Reptilien aber schwankt die innere Wärme stark mit den Verhältnissen der Umwelt. Nicht so bei den Ichthyosauriern, behaupten Aurélien Bernard von der Universität Lyon und seine Kollegen in Frankreich und Dänemark im Fachblatt „Science“. Die Ichthyosaurier seien wie die vor 100 Millionen Jahren in den Meeren der Kreidezeit lebenden Plesiosaurier Warmblüter gewesen.

Wie aber misst man die Körpertemperatur von Tieren, die längst ausgestorben sind? Klimaforscher haben dafür eine raffinierte Methode entwickelt. Sie stützen sich dabei auf das Element Sauerstoff, das in der Natur in zwei unterschiedlichen Formen vorkommt, dem leichteren Sauerstoff-16 und dem viel selteneren und schwereren Sauerstoff-18. Da Sauerstoff ein Bestandteil von Wasser ist, finden sich auch diese beiden Isotope darin. Allerdings hängt das Verhältnis zwischen beiden Atomarten vom Klima ab. Wird das Wasser an der Oberfläche der Meere wärmer, verdunsten von dort mehr Wassermoleküle mit dem schweren Sauerstoff-18. Warmes Tropenwasser enthält daher deutlich weniger Sauerstoff-18 als kaltes Wasser in höheren Breiten. Manche Organismen bauen diesen Sauerstoff zum Beispiel in ihre Kalkschalen ein, die unter Umständen viele Jahrmillionen erhalten bleiben. Messen die Forscher nun den Sauerstoff-18-Gehalt von Fossilien aus dieser Zeit, können sie die Wassertemperaturen bestimmen, in denen die Organismen gewachsen sind.

Allerdings hat diese Methode ihre Tücken, erklärt Thomas Tütken, der an der Universität Bonn die Arbeitsgruppe „Knochengeochemie“ leitet. So bleibt beim Versteinern von Knochen zwar deren Form erhalten, die Moleküle aber werden weitgehend ausgetauscht. Versteinerte Knochen verraten daher wenig über die Körpertemperatur, sondern mehr über die Bedingungen, unter denen sie versteinert sind. Deshalb nutzt der Bonner Forscher genau wie seine französischen und dänischen Kollegen Zähne als Thermometer für die Körpertemperatur längst ausgestorbener Organismen. Zumindest der Zahnschmelz übersteht die Zeitalter sehr lange, ohne sich chemisch zu verändern.

Aurélien Bernard und seine Kollegen haben zunächst einmal die Verhältnisse der Sauerstoffisotope in den Zähnen von Fischen bestimmt, die in den gleichen Schichten wie die Funde der verschiedenen Saurierarten entdeckt wurden und die im gleichen Wasser lebten. Das Sauerstoffisotopenverhältnis im Zahnschmelz wiederum ist das gleiche wie im Blut des Tieres. Leben zwei Arten nun in der gleichen Wassertemperatur und das Sauerstoffisotopenverhältnis in ihren Zähnen unterscheidet sich, sollten sie unterschiedliche Körpertemperaturen gehabt haben. Genau das aber stellen die Forscher für die Ichthyosaurier und für die Plesiosaurier im Vergleich mit den in der jeweils gleichen Umwelt lebenden Fischen fest. Beide Sauriergruppen hatten jeweils deutlich höhere Körpertemperaturen als die Fische in ihrer Nähe.

Das passt gut zur Lebensweise dieser Saurier. Die Körperform der Ichthyosaurier ähnelt den modernen Delfinen, die mit einer Geschwindigkeit von bis zu 55 km/h Fische jagen. Tatsächlich haben Paläontologen in den Mägen versteinerter Ichthyosaurier Schuppen von Fischen und Schnäbel von Kalmaren gefunden. Ähnlich flott waren die Plesiosaurier unterwegs, allerdings ähnelte ihre Fortbewegung mehr dem Unterwasserflug heutiger Pinguine und Seelöwen. Bei einer Körpertemperatur von rund 35 Grad Celsius, wie die Forscher sie für die Ichthysaurier und die Plesiosaurier vermuten, aber arbeiten die Muskeln optimal für eine schnelle Jagd. Auch wenn die Tiere für diese Temperatur mehr Energie aufwenden mussten, lohnte sich diese zusätzliche Investition, solange sie erfolgreich waren. Die bis zu 17 Meter langen Mosasaurier dagegen lauerten ihrer Beute eher auf und waren auf hohes Tempo weniger angewiesen. Ihre Zähne deuten denn auch auf eine stärker schwankende Körpertemperatur hin, zeigen die Forscher. Roland Knauer

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