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Wissen: Mehr Großkraftwerke

Nach dem Atomausstieg: was Forscher empfehlen

In elf Jahren soll das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz gehen. Was die Forschung für den zügigen Umbau des Energiesystems leisten muss, hat die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina in einer Stellungnahme zusammengetragen. Gestern wurde sie an Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) übergeben.

„Der Ausstieg aus der Kernenergie ist machbar, sofern die übrigen Randbedingungen stimmen“, sagte Ferdi Schüth vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim (Ruhr), der die Analyse koordiniert hat. Vor allem der Netzausbau sowie der Bau neuer Großkraftwerke müsse zügig vorangetrieben werden, damit stets genügend „Regelenergie“ vorhanden ist. Sie verhindert das Kollabieren der Stromnetze, das infolge der schwankenden Leistung der erneuerbaren Energiequellen wahrscheinlicher wird. „Der Umbau des Energiesystems sollte von einer unabhängigen Instanz überwacht werden, die frühzeitig warnt, wenn beispielsweise der Netzausbau hinter den Zielen zurückbleibt“, forderte Schüth.

Damit der Schritt in das neue Energiezeitalter gelingt, sieht die Leopoldina den größten Forschungsbedarf in der Effizienzsteigerung. „Kurzfristig ist das der wirksamste Hebel, um den Energieverbrauch zu senken“, sagte Schüth. „Bei der Dämmung von Häusern zum Beispiel gibt es viele Möglichkeiten, die noch immer zu wenig genutzt werden.“

Was längerfristige Forschungsziele betrifft – das ist für Energieexperten ein Zeitraum von zehn und mehr Jahren – bleiben die Schwerpunkte früherer Empfehlungen bestehen: Erneuerbare müssen billiger, Speicher müssen leistungsfähiger werden und die Forschungen rund um die Kerntechnik sollen erhalten bleiben. Zum einen, um die Entwicklungen im Ausland fundiert bewerten zu können, zum anderen, weil der Rückbau der Anlagen und die Endlagerung der radioaktiven Abfälle noch bevorstehen.

Diese Einschätzung teilt Annette Schavan. „Wir arbeiten an einem Netzwerk von Experten, die sich mit der Endlagerung befassen, und wollen deren Kompetenzen zusammenbringen“, sagte sie vor Journalisten. Es werde nicht um die Suche nach einem Ort für die Endlagerung gehen, sondern beispielsweise um Verfahren, mit denen langlebige Radionuklide in kurzlebige umgewandelt werden.

Mit dieser „Transmutation“ genannten Technik könnte die Menge des strahlenden Abfalls sowie seine Halbwertszeit verringert werden. Noch ist das Verfahren lange nicht praxistauglich. Sollte es aber zum Erfolg werden, ließe sich sogar bereits deponierter Atommüll „entschärfen“ – sofern er so gelagert ist, dass man ihn bergen kann. In Salzstöcken wie Gorleben ist das aber nicht vorgesehen.

Will Schavan der Transmutation den Weg ebnen, müsste sie sich für ein Endlager in Tonstein oder Granit einsetzen, wo die Abfälle zugänglich bleiben. Auf diese Formel jedoch wollte sich die Ministerin gestern nicht festlegen lassen. „Vor einer politischen Entscheidung würde ich aber die Expertise der Wissenschaftler einholen“, sagte sie. Ralf Nestler

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