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Wissen: Merkels Zimmerpflanze

Die Kanzlerin ermuntert Forscherinnen zur Karriere und eröffnet ein neues Internetportal für Frauen

Als Physikstudentin war sie „vielleicht ein wenig zu sensibel“. Jedenfalls fiel ihr das Experimentieren gemeinsam mit Männern „unheimlich schwer“. Während sie selbst noch „überlegte und zögerte“, hatten die Kommilitonen „ihre Finger schon an allen Knöpfen“, „manchmal war das Gerät dann auch schon kaputt“. Etwas später, als einzige Frau in der AG Quantenchemie der Akademie der Wissenschaften, befremdete sie die Männerwelt, weil sie einen Blumentopf mit ins Arbeitszimmer brachte: „Ich hab’s geahnt!“, stöhnte ihr Zimmergenosse. Und ihre Kollegen rieten ihr ab, ihren Führerschein zu machen: „Wahrscheinlich fahren Sie ja dann doch nicht.“

Wäre Angela Merkel in der Forschung geblieben, stünde ihr Name jetzt vielleicht in dem neuen Internetportal „AcademiaNet“ (www.academia-net.de), das die Bundeskanzlerin am Dienstagabend in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften öffentlich einweihte. Die Robert-Bosch-Stiftung und der Verlag „Spektrum der Wissenschaft“ wollen das Fortkommen von Frauen in der Wissenschaft unterstützen, in dem sie eine Bestenauswahl für Leitungsfunktionen in Wissenschaft und Industrie sichtbar machen. Auch Journalisten oder Organisatoren von Tagungen sollen die nach Fachgruppen geordneten Frauen so leichter finden. Und schließlich soll es den Wissenschaftlerinnen damit erleichtert werden, sich mit Kolleginnen zu vernetzen.

Aufgenommen wird nicht jede, sondern nur, wer bereits einen Namen hat und von den großen Wissenschaftsorganisationen von der Acatech über die DFG bis zum Wissenschaftsrat vorgeschlagen wurde. Bislang sind 500 Namen versammelt. Berlin ist mit rund 60 Frauen vertreten, darunter auch solche, die längst nicht mehr unter Unsichtbarkeit oder unter einem Mangel an Aufgaben in der Wissenschaft leiden wie die FU-Theaterwissenschaftlerin Gabriele Brandstetter, die Chefin des Wissenschaftszentrums, Jutta Allmendinger, oder Ute Frevert, Direktorin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. In den nächsten zwei bis fünf Jahren soll das bislang auf den deutschsprachigen Raum begrenzte Portal über ganz Europa ausgedehnt werden.

Merkel hält das Fortkommen von Frauen in der Wissenschaft nicht nur für wichtig, „weil es um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft geht“. Es sei auch „eine Frage der Gerechtigkeit“ – und nicht zuletzt der Qualität der Wissenschaft. Bislang sind nur 17 Prozent der Professuren mit Frauen besetzt: „Die Wissenschaft bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück, wenn sie nur die Hälfte der Talente fördert“, sagte Merkel.

Offenbar stehen manchen Frauen jedoch ihre Erziehung und die gesellschaftlichen Erwartungen an ihre Rolle als Frau im Weg. In dem Werbefilm des neuen Netzwerks erklärt die Chemikerin Regina Palkovits, durchsetzungsfähige Frauen würden schnell als „hart und herzlos“ angesehen. Das sei manchen Frauen allzu unangenehm. Als Chefin einer Forschungsgruppe könne man aber nicht „auf Mauerblümchen“ machen. So denkt auch die Medizin-Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard, Direktorin am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen: „In Leitungspositionen muss man auch mal unpopuläre Entscheidungen treffen. Frauen müssen sich daran gewöhnen, nicht von allen geliebt zu werden.“

Was machen erfolgreiche Frauen richtig?, wollte Moderatorin Dunja Hayali vom ZDF wissen. Maria Leptin, Direktorin der European Molecular Organisation Heidelberg, hält es für das Beste, nicht zu viel über das Thema nachzudenken und „mit Scheuklappen und Passion“ ans Ziel zu kommen. Wie Nüsslein-Volhard war sie auf einer Mädchenschule: „Da war nie die Frage, ob Mädchen Mathe mögen, und es war auch nicht uncool, die Beste in Mathe zu sein.“

Merkel ermunterte die Wissenschaftlerinnen zum Abschied: „Trauen Sie sich! Es macht Spaß, auch eine Stufe höher mit dabei zu sein!“ akü

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