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Mikrobiologie: Bakterien jucken Fliegen nicht

Bakterien scheinen bemerkenswert bedeutungslos für die Lebensdauer von Fliegen

Entfernt man bei Fruchtfliegen die natürlicherweise auf ihnen vorkommenden Bakterien, überleben sie keineswegs ihre schmuddeligen Artgenossen. Dieses Ergebnis einer Forschungsreihe veröffentlichten Wissenschaftler der University of South California (USC), Los Angeles, in der August-Ausgabe des Magazins Cell-Metabolism (1). Damit wird die bestehende Auffassung in Zweifel gezogen, dass sogar kommensale Bakterien zur eigenen Lebenserhaltung Energie von ihrem Wirtsorganismus mitverbrauchen; eine Belastung, der ein Körper mit zunehmendem Alter immer weniger entgegensetzen kann.

Im Zuge ihrer Forschungen verglichen die Wissenschaftler unter der Leitung von John Tower die Lebensdauer von Fliegen. Sie unterteilten die Fliegen in sechs Gruppen mit jeweils 25 Tieren; in drei der Gruppen lebten Versuchtiere, die von Bakterien befreit worden unter Laborbedingungen keimfrei gehalten wurden; den anderen Gruppen kam keinerlei gesonderte Behandlung zu.

Im Laufe des Versuchs entnahmen die Wissenschaftler in jeder Woche eine Fliege aus den jeweiligen Gruppen, um sie auf das Vorhandensein von Bakterien zu untersuchen. Die Anzahl der Bakterien, die auf und auch in den normal aufgezogenen Versuchstieren lebte, nahm konstant zu, wie im Vorfeld erwartet worden war. Bei den steril gehaltenen Insekten fanden sich bisweilen vereinzelte Bakterien, doch war deren Vorkommen im Vergleich zu den Werten der normalen Fliegen eher unerheblich. Allerdings hatte dieses Ergebnis, anders als von den Forschern erwartet, keinerlei Einfluss auf die Lebensdauer der Tiere.

"Wir wussten, dass die Bakterienbesiedlung mit dem Alter zunimmt und nahmen von daher an, dass dieser Faktor eine Belastung für den Organismus darstellt und somit die Lebensdauer vermindert würde. Andererseits, wenn die Bakterien in irgendeiner Form nützlich wären, hätten wir erwartet, dass die steril gehaltenen Fliegen eine kürzere Lebenserwartung gezeigt hätten. Wir waren also überrascht, als wir herausfanden, dass das Vorhandensein von Bakterien keinerlei Einfluss auf die Lebensdauer hat", merkt Co-Autor Steven Finkel an.

Ihre Gegenwart ist spürbar

Die Resultate dieser Forschungsreihe stehen allerdings im Gegensatz zu einer früheren Studie, die belegte, das die Lebensspanne durch das Vorhandensein von Bakterien beeinflusst wird (2). "Die Ergebnisse bei dieser Art von Versuchen können in hohem Maße von der untersuchten Spezies abhängen. Ich denke, die verschiedenen Mikroben könnten für das verantwortlich sein, was wir sehen", erläutert Mikrobiologin Heidi Goodrich-Blair von der University of Wisconsin.

"Man ist sich einig darüber, dass es kommensale Mikroben nützlich sind und dass Veränderungen dieser Populationen in unseren Körpern gesundheitsschädlich wären. Ich bin von daher überrascht, dass das Entfernen der Bakterien bei den Insekten deren Lebensdauer nicht groß beeinflusst hat", kommentiert der Evolutionsbiologe Jonathan Eisen von der University of California die Studie.

Ob diese Resultate auch auf den Menschen übertragbar sind, ist eine Frage, die sich nicht so einfach beantworten lässt. Die Bakterienkulturen im Darm vermehren sich mit zunehmendem Alter des Menschen keineswegs in dramatischem Umfang, doch die relative Häufigkeit der einzelnen Arten kann sich verändern und chronisch-entzündliche Darmkrankheiten könnten im Laufe der Zeit vermehrt auftreten. Wie dem auch sei, da Menschen für eine geregelte Verdauung auf einen Teil ihrer Bakterien angewiesen sind, wäre es also nicht nur unethisch, Menschen in einer keimfreien Umwelt aufwachsen zu lassen, sondern auch undurchführbar."

Die aktuellen Ergebnisse der Fliegenstudie könnten jedoch für die menschliche Altersforschung relevant sein. Die Forscher führen an, man wisse jetzt, dass das Vorhandensein von Bakterien nicht notwendigerweise Einfluss auf die Lebensdauer haben muss - zumindest bei Fliegen. "Diese Studie bringt uns einen Schritt weiter auf dem Weg, die grundlegenden Faktoren des Alterns zu verstehen", ergänzt Finkel. Doch Eisen weigert sich, hier soweit zu gehen. "Diese Untersuchung stellt Umweltbedingungen in den Vordergrund, unter denen Bakterien keinen Einfluss haben, doch das heißt nicht, dass das unter allen Bedingungen so sein muss", meint er. "Wir sollten zurückhaltend mit diesen Ergebnissen umgehen."

(1) Ren, C. et al. Cell Metabolism doi: 10.1016/j.cmet.2007.06.006 (2007). (2) Brummel, T. et al. PNAS 101, 12974-12979 (2004).

Dieser Artikel wurde erstmals am 9.8.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news070806-8. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Matt Kaplan

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