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Mikrotechnik: Eine Pinzette für Atome

Physiker haben mit einem speziellen Mikroskop einzelne Teilchen gepackt und zu einer Kette angeordnet

Gute Augen und eine ruhige Hand braucht es schon, um einen Stecknadelkopf mit einer Pinzette zu fassen. Doch wie soll es gelingen, ein Objekt zu greifen, das drei Millionen Mal kleiner ist? Stefan Fölsch und seinen Kollegen vom Berliner Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik ist das jedenfalls gelungen. Wie sie online im Fachjournal „Physical Review Letters“ berichten, haben sie einzelne Indiumatome auf einem Halbleiter gepackt, angehoben und an einer anderen Stelle der Kristalloberfläche wieder abgesetzt.

Bisher war das Umsetzen einzelner Atome nur auf Metallen geglückt. Indem die Berliner Wissenschaftler eine Technik entwickelt haben, mit der sich Atome auf Halbleitern versetzen lassen, könnte die Forschung in der Mikroelektronik einen großen Schritt weiterkommen, sagt Fölsch. „Um elektrische Bauteile immer kleiner zu machen, muss man verstehen, was auf atomarer Ebene passiert.“

Deshalb haben die Wissenschaftler eine Methode entwickelt, mit der sie einzelne Atome gezielt versetzen können. Sie nutzen dafür ein Rastertunnelmikroskop. Damit lassen sich Oberflächen bis auf einzelne Atome genau analysieren. Das Objektiv dieses Mikroskops ist keine Linse, sondern eine feine Wolframspitze, die in extrem kurzem Abstand über das Forschungsobjekt geführt wird. „Die Distanz ist so gering, dass zwischen der Spitze und dem Objekt ein elektrischer Strom fließen kann, obwohl sich die beiden nicht berühren“, sagt Fölsch. „Tunnelstrom“ nennen Physiker dieses Quantenphänomen, das in der klassischen Physik unmöglich ist, wohl aber in der Welt einzelner Atome. Die Stärke des Tunnelstroms hängt wesentlich vom Abstand der beiden „Elektroden“ ab. Befindet sich die Nadel direkt über einem Atom, ist die Distanz kürzer – und der Strom größer – als über einer Lücke im Kristall. So berechnet der Computer aus zig Strommessungen ein Bild.

„Mithilfe des Tunnelstroms können auch einzelne Atome von der Kristalloberfläche gelöst werden“, sagt Fölsch. Dazu wird die elektrische Spannung an der Nadelspitze soweit erhöht, dass der Tunnelstrom das Atom zum Vibrieren bringt, bis es schließlich seine chemische Bindung zu den Nachbarteilchen verliert und an die Wolframspitze springt. Anschließend wird die Spitze an jene Stelle des Kristalls gefahren, wo das aufgesammelte Atom wieder abgesetzt werden soll. Sobald die elektrische Spannung verringert und zugleich die Spitze mit der Oberfläche in Kontakt gebracht wird, lagert sich das Atom auf seinem neuen Platz an.

Das hört sich zwar einfach an, doch in der Praxis gibt es allerhand Schwierigkeiten. Auf vier Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt mussten die Forscher das Mikroskop kühlen, damit die Nadelspitze mit der nötigen Präzision bewegt werden kann. Zudem benötigten sie eine detaillierte Karte der Oberflächenatome, um die Nadel für das Absetzen der einzelnen Teilchen richtig zu positionieren.

Auf diese Weise haben sie eine Kette aus sechs Indiumatomen zusammengesetzt. „Für die industrielle Herstellung von elektronischen Bauteilen ist das Verfahren ungeeignet“, sagt Fölsch. „Es ist sehr aufwendig und am Ende entsteht lediglich ein einzelnes Bauelement.“ Der Wissenschaftler sieht den Nutzen eher darin, zum grundlegenden Verständnis der elektronischen Materialien beizutragen. „Die Indiumatome verhalten sich im Halbleiter wie Spender“, erläutert der Physiker. Sie geben Elektronen ab und ermöglichen somit überhaupt erst eine Stromübertragung. „Indem wir atomgenau untersuchen, wie sich diese ,Spenderatome’ verhalten und welche Wechselwirkung sie mit den benachbarten Atomen haben, können wir besser verstehen, wie ein Halbleiter auf engstem Raum funktioniert“, sagt er.

Das sei enorm wichtig, denn die Entwickler versuchen immer kleinere Elektronikelemente zu bauen. „Wir konnten beispielsweise zeigen, dass es bei einer kettenförmigen Anordnung einzelner Atome elektrische Wechselwirkungen entlang dieser Linie gibt“, sagt der Forscher. In diesem „Quantendraht“ verhalten sich die Elektronen ähnlich wie in linearen Molekülen.

Außerdem habe das Experiment erste Hinweise dafür geliefert, dass sich der Ladungszustand von Atomen durch Spannungspulse mit der Mikroskopnadel gezielt verändern lässt. Fölsch: „Damit haben wir, zumindest im Modell, einen elektronischen Speicher auf atomarer Basis geschaffen.“

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