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Erdbeben in Ecuador

© dpa

Nach dem Erdbeben in Ecuador: Suche unter Trümmern

Nach dem Erdbeben geht die Suche nach Vermissten weiter. Mehr als 350 Menschen sind tot. Frühwarnsysteme können helfen, Schäden durch solche Naturereignisse zu verringern.

Die schlimmste Katastrophe seit Jahrzehnten nennt Präsident Rafael Correa das Erdbeben, das am Sonnabend Ecuador erschütterte. 350 Tote haben Rettungskräfte bisher geborgen, mindestens 2068 Menschen sind den Angaben zufolge verletzt. „Ich fürchte, die Zahl wird noch steigen, weil wir weiterhin Trümmer beseitigen“, sagte Correa nach einem Besuch des Katastrophengebiets im Westen des Landes. Hunderte gelten noch als vermisst. Medienberichten zufolge suchen viele Menschen in den eingestürzten Gebäuden nach Angehörigen.

In Portoviejo nutzten mehr als 100 Häftlinge die Lage, um aus dem beschädigten Gefängnis zu fliehen, wie Justizministerin Ledy Zuñiga im Kurznachrichtendienst Twitter schrieb. Etwa 30 seien wieder gefasst worden, andere freiwillig zurückgekehrt. Tausende Sicherheitskräfte waren in den Stunden nach dem Unglück in das Katastrophengebiet entsendet worden, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten.

EU stellt eine Million Euro Soforthilfe bereit

Das Erdbeben der Stärke 7,8 hatte sich an der Pazifikküste ereignet. Die Erschütterungen waren bis in die Hauptstadt Quito im Landesinneren zu spüren. Die größten Schäden werden aus den Küstenprovinzen Esmeraldas und Manabí gemeldet. Rund 370 Gebäude sollen zerstört worden sein, teilt der Katastrophenschutz mit. Mexiko, Venezuela und Kolumbien schickten Helfer in das Katastrophengebiet. Die EU stellte eine Million Euro Soforthilfe bereit, teilte der Kommissar für Humanitäre Hilfe, Christos Stylianides, in Brüssel mit.

Mit Beben ist in vielen Regionen der Erde zu rechnen, insbesondere an den Rändern des Pazifiks. Das ist den Anwohnern und Behörden bewusst – und doch werden sie von den Erschütterungen überrascht. Anders als bei Vulkanausbrüchen gibt es keine zuverlässigen Vorboten. Eine Erdbebenvorhersage nach dem Vorbild einer Wetterprognose ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht möglich. Geoforscher konzentrieren sich deshalb auf Frühwarnsysteme. Damit kann immerhin einige Sekunden vor dem Eintreffen der zerstörerischen Bodenschwingungen Alarm ausgelöst werden. Genug Zeit, um Gasleitungen abzusperren, Züge zu stoppen oder Chirurgen aufzufordern, das Skalpell wegzulegen.

Frühwarnsysteme existieren bisher nur in Japan, Mexiko und Taiwan

Der Zeitvorsprung gelingt, weil es zwei Arten von Erdbebenwellen gibt, die durch den Untergrund jagen: Primär- und Sekundär-Wellen, wobei letztere ein bisschen langsamer sind, aber weitaus größere Schäden anrichten. Erfasst ein Netz seismischer Messgeräte eine P-Welle, kann es Ort sowie ungefähre Stärke des Erdbebens bestimmen – und warnen, bevor die S-Wellen ankommen. Je weiter beispielsweise eine Metropole von dem Bebenzentrum entfernt ist, umso mehr Zeit bleibt für die Warnung. Solche Frühwarnsysteme existieren bisher nur in Japan, Mexiko und Taiwan. In Italien, Rumänien, Israel und Spanien werden sie aktuell vorbereitet, ebenso in Kalifornien. Dort sollen Einwohner einen Alarm auf den Computer oder ihr Handy bekommen, der ihnen mitteilt, wo sich ein Erdbeben ereignet hat und wie viel Zeit bleibt, bis die zerstörerischen S-Wellen eintreffen werden.

Zusätzlich zu den rund 400 Messstationen wollen die kalifornischen Seismologen auch tausende Smartphones der Einwohner nutzen. In den Geräten sind Beschleunigungssensoren eingebaut, die man etwa für Computerspiele nutzen kann. Die Forscher der Universität Berkeley haben eine App namens „MyShake“ programmiert, die es angeblich schafft, in den Beschleunigungsdaten P-Wellen zu identifizieren, und dann das Ergebnis an den Zentralrechner meldet. Bereits mehr als 100 000 Leute haben die App schon heruntergeladen.

Qualität der Warnungen soll verbessert werden

„Ein interessanter Ansatz“, sagt Stefano Parolai, Experte für Frühwarnsysteme am Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam, über die Arbeit der Kollegen. Die Qualität der Daten sei bei einem Smartphone zwar schlechter als bei einem Seismometer. Aber durch die schiere Menge der Telefonmessungen könnte man mittels Statistik vernünftige Informationen erhalten, um die Daten der professionellen Messungen zu ergänzen. „Ob das funktioniert, wird die Zukunft zeigen, wenn es in Kalifornien tatsächlich stärkere Erdbeben gibt.“

Parolai verfolgt eine andere Strategie: Einerseits würden die professionellen Sensoren immer billiger, sodass  die Forscher ein dichteres Netz aufbauen können, was allein physikalisch die Warnzeit erhöht, weil Erdbeben schneller „entdeckt“ werden. Zum anderen soll die Qualität der Warnungen verbessert werden. „Früher schaute man lediglich, wo ein Erdbeben stattfindet und welche Stärke es hat“, sagt der Geoforscher. „Wir arbeiten mit Ingenieuren zusammen, um abzuschätzen, mit welchen Schäden konkret zu rechnen ist, denn das ist die entscheidende Information.“ Bei moderaten Erschütterungen sei es beispielsweise nicht nötig, sämtliche Industrieanlagen sofort abzuschalten.

Bis eine solche Alarmierung in verschiedenen Abstufungen verfügbar ist, wird es aber noch einige Zeit dauern. Wie auch die bisherigen Frühwarnsysteme funktioniert sie nur, wenn das Erdbeben mindestens 30 Kilometer entfernt beginnt - besser noch weiter weg. Befindet sich der Bebenherd in unmittelbarer Nähe, ist der Zeitunterschied zwischen den beiden Erdbebenwellen zu gering, um im Ernstfall etwas ausrichten zu können. (mit dpa/KNA)

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