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Nach Elitewettbewerb: Was Berliner Unis jetzt brauchen

Wenn Berlin Mut zeigt, kann es zu einem der wichtigsten Forschungsstandorte der Welt werden. Dafür braucht es eine gemeinsame Tochteruniversität. Ein Gastbeitrag des Berliner Bildungssenators Jürgen Zöllner.

Im Juni hat Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) einen großen Masterplan mit zusätzlichen Millionen für die Berliner Hochschulen angekündigt. Teil dieses Masterplans ist auch die Gründung einer gemeinsamen Tochterinstitution der Universitäten und der großen außeruniversitären Institute, in der die exzellenten Bereiche der gesamten Berliner Wissenschaft als Einheit identifizierbar sein sollen. Berlins Universitäten lehnen die unter dem Namen „Superuni“ bekannt gewordene Einrichtung ab, wie Dieter Lenzen, Präsident der gerade zur Eliteuni gewählten Freien Universität, jetzt klargestellt hat (Tagesspiegel vom 21. Oktober). An dieser Stelle erklärt nun der Wissenschaftssenator, warum Berlin das neue Institut unbedingt braucht.

Die zweite Runde der Exzellenzinitiative ist zu einem überragender Erfolg für Berlin geworden. Mit vier zusätzlichen Graduiertenschulen, vier zusätzlichen Exzellenzclustern und der Förderung des Konzeptes für die zukünftige Entwicklungsstrategie der Freien Universität ist Berlin der große Gewinner. Etwa 15 Prozent der in dieser Runde vergebenen Mittel gehen nach Berlin. Damit zählt das Land absolut zu den erfolgreichsten Ländern, bezogen auf die Größe ist es sogar die Spitze. Was in der entscheidenden Sitzung des Bewilligungsausschusses erreicht wurde, ist auch die gebührende Anerkennung für die Arbeit aller beteiligten Wissenschaftler aus allen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gleichermaßen.

"Wissen schafft Berlins Zukunft“

Dies ist ein Grund zur Freude. Die Voraussetzungen für Forschung und auch Lehre in allen Bereichen werden sich spürbar verbessern. Die Attraktivität des Wissenschaftsstandortes und damit von Berlin insgesamt nimmt spürbar zu. Vor allem der Imagegewinn der Freien Universität darf nicht zu gering eingeschätzt werden. Ein Blick auf die erfolgreichen Universitäten der ersten Runde zeigt eindrucksvoll den „geldwerten“ Vorteil innerhalb der Wissenschaftsgemeinde und der Wirtschaft. Nun kommt darüber hinaus Berlin zum Beispiel auf die Liste der interessanten Kooperationspartner des chinesischen Wissenschaftsministers.

Können wir uns jetzt erst einmal auf unseren Lorbeeren ausruhen, oder ist dies erst recht ein Signal zum Aufbruch?Ich meine ohne Wenn und Aber: Dieses Momentum muss entschlossen genutzt werden! Diese zweite und vorerst letzte Runde darf nicht das Ende der systematischen Exzellenzförderung bedeuten.

Mit dem Masterplan "Wissen schafft Berlins Zukunft“ hat der Senat die zwei entscheidenden Bereiche Ausbildung und Forschung entschlossen in Angriff genommen.

Hauptaugenmerke

Wir benötigen eine breite Basis hochqualifizierter junger Menschen, um die Ergebnisse der Wissenschaft für die Gesellschaft nutzbar zu machen. Deshalb enthält der erste Teil des Masterplans – die Ausbildungsoffensive – einen Maßnahmenkatalog für den quantitativen, aber auch qualitativen Ausbau von Studienchancen. Mit mehr als 50 Millionen Euro zusätzlich bis 2011 werden wir die Zahl der Studienplätze um mehr als zehn Prozent erhöhen und die Qualität der Ausbildung verbessern.

Mit dem zweiten Teil des Masterplans – der Forschungsoffensive – fördern wir die Spitzenforschung. Der Erfolg in der Exzellenzinitiative löst diese Aufgabe nicht, er erleichtert sie nur: Gleichzeitig macht der Erfolg zusätzliche notwendige Handlungsfelder wie in einem Brennglas sichtbar. So müssen wir, unabhängig von den Wechselfällen der Politik, verlässliche und nachhaltige strukturelle und finanzielle Rahmenbedingungen schaffen, die Wissenschaft auf internationalem Spitzenniveau ermöglichen. Das Augenmerk richtet sich dabei insbesondere auf Vorhaben, die

1. bei der Exzellenzinitiative erfolgreich waren,

2. knapp gescheitert sind, aber dennoch über Exzellenzpotenzial verfügen,

3. etwa aufgrund der zu geringen Größe der Arbeitsbereiche bei der Exzellenzinitiative nicht antragsberechtigt waren und

4. von weniger etablierten, aber zukunftsträchtigen Wissenschaftlern bearbeitet werden.

Lösungsvorschläge müssen dabei den grundlegenden drei Herausforderungen gerecht werden, vor denen die Wissenschaftslandschaft überall in Deutschland derzeit steht:

1. Die nachhaltige Förderung der Wissenschaft muss sowohl in der Breite als auch auf Spitzenniveau erfolgen. Das erfordert jeweils spezifische finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen.

Lehre, Forschung, Weiterbildung und Wissenstransfer sind die zentralen Tätigkeitsbereiche des Wissenschaftssystems. Den spezifischen Anforderungen dieser Bereiche in derselben Institution sowohl für den quantitativen Ausbau als auch bei der gezielten Spitzenförderung Rechnung zu tragen, ist im Alltag schwer realisierbar.

So ist der Ausbau von Studienplätzen, wie er auch im Hochschulpakt vereinbart wurde, wichtig, weil gut ausgebildete Fachkräfte das Fundament jeder Wissensgesellschaft darstellen. Parallel dazu müssen jedoch – durch eine neue Organisationsform – die finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen für eine systematische Nachwuchsförderung auf höchstem Niveau geschaffen werden. Ausgewählte Studierende sollen nach einem ersten Studienabschluss im Rahmen einer strukturierten Nachwuchsqualifizierung unter erstklassigen Bedingungen gezielt gefördert werden. Auch bei Berufungen von hochkarätigen Wissenschaftlern sind Universitäten und Forschungseinrichtungen aufgrund finanzieller oder systembedingter Engpässe oftmals in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Sowohl bei der Festsetzung der Grundausstattung und der persönlichen Bezüge als auch im Hinblick auf die Zügigkeit von Berufungsverfahren bedarf es mehr Flexibilität, als es die auf breiten Konsens ausgerichteten Strukturen den Universitäten bisher erlauben.

2. Um wissenschaftliche Schwerpunkte zu ermöglichen, muss eine institutionenübergreifende Bündelung der herausragenden Bereiche der Forschungslandschaft vorgenommen werden.

Die Zusammenarbeit zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstituten hat ohne Zweifel stark zugenommen. Häufig aber ist sie von Einzelprojekten oder persönlichen Konstellationen abhängig. Durch eine Institutionalisierung der Zusammenarbeit muss die Versäulung der Wissenschaft überwunden werden, ohne dass die universitären und außeruniversitären Einrichtungen ihre Alleinstellungsmerkmale verlieren. Verbindliche Kooperationsstrukturen, nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre und beim Wissenstransfer, sind die Voraussetzung für inhaltlich abgestimmte, langfristige Schwerpunktsetzungen. Nur auf diese Weise gelingt es, unter Beteiligung aller relevanten Wissenschaftsvertreter ein überzeugendes Profil zu entwickeln. Das erhöht die Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb und erleichtert die Rekrutierung der weltweit besten (Nachwuchs-)Wissenschaftler.

3. Aus internationaler Kooperation muss eine internationale Institution werden.

Zwar existieren problembezogene Kooperationsvorhaben zwischen einzelnen Wissenschaftlern sowie Austausch- und Gastprofessurprogramme. Die deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen selbst sind jedoch aus sich heraus zu wenig international. Durch die Globalisierung ist unsere Gesellschaft jedoch mit Herausforderungen konfrontiert, denen wir allein auf nationaler Ebene nicht begegnen können, wie in Umweltschutz, Gesundheit, Verkehr oder in der Beschäftigungspolitik.

Deshalb nimmt die Bedeutung internationaler Organisationen zu. Um auch in der Wissenschaft einen adäquaten Umgang mit globalen Herausforderungen zu ermöglichen, muss sie in ihrer internationalen Handlungsfähigkeit gestärkt werden. Internationale Kooperation muss daher über projektgebundene Zusammenarbeit hinausgehen und in einer internationalen Einrichtung neuen Typs verankert werden, in der die Wissenschaftler weiterhin gleichzeitig in ihren Heimatinstitutionen tätig bleiben.

Kann man alle diese Aspekte unter einen Hut bringen? Ich meine: ja, man muss es sogar. Dazu müssen Politik und Wissenschaft aber bereit sein, das Neue zu denken und zu tun. Der Wissenschaft sollte dies ja nicht fremd sein. In Bezug auf ihre eigenen Organisationsformen sollte sie es auch wagen. Die Politik braucht die Kraft, loszulassen – und könnte dabei „Politik machen“. Dies zu verwirklichen, ist nicht nur im Interesse der Wissenschaft. Weil Innovation das Fundament für unser aller Zukunft ist, geht es um unser aller Interesse.

Für eine gemeinsame Tochtereinrichtung aller Universitäten

Eine gemeinsame Tochtereinrichtung aller Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ohne staatliche Reglementierung könnte dies leisten. Eine Einrichtung, in der die besten Wissenschaftler Berlins zusammen mit den Topwissenschaftlern der Welt in umschriebenen Wissenschaftsfeldern mit gleichen Rechten und Pflichten zum Beispiel in Nebentätigkeit (was sie jetzt schon tun, ohne ihren „Mutterinstitutionen“ verloren zu gehen) in einem Paket Nachwuchsförderung, Forschung und Wissenstransfer auf Spitzenniveau anbieten.

Diese Einrichtung wäre weit mehr als die Summe der Einzelteile, sowohl in ihrer Leistungsfähigkeit als auch in ihrer Ausstrahlung. Ich werde einen konkreten Vorschlag dazu vorlegen. Wenn wir darüber diskutieren, müssen wir unser langfristiges Ziel im Auge behalten. Wir wollen die Bundeshauptstadt zu einem der wichtigsten Forschungsstandorte der Welt machen, sowohl für etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Das wird der Status quo allein nicht leisten können – auch unter Berücksichtung der Exzellenzinitiative. Das wird gelingen, wenn wir den Mut haben für die entscheidenden Weichenstellungen im Wissenschaftssystem.

Jürgen Zöllner (62), ist Wissenschaftssenator in Berlin. Der Regierende Bürgermeister holte den Bildungsexperten aus Rheinland-Pfalz

Jürgen Zöllner

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