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Ein Porträtfoto von John Nash.

© dpa

Nach Unfalltod des Mathematikers: John Nash - ein genialer Geist

Weltberühmt wurde der US-amerikanische Mathematiker und Nobelpreisträger John Nash 2001 durch den Hollywoodfilm "A Beautiful Mind". Jetzt starb er 86-jährig gemeinsam mit seiner Frau bei einem Autounfall.

Er war ein genialer Denker, der mathematische Probleme in einer Tiefe durchdrungen hat, wie nur wenige vor und nach ihm. Das machte ihn unter Fachkollegen berühmt. Weltweite Aufmerksamkeit und Anteilnahme erfuhr er jedoch, als sein Leben durch den Film „A Beatiful Mind“ 2001 einem großen Publikum bekannt wurde. John Nash, gespielt von Russell Crowe, der begnadete Mathematiker, der im Alter von 30 Jahren an Schizophrenie erkrankt, sich in wirrem Gemurmel und unverständlichen Formeln verliert. Der mehrfach in psychiatrische Kliniken eingewiesen wird, mit schockierenden Therapien behandelt wird – und schließlich die vermeintlichen Verfolgungen überwindet.

Es ist ein tief gezeichneter Mensch, der 1994 der Wirtschaftsnobelpreis bekommt, weiter an mathematischen Problemen arbeitete, gelegentlich Vorträge hielt. Am Sonnabend ist Nash, 86, bei einem Autounfall in New Jersey gestorben. Ebenso wie seine Frau Alicia Lardé, 82, die fast ein ganzes Leben mit ihm verbracht hatte.

Er solle mehr lernen, riet ihm Einstein

John Forbes Nash Jr. wird in 1928 in Bluefield, West Virginia, geboren. Nach der Schule wollte er zunächst Elektroingenieur werden wie sein Vater. Doch er schrieb sich in Chemie ein, wechselte bald zur Mathematik. Sein Professor am Carnegie-Institute in Pittsburgh empfahl ihn an die renommierte Princeton-Universität mit folgendem Schreiben: „Dieser Mann ist ein mathematisches Genie“.

1948 traf Nash dort ein – eine Welt für sich. Giganten der Wissenschaft wie Albert Einstein und John von Neumann nahmen im Mathe-Institut ihren Nachmittagstee ein. Eine Begegnung mit Einstein, verlief jedoch enttäuschend. Er solle mehr lernen, riet ihm der Alte. Das passte dem jungen Nash nicht. Er wusste, dass er originell war, geniale Einfälle hatte und galt unter Kommilitonen als arrogant und extrem ehrgeizig. Überhaupt war er eher ein Eigenbrötler, in sich gekehrt und ganze Kompositionen Bachs vor sich hin pfeifend.

Doktorarbeit zur Spieltheorie mit 21 Jahren

Nash arbeitete an einer Erweiterung der Spieltheorie, die maßgeblich von John von Neumann in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt worden war. Dabei geht es um Verhalten und Strategien von Spielern, etwa beim Poker. Die Pioniere der Theorie kamen nur bis zu Null-Summen-Spielen, bei denen des einen Gewinn des anderen Verlust ist. Aber die Realität ist komplexer, mit mehreren Konkurrenten und Spielverläufen, bei denen alle gewinnen oder verlieren können. Nash gelang es, das mathematisch zu beschreiben, wobei er das grundlegende Werk bereits mit seiner Doktorarbeit im Alter von 21 Jahren ablieferte. Die Ergebnisse werden längst in den verschiedensten Disziplinen genutzt, von der Ökonomie über Annahmen zum Wählerverhalten bis zur Evolutionsbiologie. Zudem arbeitete er auf anderen Gebieten der Mathematik, etwa der Differenzialgeometrie.

Wie ein Phantom wandelt Nash über den Campus in Princeton

Drei Jahre später bringt die Krankenschwester Eleanor Stier das gemeinsame Kind John David Stier auf die Welt. Heiraten will er sie nicht. Er soll zudem einige Beziehungen mit Männern gehabt haben.

1957 heiratet Nash die Physikerin Alicia Lardé. Zwei Jahre später, sie ist schwanger mit dem ersten und einzigen gemeinsamen Kind, John, gerät sein Leben außer Kontrolle. Er grübelt über Gebühr, was andere von ihm denken mögen, sieht immer mehr Menschen mit einer roten Fliege, was mit einer kommunistischen Untergrundorganisation zusammen hängen müsse, erzählte er im Tagesspiegel-Interview. Die Paranoia übernimmt die Herrschaft über Nash und seine Familie. Längere Klinikaufenthalte folgen. Die Ärzte verabreichen ihm hohe Dosen Insulin – ein Verfahren, das mittlerweile nicht mehr eingesetzt wird.

Bald darauf lässt sich Alicia scheiden. Doch sie bleibt an seiner Seite, lässt ihn 1970 bei sich einziehen, 2001 heiraten sie ein zweites Mal.

Wie ein Phantom wandelt Nash all die Jahre über den Campus in Princeton. Bekritzelt die Tafeln, auf denen er einst seine genialen Ideen skizzierte, mit wirren Formeln. Er verdankt es alten Weggefährten, dass man ihn nicht hinauswirft, sondern machen lässt.

Die Stimmen in seinem Kopf wurden schwächer

Er verzichtete soweit es ging auf Medikamente. Im Lauf der Jahre kehrte er zu sich zurück. Die Stimmen in seinem Kopf wurden schwächer, sagte er später.

Kann man ihn öffentlich auftreten lassen? Bevor er 1994 den Wirtschaftsnobelpreis erhält, wird sein Zustand genau überprüft. Den üblichen Fachvortrag hält er nicht.

Die Happy-End-Bilder des Kinofilms, in denen einer scheinbar alle Härten der Krankheit überwunden hat, passen nicht zur Wirklichkeit. Bei einem Besuch in Berlin vor fünf Jahren war Nash als tief von den Geschehnissen Gezeichneter zu erleben. Anerkennung mischte sich mit Mitleid und Demut. Er machte nicht den Eindruck, dass ihm das Halten seines Vortrags und all die Aufgeregtheit um ihn herum Freude machten.

Am 19. Mai erhielt Nash zusammen mit Louis Nirenberg in Oslo den Abelpreis. Auf der Rückreise von einem New Yorker Flughafen, heim zum Haus in Princeton, verliert am Sonnabend der Fahrer des Taxis die Kontrolle über das Auto. Die Eheleute, wahrscheinlich nicht angeschnallt, werden aus dem Fahrzeug geschleudert. Der Fahrer wird per Helikopter ins Krankenhaus gebracht. John Nash und Alicia Lardé sterben am Unfallort.

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