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Ganz so viele Muskeln hat Arnold Schwarzenegger inzwischen nicht mehr. Denn Muskeln schwinden nicht nur im Zuge von Erkrankungen wie Muskeldystrophie sondern auch beim Altern. Neue Therapien könnten dem Muskelschwund entgegenwirken.

© picture alliance / dpa (Robert Mapplethorpe)

Nachwachsende Muskel: Neue Stiftung hilft Forschern am MDC

Nobelpreisträger Hans Krebs musste aus Nazideutschland fliehen. Seine Schwester gründet jetzt in Berlin eine Stiftung, die Forschung an neuen Therapieansätzen gegen Muskelschwund fördert.

An Hans Krebs kommt kein Biologe vorbei. Ob schon in der Schule oder erst im Studium, irgendwann lernt jeder die biochemischen Prozesse auswendig, mit denen Zellen aus Zucker Energie gewinnen, damit Muskeln oder Nervenzellen arbeiten können. Die Geschichte hinter der Entschlüsselung dieses grundlegenden und universellen Stoffwechselweges, des Citratzyklus, wird hingegen nur selten erzählt. Es ist die Geschichte eines genialen Wissenschaftlers, dessen biochemische Pionierarbeit mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, der aber wie so viele Forscher 1933 vor den Nationalsozialisten nach Großbritannien fliehen musste. „Die Nazis haben mich zum Juden gemacht“, soll Krebs im Exil in Oxford gesagt haben. Die Familie Krebs wurde zerrissen – und ist nun, 86 Jahre später, trotzdem wieder in Berlin zusammengekommen, um erneut Pionierarbeit zu leisten: Die Halbschwester des Nobelpreisträgers, Gisela Krebs (84), stellt dem Max-Delbrück-Centrum in Buch 600 000 Euro für die Erforschung neuer Therapieansätze gegen Muskelerkrankungen zur Verfügung – die erste private Stiftung des MDC.

Haus verkauft, Stiftung gegründet

„Ich habe vor ein paar Jahren in den Papieren meines Vaters einen Kaufvertrag aus dem Jahr 1900 für unser Haus in Hildesheim gefunden“, sagt Gisela Krebs. Ihr Vater Georg Krebs, ein Arzt, habe das „Zingelhaus“ damals erworben, weil er eine größere Praxis brauchte und das zweite Kind erwartet wurde: Hans Krebs. „Das Haus habe ich verkauft, und das ist jetzt das Stammkapital der Stiftung.“

Warum das Geld, das nach den Statuten einer Verbrauchsstiftung binnen zehn Jahren ausgegeben werden muss, ausgerechnet den Berliner Forschern zugutekommen soll, habe zwei Gründe, sagt Krebs. Zum einen habe ihr Bruder in Berlin studiert, an der Charité zu forschen begonnen und schließlich die für den Nobelpreis entscheidende Zellforschung am Dahlemer Kaiser-Wilhelm-Institut für Zellphysiologie durchgeführt. Zum anderen bestehe mit der Muskelforschungsgruppe von Simone Spuler am MDC eine persönliche Beziehung. „Ich bin mit ihrer Mutter befreundet, seit wir uns 1955 im Studentenheim in Köln kennenlernten“, sagt Krebs, die Ökonomie studiert hat.

Mit Satellitenzellen Muskeln regenerieren

Spuler forscht an Satellitenzellen – Stammzellen, die an der Peripherie von Muskelfasern sitzen. Obwohl sie sehr selten sind, sind sie die treibende Kraft für die Regeneration von Muskelzellen. „Seit 2011 ist bekannt, dass ein Muskel sich ohne Satellitenzellen nicht regenerieren kann“, sagt Spuler. Gemeinsam mit der Stammzellforscherin Carmen Birchmeier, ebenfalls vom MDC, entwickelte Spuler Methoden, um Satellitenzellen im Labor zu vermehren. „Die Idee ist, mit der Transplantation der Satellitenzellen Muskelschwund entgegenzuwirken.“ Rund 50 solche Erkrankungen kennen Ärzte, fast jede ausgelöst durch einen anderen Gendefekt. „Eine Zelltherapie gegen Muskeldystrophie steht nicht unmittelbar vor der Tür“, betont Spuler. „Aber wir wollen dem einen wichtigen Schritt näherkommen.“

Anne-Karolin Ebert, Urologin an der Uniklinik Ulm, spielt mit dem Gedanken, Kindern mit Missbildungen des Schließmuskels der Blase mit den gezüchteten Satellitenzellen zu helfen. „Dazu bräuchte man nicht so viele Zellen, weil der Schließmuskel recht klein ist“, sagt Ebert. Mehr als ein Gedankenspiel sei das aber noch nicht. Außerdem werden pro Jahr nur etwa sieben Jungs mit dem Defekt geboren. Für solche Projekte, die den Brückenschlag zwischen Grundlagenforschung und Klinik versuchen, könnte das Geld aus der Stiftung helfen. „Damit können wir jedes Jahr eine zusätzliche Stelle finanzieren“, sagt Spuler.

Familientreffen in Buch

Vergangene Woche weihten drei Generationen der Krebs-Familie die „Stiftung Gisela Krebs“ mit einem Symposium ein. Die Stammzellforscherin Sally Lowell von der Universität Edinburgh, eine Enkelin von Hans Krebs. Und Lord John Krebs, Sohn des Nobelpreisträgers, Zoologe an der Universität Oxford und Mitglied im House of Lords. Der in England prominente Forscher hat selbst gerade erst eine Stiftung gegründet. „Die Goldmedaille, die mein Vater bei der Nobelpreisverleihung bekommen hat, lag bei uns zu Hause all die Jahre nur herum“, sagte der Zoologe. Mit dem Erlös der Münze richtete er eine Stiftung ein, die Forschern hilft, die aus Krisengebieten nach Großbritannien flüchten mussten – wie einst Hans Krebs.

Hans Adolf Krebs
Hans Adolf Krebs

© nobel.se

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