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Nachwuchsforscher: Lockruf aus Übersee

Schöne Heimat: Forscher verdienen in den USA doppelt so viel wie in Deutschland. In San Francisco versuchen deutsche Wissenschaftsmanager, junge Forscher zur Rückkehr zu überreden.

Der Berliner Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner hat gute Neuigkeiten aus der Heimat mitgebracht. „In den nächsten drei bis fünf Jahren werden an den deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten 10 000 neue Stellen für Wissenschaftler geschaffen“, sagt er.

Ort des Geschehens: Die Universität von Kalifornien, Campus San Francisco, Konferenzzentrum Mission Bay. Zöllner, Vorsitzender der Kultusministerkonferenz, ist zusammen mit Wissenschaftsmanagern, Professoren und Politikern in die USA gekommen. Sie besuchen „Gain“, die Jahrestagung der deutschen Wissenschaftler in Nordamerika. „Gain“ ist eine Initiative des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, der Deutscher Forschungsgemeinschaft und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung.

Dieses Jahr nehmen 230 Forscher teil, meist „Postdocs“, die also bereits einen Doktortitel haben. Sie leiten eine Forschergruppe, sind aber noch nicht Professor und absolvieren einen Gastaufenthalt in Amerika. Eine heiß umworbene Klientel – jung, geistig beweglich, hoch qualifiziert. Etliche von ihnen forschen an Spitzenhochschulen wie Stanford oder der Universität von Kalifornien. „Die Chancen in Deutschland sind so gut wie noch nie“, sagt Dieter Rombach, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software-Engineering in Kaiserslautern. „Es gibt einen Mangel an Nachwuchswissenschaftlern.“

So ähnlich sagen es seine Kollegen, und immer wieder fallen die gleichen Stichworte. Da ist an erster Stelle die Exzellenzinitiative, mit der bis zum Jahr 2011 rund 1,9 Milliarden Euro in die Spitzenforschung an den Hochschulen investiert werden. Die Hochschulen sollen freier werden, ihr eigenes Profil schärfen, sich dem Wettbewerb stellen.

Dann ist da der Hochschulpakt, durch den noch mehr Geld in die Hochschulen strömen wird als durch die Exzellenzinitiative. Und es gibt eine wachsende Bereitschaft an deutschen Hochschulen, herausragenden Wissenschaftlern einen Zeitvertrag zu geben, der in einer Festanstellung – und meist einem Professorentitel – münden kann. Bedarf schafft auch der Generationswechsel. Bis 2014 wird jeder zweite Professor in Rente gehen.

„Ich habe noch nie eine so große Bereitschaft gespürt, auf die Wünsche der Wissenschaftler einzugehen“, erklärt Zöllner. Den jungen Forschern werden auf der Tagung Karrierewege und eine Leistungsschau der deutschen Wissenschaft präsentiert, von den Hochschulen bis zur Forschung in der Wirtschaft. Software-Ingenieur Rombach wirbt für den Mut zum Risiko. „Wenn Sie alles unter Kontrolle haben, fahren Sie einfach nicht schnell genug“, zitiert er den Rennfahrer Stirling Moss.

Ihren Weltruf verdanken amerikanische Elite-Universitäten vor allem der großen Anziehungskraft für Spitzenforscher. „Trotzdem braucht sich ein promovierter Physiker aus Deutschland an einer amerikanischen Eliteuni nicht zu verstecken“, sagt Daniel Wegner. Der Physiker arbeitet nach Stationen in Oldenburg und Berlin nun in Berkeley, einem Campus der Universität von Kalifornien. „Meine ehemalige Forschergruppe an der Freien Universität Berlin ist besser als manche in Stanford“, sagt er. Stanford, muss man wissen, konkurriert mit Berkeley.

Verlockend ist auch die materielle Ausstattung. Forscher verdienen in den USA etwa doppelt so viel wie in Deutschland. Und der Tagungsort an der Mission Bay hat Symbolcharakter. Das von indianischer Architektur inspirierte Konferenzzentrum ist Teil eines riesigen Campus für Biomedizin, der gerade mit Hilfe von Sponsoren entsteht. Rund 1,5 Milliarden Dollar soll das Gesamtvorhaben am Ende kosten. Während in deutschen Unis der Putz von den Wänden rieselt, stampfen die Amerikaner neue Wissenswelten aus dem Boden.

Trotzdem ist für die meisten deutschen Nachwuchswissenschaftler klar, dass sie früher oder später zurückgehen werden. Der Grund dafür ist ganz altmodisch. Die USA sind ein wichtiger Karrierebaustein. Aber Deutschland ist die Heimat. So sieht es auch Falk Warnecke, 35. Der Biologe ist seit zweieinhalb Jahren am Joint Genome Institute im kalifornischen Walnut Creek und arbeitet daran, Energie mit Hilfe von Bakterien zu gewinnen.

„So ein Institut wie das, an dem ich arbeite, gibt es in ganz Europa nicht“, sagt er. „Aber Deutschland ist mein Zuhause, da habe ich auch eine gewisse Verpflichtung. Sobald ich ein gutes Angebot habe, gehe ich zurück.“ Das könnte bald kommen, denn Warnecke hat vor kurzem eine Studie im Fachblatt „Nature“ untergebracht, der besten Adresse für Naturwissenschaftler – genau zur richtigen Zeit für den nächsten Karriereschritt.

„Viele meiner Kollegen haben den Eindruck, es ändert sich etwas in Deutschland zum Guten“, sagt Warnecke. Und so bleiben die kritischen Stimmen bei der Tagung in San Francisco eher im Hintergrund. Die jungen Wissenschaftler applaudieren am Ende der deutschen Delegation. Auch wenn ein Rest Skepsis bleibt. „Ich hoffe, das ist keine Luftblase“, sagt der Neurowissenschaftler Gregor Lotz von der Universität von Kalifornien.

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