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Möbius

© Museum für Naturkunde

Naturkundemuseum: Vorreiter der Ökologie

Vor 100 Jahren starb der Zoologe Karl Möbius. Er gehörte zu den wichtigsten und einflussreichsten Zoologen des 19. Jahrhunderts. Mit Ernst Haeckel gilt Möbius als Begründer der Ökologie.

Ob er denn gemeinsam mit seinen Kuratoren all diese Austern selbst verzehrt hätte, soll Wilhelm II. anlässlich der Besichtigung des neu eröffneten Berliner Naturkundemuseums 1889 den Direktor Karl August Möbius gefragt haben. Der hatte, als Spezialist und als einer der Begründer der Meeresbiologie, eine Austernbank und ein Korallenriff derart realitätsnah in der von ihm konzipierten neuen Ausstellung aufgebaut, dass des Kaisers Frage durchaus naheliegend war.

Der vor 100 Jahren gestorbene Karl August Möbius gehörte zu den wichtigsten und einflussreichsten Zoologen des 19. Jahrhunderts. Neben Ernst Haeckel in Jena war Möbius nicht nur einer der Begründer der Ökologie, sondern erwies sich als begabter Kommunikator der Wissenschaft und als einer der weitblickendsten Museumsorganisatoren.

Mit dem Neubau des Museums in der Invalidenstraße realisierte Möbius die damals neue Idee, die Forschungssammlungen in den Obergeschossen von einer Ausstellung im Erdgeschoss zu trennen. Zuvor mussten die Besucher zwischen endlosen Schrankreihen mit immer wieder sehr ähnlichen Objekten wandeln, wo auch die Kuratoren arbeiteten.

Unmittelbar im Zusammenhang mit Möbius' Tätigkeit als Museumsdirektor steht auch sein Versuch, den Umfang der biologischen Vielfalt zu ermitteln. Möbius war einer der ersten nach Carl von Linné, der die Frage nach Umfang und Erfassungsgrad der biologischen Vielfalt stellte und zu beantworten versuchte, der wir heute unter dem Schlagwort „Biodiversität“ große Bedeutung beimessen.

Nachdem die an der Berliner Universität zusammengetragenen und im Hauptgebäude überquellenden naturkundlichen Sammlungen im neuen Museumsbau in der Invalidenstraße aufgestellt waren, gelang es Möbius, sich über den Umfang der zoologischen Schätze einen Überblick zu verschaffen. Auf dieser Grundlage bezifferte er die Zahl der von mehr als 200 000 Tierarten vorhandenen Exemplare mit knapp 1,8 Millionen.

Daraus leitete Möbius ab, dass es mehr als doppelt so viele existierende Arten geben müsste. Wenn man diese Zahlen aus dem Berliner Museum hochrechnet, so decken sie sich interessanterweise mit der aktuellsten konservativen Schätzung zur Biodiversität, die von sechs Millionen Tierarten weltweit ausgeht. Sein früher Versuch einer Gesamtschau der Artenvielfalt war Möbius möglich, weil er sich ebenfalls als einer der ersten mit dem Begriff der Art in der Natur auseinandersetzte und dieses Art-Konzept im Licht der von Charles Darwin entwickelten Abstammungslehre diskutierte. Noch lange blieb umstritten, ob Arten willkürliche Abstraktionen oder tatsächlich Einheiten der Evolution sind.

Möbius war am 7. Februar 1825 in Eilenburg in Sachsen als Sohn eines Kutschenbauers in vergleichsweise einfachen Verhältnissen geboren worden und wurde zuerst Grundschullehrer in Seesen im Harz. Schon bald drängte es ihn nach einer Universitätsausbildung, für die er sich 1849 in Berlin einschrieb. 1853 ging Möbius als Oberlehrer für Mathematik und Naturkunde an die renommierte Gelehrten- und Realschule Johanneum nach Hamburg. Mit Helene Pauline Meyer, die er dort 1855 heiratete, hatte er drei Kinder.

Neben dem Unterricht widmete sich Möbius den beiden naturkundlichen Vereinigungen der Hansestadt und dem Aufbau eines Zoos und des ersten Seewasser-Aquariums. Zugleich bemühte er sich um die Popularisierung naturkundlicher Themen durch Zeitungsberichte und Vorträge.

Gemeinsam mit dem wohlhabenden Autodidakten Heinrich Adolph Meyer erforschte Möbius seit 1859 die Meeresfauna in der Kieler Förde. Von Meyers Segelyacht „Marie“ aus beobachteten, fingen und untersuchten sie bald mehr Arten als in der gesamten Ostsee bis dahin bekannt waren. In ihrem Werk über die „Fauna der Kieler Bucht“ beschrieb Möbius 1865 das Interagieren von Organismen mit ihrer Umwelt und nahm damit, ein Jahr bevor Haeckel den Begriff „Ökologie“ prägte, dessen Forschung vorweg.

Nachdem Möbius 1868 als Ordinarius für Zoologie an die Universität Kiel berufen worden war, studierte er das Zusammenleben von Meerestieren an den Austernbänken im Atlantik und der Nordsee, aber auch an Korallenriffen im Indischen Ozean. Möbius entwickelte mit der Idee der Lebensgemeinschaft eines der grundlegenden Konzepte der Ökologie.

Als er 1887 als Museumsdirektor nach Berlin berufen wurde, krönte dies nicht nur seinen Lebensweg, sondern verschaffte auch der Naturkunde in Berlin bis zu seiner Emeritierung 1905 wesentliche Impulse. Sein Werk und sein breites Wirken beeindrucken noch heute.

Matthias Glaubrecht

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