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070917nachtflug

© dpa

Navigationssysteme: Punktlandung mit Hilfe aus dem All

Das gängige Landesystem für Flugzeuge arbeitet nicht exakt genug. Jetzt werden Anlagen mit Satellitennavigation erprobt.

Zwischen dem Wellblechflugzeug Junkers Ju 52 aus den 30er Jahren und dem Megajumbo Airbus A 380 liegen technologische Welten. Doch bei Nacht und Nebel landen beide Flugzeuge nach dem gleichen Verfahren. Erst jetzt beginnt moderne Satellitentechnologie das vor 75 Jahren entwickelte und 1952 weltweit standardisierte Instrumentenlandesystem (ILS) abzulösen. Als erste europäische Luftverkehrsgesellschaft hat Tuifly jetzt in Bremen ein neues Landesystem für den regulären Liniendienst vorgestellt. Es arbeitet mit GPS, dem satellitengestützten Navigationssystem.

Das seit Jahrzehnten eingesetzte Landesystem ILS wurde zwar ständig verbessert, blieb jedoch störanfällig. Mit Hindernissen gibt es Probleme, so dass das System gerade an kompliziert anzusteuernden, etwa im Gebirge gelegenen Flughäfen oft nicht nutzbar ist. Eine Alternative bietet GPS, dessen Potenzial frühzeitig erkannt wurde. Doch weil die Genauigkeit des primär für militärische Nutzung vorgesehenen Navigationssystems für zivile Anwendungen reduziert wird, reichte die Leistung bisher nicht für die bei Schlechtwetteranflügen geforderte Präzision.

Bei GPS wird die Position durch Messung der Laufzeit von Funksignalen zu jeweils mehreren Satelliten bestimmt. Mit einem transportablen Gerät liegt die Genauigkeit der Positionsbestimmung bei zehn bis hundert Metern. Um für Blindlandugen nutzbar zu sein, muss die Qualität weiter verbessert werden. Dafür sorgt GBAS (Ground-Based Augmentation System, zu Deutsch bodengestütztes regionales Erweiterungssystem). Hierbei ermitteln Empfangsstationen, wie stark die per GPS ermittelten Koordinaten vom tatsächlichen Standort abweichen. Diese Korrekturwerte werden alle halbe Sekunde an die Flugzeuge gesendet, die zuvor programmierten Anflugkoordinaten alle 30 Sekunden. Ein bordeigenes Gerät namens Multi Mode Receiver (MMR) verarbeitet die Daten und berechnet die aktuelle Position der Maschine zum vorgegebenen Anflugweg.

Die bereits in den 90er Jahren entwickelte Technologie steht jetzt vor der Serienreife. „Mit GBAS erreichen wir eine Genauigkeit von unter einem Meter“, so Bill Corwin, Programm-Manager bei Honeywell Aerospace. Das Unternehmen ist gemeinsam mit dem Flugzeughersteller Boeing weltweit führend bei der GBAS-Entwicklung. Zuerst wurde das System am Flughafen Sydney installiert. Die Fluggesellschaft Qantas stattete neun Boeing-Jets 737-800 mit den entsprechenden Empfängern aus. Im Probebetrieb gibt es täglich bis zu sechs Landungen

Mittlerweile hat die Deutsche Flugsicherung (DFS) eine GBAS-Anlage am Flughafen Bremen installieren lassen. Eine dort stationierte Boeing 737-800 der Tuifly erprobt das System etwa ein Jahr lang. Einen dritten Versuchsbetrieb beginnt die US-Fluggesellschaft Continental auf der Pazifikinsel Guam.

Auch Airbus hat inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt und erprobt GBAS zunächst mit einem A 320-Testflugzeug. Neben der geringeren Störanfälligkeit bietet GBAS viele weitere Vorteile. Während beim jetzigen System ILS jede Landebahn für beide Landerichtungen mit jeweils einer rund 900 000 Euro teuren Anlage ausgestattet werden musste, reicht das kaum teurere GBAS gleich für mehrere Flughäfen einer Stadt.

Bis zu 49 individuelle Anflüge lassen sich programmieren, auch schräge und gekurvte Routen sowie unterschiedliche Gleitwinkel sind möglich. Damit lassen sich Flughäfen, die bisher ohne elektronische Landehilfen auskommen mussten, sicherer machen. Denn die Mehrzahl aller Landeunfälle ereignet sich bei Nichtpräzisionsanflügen.

Bis 2010, so schätzen Experten, wird das neue System für den regulären Einsatz unter Nullsichtbedingungen zugelassen sein. Einige Jahre werden ILS und GBAS parallel betrieben werden. Zumindest so lange, bis alle älteren Maschinen, für die sich Umrüsten nicht mehr lohnt, aus dem Verkehr gezogen werden. Etwa ab 2015 könnte GBAS dann weltweit Standard sein. 

Rainer W. During

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