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Neue Medikamente gegen Hepatitis C: Der Nächste, bitte!

Die Pharmafirmen liefern sich ein Wettrennen um die besten Wirkstoffe gegen Hepatitis C. Etwa 50 Kandidaten werden derzeit getestet – manche sind riskant.

Die Haut ist übersät mit juckenden Quaddeln oder im Mund entsteht ein metallischer Geschmack, dazu Blutarmut – die häufigsten Nebenwirkungen der neuen Wirkstoffe Telaprevir und Boceprevir machen es manchem Hepatitis-C-Patienten schwer, die Therapie durchzuhalten. Die ärgsten Probleme jedoch bereitet das alte Interferon alpha, das begleitend gespritzt werden muss: grippeartige Symptome, Blutarmut und schwere Depressionen.

Damit könnte bald Schluss sein. Ende 2013 rechnen Experten mit der Zulassung der ersten interferonfreien Wirkstoffkombis. „Vor fünf Jahren hätten wir über so eine Idee noch gelacht“, sagt Stefan Zeuzem, Virologe am Uniklinikum Frankfurt und an vielen Studien beteiligt.

Telaprevir und Boceprevir werden ebenfalls durch verträglichere Tabletten abgelöst. Allein in ihrer Wirkstoffklasse sind 20 Kandidaten in der Entwicklung. Die Pharmafirmen erforschen etwa 50 Wirkstoffe gegen Hepatitis C. Sie drängen auf einen Markt, der große Gewinne verspricht, weil viele Patienten dringend bessere Medikamente brauchen. Und so investieren die Firmen Milliarden. Die kalifornische Firma Gilead übernahm für 11 Milliarden Dollar das Unternehmen Pharmasset und seine Hepatitis-C-Pipeline. Bristol-Myers Squibb erwarb für 2,5 Milliarden Dollar die Firma Inhibitex und damit die Rechte an INX189. Es sollte als BMS-986094 Bestandteil einer interferonfreien Kombitherapie werden.

Nun wurde die Studie zu BMS-986094 gestoppt, weil der Wirkstoff überraschend Herz und Nieren angreift. Ein Patient starb an Herzversagen. Acht weitere liegen in den USA im Krankenhaus. Auch die Firma Idenix musste ihre Studie mit IDX184 aussetzen. Wie viele andere ähnlich wirkende Substanzen folgen, ist ungewiss. Der Konkurrenzwirkstoff von Gilead gilt dagegen bisher als sehr sicher.

Die Wirkstoffe, die nun kritisch beäugt werden, gehören zu den Polymerasehemmern. Wenn sich das Hepatitis-C-Virus in einer Zelle vermehrt, muss es auch sein Erbgut vervielfältigen – jedes Tochtervirus braucht seine eigene Kopie. Das stoppen Wirkstoffe wie BMS-986094. Warum sie zu Herzproblemen führen können, weiß derzeit noch niemand.

„Die Krankheit verläuft anfangs nicht dramatisch“, sagt Zeuzem. „Umso furchtbarer ist es, wenn ein Patient wegen einer Studie stirbt.“ Keiner hätte die Nebenwirkung vorausgesehen. „Solche Fälle zeigen, dass die Medikamentenentwicklung in die Hände erfahrener Zentren gehört, wo Nebenwirkungen im Notfall umfassend behandelt werden können.“

Auch bei den Proteasehemmern gibt es Probleme. Boceprevir etwa verträgt sich nicht mit einigen HIV-Medikamenten, warnte kürzlich die amerikanische Zulassungsbehörde FDA – eine schlechte Nachricht für viele HIV-Infizierte, die zusätzlich Hepatitis-C-Viren in sich tragen und eine Behandlung brauchen. Telaprevir musste seine Nebenwirkungsliste erweitern. Nun steht dort unter anderem: Kann Herzrhythmusstörungen verursachen.

„Die Entwicklung von Medikamenten bleibt risikoreich“, sagt Zeuzem. „Trotzdem überwiegt der Optimismus.“ Die Firmen arbeiteten auch deshalb an so vielen Wirkstoffen, weil für eine interferonfreie Therapie ein Tablettencocktail aus drei Wirkstoffklassen nötig ist. Sonst bildet das Hepatitis-C-Virus – wie HIV – Resistenzen. „Wir haben weltweit 170 Millionen Hepatitis-C-Patienten“, sagt Zeuzem. „Viele von denen kommen nicht mit Interferon klar.“ Jana Schlütter

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