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Wissen: Neue Wünschelrute findet Eisenfraß in Beton

Team der TU erfand Messverfahren mit Magneten

Alles begann mit dem Einsturz bayerischer Kuhstalldecken Anfang der siebziger Jahre. Beklagt wurde nicht nur der Tod etlicher Kühe, sondern auch die Brüchigkeit von Spannbetonträgern. Nach zwanzig bis dreißig Jahren waren diese kurz nach dem Krieg in Eigenarbeit hergestellten Stelzen in sich zusammengebrochen: Die Stahlbewehrung war im Kern korrodiert, die Träger wurden instabil.

Spannbeton besteht aus vorgespannten Eisendrähten im Innern eines Rohres, das von Beton ummantelt ist. Das hervorragend auf Zug belastbare Eisen geht hier mit dem stark druckbelastbaren, aber Zug nur schwer ertragenden Beton eine Symbiose ein. Dass beide auch noch dieselben Wärmeeigenschaften haben, sieht Bernd Hillemeier, Professor am Institut für Bauingenieurwesen der TU Berlin, als Geschenk Gottes an. Die Materialien verformen sich bei Temperaturänderungen gleich, passen also ideal zusammen.

Aufgrund seiner Eigenschaften wurde dieser hochfeste Verbundwerkstoff in den 1960er und 1970er Jahren zum Bau vieler Brücken verwendet. Allein die rund 25 000 Bundesfernstraßenbrücken bestehen aus diesem Material. Doch es muss befürchtet werden, dass viele Spanndrähte der Brücken durch Tausalze angegriffen oder sogar bereits gebrochen sind – was zu einem enormen Festigkeitsverlust der Bauwerke führt. Von außen sind solche Brüche jedoch mit den bisherigen Mitteln nicht zu erkennen – es sei denn: man bohrt Löcher in den Beton und sieht nach. Das dauert bei den vielen Kilometern Spanndraht in einer Brücke aber sehr lange, kostet viel und beschädigt die Brücke zum Teil.

Bereits seit Anfang der 1990er Jahre werden an der TU Berlin Methoden durchgespielt, wie man zerstörungsfrei den Zustand von Spanndrähten in Brücken ermitteln kann. Man versuchte es wie beim Arzt mit Ultraschall und Röntgen, aber das erwies sich nicht als praktikabel. Der richtige Weg war die Magnetisierung der Eisendrähte, da sie am jeweiligen Ende einen Nord- und einen Südpol haben. Bei einem Bruch liegen plötzlich mittendrin Nord- und Südpol nebeneinander. So sind Brüche lokalisierbar. Da Berlin bekanntlich mehr Brücken als Venedig hat, war die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sensibilisiert für dieses Thema und förderte die Entwicklung eines Messsystems. Wichtig war dem Auftraggeber vor allem, dass die Messung innerhalb kurzer Zeit durchgeführt werden kann, um Sperrungen zu minimieren.

Die Baustoffprüfer der TU Berlin entwickelten dazu in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut in Saarbrücken ein etwa zwei Tonnen schweres, mit einem starken Magneten ausgerüstetes Gefährt, das in Schrittgeschwindigkeit über die Brücke fährt und dabei die Spannglieder magnetisiert. Ein Rotationssensor, der als Anhänger hinter dem Magnetwagen herfährt, misst die Impulsmagnetisierung und kann so durch die Fahrbahndecke hindurch Brüche in den Spanndrähten feststellen.

Der erst im Juni in Saarbrücken fertig gestellte Rotationssensor dreht sich zwei Mal pro Sekunde, wodurch die magnetische Flussdichte an der Betonoberfläche der Brückenplatte in einem Raster von weniger als einem Quadratzentimeter gescannt wird. „Für die Untersuchung der meisten Brücken wäre es inzwischen ausreichend, den Verkehr während einer Nacht in der verkehrsarmen Zeit durch Sperrung einzelner Fahrspuren einzuschränken, um die Querspannglieder auf Spanndrahtbrüche zu untersuchen“, sagt Andrei Walter, ein Mitarbeiter des Instituts. Das selbstfahrende, mit Joystick zu steuernde Fahrzeug wurde vom Müncheberger Fahrzeugbauunternehmen HFB gebaut. Der erste Einsatz fand auf der Mörschbrücke in Charlottenburg statt. Sie sollte ohnehin abgerissen werden und so konnte man nachprüfen, ob die Messungen korrekt waren.

„Für uns ist der Preis nicht nur eine Bestätigung unserer Arbeit“, sagt Bernd Hillemeier zum Gewinn des Innovationspreises Berlin / Brandenburg 2006. „Es freut vor allem unsere Studenten, weil sie sehen, dass sie an einem Fachbereich studieren, der zur Hochtechnologie zählt. Ein enormer Imagegewinn.“

Harald Olkus

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