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Junge Studierende sitzen lächelnd in einem Hörsaal.

© picture alliance / dpa

Neuer Hochschulbildungs-Report: Die Besten für den Schuldienst gewinnen

Zu wenige gute Abiturienten können sich vorstellen, Lehrer werden. Die Wirtschaft will, dass die Karrierechancen für Lehrkräfte verbessert werden und das Studium reformiert wird, damit die Besten zurück in die Schulen kommen.

Gute Lehrer machen den entscheidenden Unterschied, wenn es darum geht, Schüler aus bildungsfernen Familien und mit Migrationsgeschichte zum Erfolg zu führen. Und darum sollte es in Deutschland wegen des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels mehr als bisher gehen, fordert der Stifterverband. In seinem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Hochschulbildungs-Report warnt der von der Wirtschaft getragene Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft vor Risiken für die Lehrerbildung. Damit die Schulen mehr Chancengerechtigkeit bieten, brauche das Land sehr gute und hochmotivierte Lehrkräfte, sagte Volker Meyer-Guckel für den Stifterverband. Doch ein zu geringer Anteil der besten Abiturienten wolle den Lehrerberuf ergreifen.

Von den Abiturienten mit einem guten oder sehr guten Notendurchschnitt können sich 83 Prozent nicht vorstellen, Lehrer zu werden. Abschreckend auf gute Schüler wirkt vor allem, dass es für Lehrkräfte kaum attraktive Aufstiegsmöglichkeiten und vielfältige Chancen auf dem Arbeitsmarkt gebe. Das ergaben Interviews mit bundesweit gut 500 Schülern im Auftrag des Stifterverbands und der Unternehmensberatung McKinsey, Mitinitiatorin des Hochschulbildungs-Reports (hier geht es zum Report).

Wer Lehrer werden will, sieht sich nicht als selbstbewusst und durchsetzungsstark

Die Lehrerbildung ist in diesem Jahr Schwerpunkt des Berichts, der den Anspruch erhebt, Ziele für die hochschulpolitische Entwicklung in Deutschland zu formulieren, die im Jahr 2020 erreicht sein sollen. Für sechs Handlungsfelder – neben der Lehrerbildung sind das unter anderem Chancengerechtigkeit und Internationalisierung der Hochschulen – will der Report seit 2013 jährlich messen, wie Politik und Hochschulen vorankommen.

Sorgenkind sei die Lehrerbildung auch wegen des wenig selbstbewussten Bildes, das künftige Lehramtsstudierende von sich haben, sagte Meyer-Guckel. Nicht einmal ein Viertel der Befragten, die ein Interesse am Lehrerberuf haben, glauben, sie könnten andere gut motivieren. Nur 16 Prozent sagen von sich, sie hätten ein gutes Selbstvertrauen, und nur 13 Prozent halten sich für durchsetzungsstark.

Vorbild für attraktive Lehramts-Karrieren ist Pisa-Sieger Singapur

Dass der Numerus clausus für Lehramtsstudiengänge an den meisten Unis dazu führt, dass nur Bewerber mit sehr gutem Notendurchschnitt einen Platz bekommen, hält Meyer-Guckel nicht für einen Widerspruch. Die Bestenauswahl müsse mit der Motivation exzellenter Schüler beginnen und von den Hochschulen durch Auswahlgespräche fortgesetzt werden. Damit der Beruf für Abiturienten attraktiv wird, die ansonsten in die Wirtschaft streben, müsse der Schuldienst neue Karrierewege eröffnen – und bessere Verdienstmöglichkeiten. Vorbild sei Pisa-Sieger Singapur, dort gebe es zahlreiche Aufstiegsmöglichkeiten für Lehrkräfte, sie könnten sich zum „Senior-Spezialisten“ entwickeln oder von vornherein eine Schulleiter-Laufbahn einschlagen. Von Verwaltungs- und anderen Aufgaben neben dem Unterricht sollten Lehrkräfte durch Unterrichtsassistenten entlastet werden.

Problematisch bleibe auch der zu geringe Anteil von Migranten und von Männern im Lehramtsstudium. Eine zunehmend vielfältige Schülerschaft brauche eine diverse Lehrerschaft, auch als Rollenvorbilder für das soziale Lernen.

Der Stifterverband empfiehlt Campus-Schulen, die Studierende trainieren

Bund und Länder müssten künftig massiv für das Lehramtsstudium werben – und gleichzeitig die Rahmenbedingungen verbessern, empfehlen Stifterverband und McKinsey. Dazu sollte auch der Qualitätspakt Lehrerbildung genutzt werden. Das Bundesbildungsministerium fördert bis 2020 mit zwei Milliarden Euro Projekte an Universitäten. Starten sollen die Programme im Herbst dieses Jahres.

Schon jetzt seien positive Entwicklungen beim Praxisbezug im Studium zu beobachten, doch die Studierenden fühlten sich weiterhin nicht gut auf den Beruf vorbereitet, heißt es in dem Report. Theorie- und Praxisphasen müssten besser verzahnt werden. Dazu könnten etwa Campus-Schulen eröffnet werden, an denen die Studierenden frühzeitig lernen, nach besonders fortschrittlichen Konzepten zu unterrichten, sagte Meyer-Guckel.

Mehr Migranten an der Uni, aber Mietkosten schaden der Chancengleichheit

Erste Verbesserungen sieht der Report auch bei der chancengerechten Bildung an den Hochschulen. Die Zahl der neuimmatrikulierten Bildungsinländer, die einen ausländischen Pass und einen deutschen Schulabschluss haben, ist gegenüber den Vergleichszahlen aus dem vorigen Jahr um 4,6 Prozent auf 15 900 Studierende gestiegen. Gleichzeitig hat ein leicht höherer Anteil von Bildungsinländern als zuvor das Studium auch abgeschlossen. Der Frauenanteil in dieser Gruppe ist von gut 47,2 Prozent im Jahr 2010 auf 48,4 Prozent im Jahr 2012 gestiegen. Als Ziel für 2020 haben die Initiatoren 51 Prozent gesetzt.

Ein Rückschlag für die Chancengerechtigkeit seien jedoch steigende Mietkosten gerade in den Hochschulstädten mit Exzellenzuniversitäten, heißt es. Dort liege die durchschnittliche Miete für Studierende bei 300 Euro. Dafür reiche die im Bafög enthaltene Wohnpauschale von 224 Euro bei Weitem nicht aus. Sie müsse – in regionalen Abstufungen – auf 240 bis knapp 300 Euro erhöht werden. Dies sollte in die für 2016/17 angekündigte Bafög-Reform aufgenommen werden.

Kampagne für die falschen Fächer: Aus MINT soll MEBI werden

Umsteuern müssten die Hochschulpolitik und auch die Wirtschaft bei ihren Kampagnen für mehr Studierende in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), lautet eine weitere Empfehlung. Der Mangel an Studierenden und vor allem an Frauen betreffe nur noch einzelne Fächer, vor allem Maschinenbau, Elektrotechnik, Bauingenieurwesen und Informatik. Deshalb sollte die Kampagne zielgerichteter werden – und künftig MEBI heißen.

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