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Andrang. Das Annahmeverhalten ist dabei für die Unis oft überraschend.

© picture alliance / dpa

Neuer Rekord: Berlins Unis sind so voll wie nie

Der Berliner Senat rechnet mit 175.000 Studierenden. Der Numerus clausus wird aber nicht schärfer

An Berlins Hochschulen gibt es bei den Studierendenzahlen einen neuen Rekord. Da ist sich die Senatsverwaltung für Wissenschaft sicher, selbst wenn sie die Lage noch nicht ganz überblickt. Mehr als 172.000 Studierende wie vor einem Jahr werden es bestimmt, vielleicht 175 000, wie Thorsten Metter, Sprecher der Senatsverwaltung für Wissenschaft sagt.

Die TU meldet einen Zuwachs von zehn Prozent bei den Studienanfängern gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Erstsemester wächst somit um 500 auf 7400. Vor einem Jahr war die Zahl aber stärker gestiegen: um 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für die 2177 zulassungsbeschränkten Studienplätze im Bachelor gab es rund 19.000 Bewerbungen.

In manchen Fächern sinkt der NC sogar

Eine gute Nachricht für Bewerberinnen und Bewerber: Die Auswahlgrenzen in Numerus-Clausus-Fächern haben sich nicht verschärft. Tendenziell ist die Hürde Numerus clausus sogar ein bisschen niedriger geworden. An der TU musste man sehr gute Noten für Nachhaltiges Management (1,7), Biotechnologie, Wirtschaftsingenieurwesen und Architektur (jeweils 1,9) mitbringen. Im Vorjahr brauchten Bewerber in den drei erstgenannten Fächern noch jeweils eine um ein Zehntel bessere Note. In der Architektur war der Grenzwert dagegen dieses Semester um ein Zehntel schärfer.

In BWL braucht man an der FU einen Schnitt zwischen 1,8 bis 2,3

Praktisch identisch mit dem Vorjahr sind die Auswahlgrenzen bei begehrten Fächern der Freien Universität geblieben – wie BWL, Jura, Psychologie und Publizistik. Die FU verrechnet für den größeren Teil ihrer Studienplätze die Abiturnote mit anderen Kriterien wie einer Berufsausbildung, einem Praktikum oder bestimmten Leistungskursen. Beim Notenschnitt gibt es deswegen nicht den „einen“ Grenzwert, sondern vielmehr einen „Notenkorridor“, in dem man noch einen Platz bekommt. In BWL lag dieser Notenkorridor bei 1,8 bis 2,3, in Jura bei 2,3 bis 2,8, in Psychologie bei 1,1 bis 1,6 und bei Publizistik bei 1,4 bis 1,9. Die Humboldt-Universität hat die aktuellen Auswahlgrenzen noch nicht ausgewertet.

Die HU ist zu 110 Prozent ausgelastet

Jedenfalls ist „die Bewerberlage so gut wie in den Vorjahren“, sagt Michael Kämper-van den Boogaart, Vizepräsident für Studium und Internationales. „Überraschend schlapp“ sei allerdings das Annahmeverhalten in Studiengängen ohne NC-Beschränkung. Viele Studierende würden sich offenbar doch lieber für ein Angebot an einer anderen Hochschule entscheiden. Trotzdem schaffe es die HU zu 99 Prozent, die hohen Studierendenzahlen, die der Berliner Senat verlangt, zu erreichen. Gemessen an ihrer tatsächlichen Kapazität sei die HU zu 110 Prozent ausgelastet, also überbucht. Riesige Unwuchten in einzelnen Studiengängen kann Kämper nicht erkennen. Nur einige NC-freie Fächer wie die Mathematik müssten mit „Parkstudierenden“ rechnen, die dort auf eine Möglichkeit zum Umsteigen in ein anderes Fach abwarten.

In der Psychologie der FU wird es richtig voll

Die FU ringt hingegen mit dem kaum vorhersagbaren Annahmeverhalten der Studienanfänger. Weil überraschend wenig den ihnen angebotenen Studienplatz in Jura annahmen, habe man dort „extrem nachzulassen müssen“, sagt Peter Lange, der Kanzler der FU. Dafür wird es in der Psychologie viel voller als gewollt, weil die auf Verdacht zugelassenen Studierenden weit häufiger als erwartet ihren Platz annehmen wollten.

Das Land bestraft Hochschulen, die unterausgelastet sind, mit deutlichen Abstrichen bei ihren Mitteln. Darum müssen die Hochschulen bei der Zulassung zum Teil sogar absichtlich Unwuchten erzeugen, um am Ende das Ziel zu erreichen: Lassen sich zum Beispiel nicht genug Studierende für Physik und Romanistik gewinnen, wohl aber für Jura, müssen die Juristen überbucht werden, damit die Uni am Ende auf eine hohe Zahl von Studierenden kommt.

Von der Uni enttäuschte Studierende - die FHs nehmen sie auf

Klaus Semlinger, Präsident von Berlins größter Fachhochschule, der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), kritisiert das Finanzierungssystem des Senats noch in einem weiteren Aspekt. Das Land weist den Hochschulen nur Mittel für Studierende im ersten Hochschulsemester zu. Doch gerade die Fachhochschulen müssen auch zahlreiche Studierende aufnehmen, die von den Unis enttäuscht zu ihnen wechseln, also nicht mehr im ersten Hochschulsemester sind. Für diese Studierenden gibt es kein Geld. Um auskömmlich finanziert zu sein, müssen die Hochschulen also zusätzliche Erstsemester aufnehmen. So sitzen an der HTW auf 2000 Plätzen im Bachelor 2400 Studierende.

Überraschend wenig Interessenten gibt es in diesem Herbst auch fürs Lehramtsstudium an der FU, anders als an der HU. Wie üblich seien im Lehramtsmaster viele Plätze leer geblieben, sagt Lange. Das bedeutet, dass die FU die Vorgaben des Senats für Lehramtsabsolventen nicht erfüllen kann, die den Lehrermangel beheben sollen: „Diese Wunschzahlen des Senats sind viel zu hoch “, sagt Lange. „Wir können die Studierenden nicht zwingen, sich fürs Lehramt zu immatrikulieren.“

Das Lehrerstudium bekommt ein Praxissemester

Vielleicht wird das Berliner Lehramtsstudium ja von diesem Semester an populärer. Es wurde gründlich reformiert. Von nun an gibt es ein Praxissemester, auch die Grundschul- und Sonderpädagogen studieren zehn Semester wie die Studienräte, alle Lehramtsstudierenden belegen Kurse zur Inklusion, der Anteil von Deutsch als Zweitsprache wird erhöht. „Ich freue mich total!“, sagt Detlef Pech, Professor für Grundschulpädagogik an der HU: „Die neue Ausbildung wird mit Abstand besser.“ Eine große Herausforderung sieht Pech aber noch bei der Qualifizierung der Lehrer, die die Studierenden im neuen Praxissemester betreuen sollen. Bisher habe die HU in Grundschulpädagogik erst 20 Mentoren fortgebildet. Zu hoffen sei, dass der Senat der Uni dabei fortan finanziell hilft.

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