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Neurobiologie: Nacktmulle spüren kein Brennen

Befremdliche Tiere spüren von Säure oder Chili verursachte Schmerzen nicht.

Wissenschaftler haben der Liste der biologischen Kuriositäten den Nacktmull hinzugefügt: Die Tiere nehmen nicht alle Arten von Schmerz wahr. Diese Entdeckung könnte möglicherweise Menschen zugute kommen, die unter chronischen Schmerzen leiden.

Afrikanische Nacktmulle (Heterocephalus glaber) sind ungewöhnliche Kreaturen - kaltblütige Säugetiere mit einer langen Lebenserwartung, die in Kolonien mit hunderten Tieren auf eine Art zusammenleben, die eher für Bienen und Wespen typisch ist als für Maulwürfe und Ratten.

Das Tier reagiert normal auf mechanische Schmerzreize wie Zwicken und Knuffen, ist jedoch Thomas Park von der University of Illinois in Chicago, Gary Lewin vom Max-Delbrück-Center für Molekulare Medizin in Berlin und ihren Kollegen zufolge unempfindlich gegenüber einer Reihe normalerweise übler Stimuli.

Zu diesen Stimuli zählen Säure und Capsaicin, der Bestandteil der Chilischote, der das Brennen verursacht. Ungewöhnlich ist darüber hinaus, dass die Haut der Nacktmulle nicht überempfindlich reagiert, wenn die - entzündet - heißen Objekten ausgesetzt wird, obwohl sie gegenüber extremer Hitze genauso reagieren wie andere Säugetiere, berichten die Forscher in PloS Biology (1).

Schmerzhaftes Problem

Seine ersten Entdeckungen machte das Team zufällig vor fünf Jahren, als ein neurologisches Experiment einen Mangel an Substanz P aufdeckte, einer Komponente, die Signale zwischen Nervenzellen leitet und bei chronischen Schmerzen eine Rolle spielt. Dies legte nahe, dass chronische Schmerzreize, die sich auf dem Weg zum Zentralnervensystem des Nacktmulls befinden, wesentlich schwächer sind als bei anderen Säugern.

Die Wissenschaftler führten eine Reihe von Schmerztest an narkotisierten Nacktmullen durch und untersuchten die Neuroanatomie des Tiers. Darüber hinaus nahmen sie Hautproben mit den dazugehörigen Nerven, um ihre Reaktion auf Säure zu testen.

"Anstatt zur Schmerzregion im Rückenmark zu führen, wie wir angenommen haben, führen die Nerven von den Säure- und Capsaicinsensoren in andere Regionen", erklärt Park. "Und auf Säure reagieren ihre Nervenfasern überhaupt nicht."

Gentherapie

Um die Bedeutung von Substanz P zu belegen, rieben die Wissenschaftler ein Serum, das ein Herpesvirus enthält und Zellen zur Produktion von Substanz P anregt, in einen Hinterlauf jedes Nacktmulls.

Dies führte dazu, dass die Nacktmulle das unangenehme Brennen von Capsaicin in ihrem Lauf spürten. Säure allerdings konnten sie nach wie vor nicht wahrnehmen, was nahelegt, dass die Tiere aus anderen Gründen gegenüber Säure unempfindlich sind.

Hierbei könnte es sich um eine Anpassung an ihren unterirdischen Lebensraum handeln, sagt Park "Wir wissen, dass der Kohlendioxidgehalt in den Höhlen der Nacktmulle bei 2 Prozent liegt und gehen davon aus, dass er auf bis zu 10 Prozent steigen kann." In diesen Konzentrationen kann Kohlendioxid zur Bildung von Kohlensäure vom Atemwegsystem führen.

Derart massive Unempfindlichkeit gegenüber Säure könnte neue Details darüber, wie Menschen chronischen Schmerz wahrnehmen, erbringen.

Die Gelenkflüssigkeit von Patienten mit rheumatoider Arthritis ist schwach sauer, der Beitrag dieser Säure zu ihren chronischen Schmerzen ist jedoch ungeklärt, sagt Lewin. Sollten Nacktmulle Arthritis bekommen können, jedoch unempfindlich gegen Säure bleiben, könnten sie unter Umständen diese Antwort geben.

(1) Park, T. J. et al. PloS Biol. 6, e13 (2008).

Dieser Artikel wurde erstmals am 28.1.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2008.535. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Anna Petherick

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