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Mit Verdacht auf Infarkt im Krankenwagen.

© picture-alliance / dpa

Notfallmedizin: Schneller Klarheit bei Infarkt-Verdacht

Hinter Brustschmerzen steckt nicht immer ein Infarkt. Bis die Ärzte Entwarnung geben können, dauert es jedoch Stunden. Ein neuer Bluttest könnte das Warten in der Notaufnahme verkürzen.

Schmerzen in der Brust sind ein Alarmzeichen. Und sie sind einer der wichtigsten Gründe dafür, dass Menschen in die Notaufnahme eines Krankenhauses kommen. Schließlich kann es sich um einen Herzinfarkt handeln. „Jeder Zehnte unserer Patienten hat dieses Symptom“, sagt Martin Möckel, Ärztlicher Leiter der Notfallmedizin und der Rettungsstellen an den Standorten Virchow und Mitte der Charité. Allerdings steckt wiederum nur bei jedem Zehnten wirklich ein Infarkt dahinter. Viele können beruhigt nach Hause gehen. Trotzdem darf die Minderheit der Betroffenen nicht übersehen werden.

Am besten wäre ein einfacher Test. Ein großer Fortschritt war es, als zu Beginn des Jahrtausends ein Bluttest in die Notfallmedizin Einzug hielt, mit dem das Eiweiß Troponin bestimmt wird. Troponin gelangt in die Blutbahn, wenn Herzmuskelzellen durch die Minderdurchblutung, die mit der Verstopfung der Gefäße einhergeht, zerstört werden. Übersteigt der Troponinwert eine bestimmte Schwelle, so ist das ein deutliches Alarmsignal. Doch leider braucht es seine Zeit, bis man das sicher beurteilen kann – der Test muss deshalb im Verlauf mehrerer Stunden mehrfach wiederholt werden. Die Betroffenen bleiben derweil in der Notaufnahme. Auch wenn der erste Test beruhigend ausfiel, gibt es keine Entwarnung. Warten ist angesagt.

Die lange Warterei könnte ein Ende haben

Die Warterei könnte dank der Ergebnisse, die Möckel und seine Kollegen aus Basel und Wien kürzlich auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in Amsterdam vorstellten, bald ein Ende haben. Für ihre Studie teilten sie 902 Menschen, die wegen Brustschmerzen in eine Notaufnahme gekommen waren und bei denen ein erster Troponin-Test negativ ausgefallen war, nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen: Die einen wurden nach dem heutigen Stand der Medizin behandelt, es wurde also im Verlauf der nächsten Stunden immer wieder der Troponin-Bluttest gemacht. Bei den anderen 451 Patienten setzten die Herzspezialisten sofort einen weiteren Bluttest ein. Dabei wurde das 39 Aminosäuren lange Copeptin gemessen, das bei der Freisetzung des Hormons Vasopressin abgespalten wird.

Der Vasopressin-Spiegel steigt sehr schnell und steil an, wenn sich der Blutfluss im Organismus verändert und deshalb Stress entsteht. Das Hormon ist allerdings schwer zu bestimmen – im Unterschied zu dem Bruchstück des Vorläuferhormons, dem Copeptin, das sehr stabil und leicht bestimmbar ist und zugleich als Biomarker für Vasopressin dient.

Die Idee, sowohl Troponin als auch Copeptin in Bluttests zu messen, ist bestechend: „Troponin ist sehr spezifisch für Herzinfarkt, Copeptin ist zwar unspezifisch, dafür jedoch früh erhöht“, sagt Möckel. Nun hat sich die Idee bewährt: Patienten, die nach den zwei Bluttests schnell aus der Notaufnahme entlassen wurden, hatten 30 Tage später nicht mehr erneute Zwischenfälle als die Vergleichsgruppe mit Standarddiagnostik.

Vielen bleibt die Untersuchung mit dem Herzkatheter erspart

Möckels Kollegen aus Basel zeigten bereits 2009 in einer Studie im „Journal of the American College of Cardiology“, dass Troponin und Copeptin zusammen gute Arbeit leisten. Fallen beide Bluttests im Soforteinsatz negativ aus, ist es mit 98,8-prozentiger Sicherheit kein Herzinfarkt. „Für die neue Studie haben wir die Patienten nun aus der Klinik entlassen und geschaut, was danach passiert“, sagt Möckel. Die Ergebnisse sind ermutigend. Möckel rechnet deshalb damit, dass sich die Diagnostik für Patienten, deren erster Troponin-Test ermutigend ausgefallen ist, bald ändern wird. Neben der Wartezeit bleibt einigen von ihnen dann womöglich auch die Untersuchung mit dem Herzkatheter erspart. Das könnte Kosten und Risiken senken. Was sich nicht ändern wird: In der Notaufnahme muss ein Arzt den Patienten untersuchen und beraten. „Kein Test ersetzt den Mediziner“, sagt Möckel.

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