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Novelle des Berliner Hochschulgesetzes: Professoren als Gemüsehändler

Die Novelle des Berliner Hochschulgesetzes schwächt die Universitäten. Die Rückkehr der staatlichen Aufsicht unterläuft die Selbststeuerung der Universitäten und damit deren professionelle Kompetenz.

Die Phase der Ökonomisierung der Hochschulen der vergangenen Jahre ging Hand in Hand mit einem Schub an Bürokratisierung: die Einführung von Kostenstellen der Professorinnen und Professoren, das elektronische Rechnungswesen (SAP), das elektronische Bestellwesen (bios), die jüngste Einführung eines Raummanagements, die vielzähligen Messzahlen der Leistung der Hochschulen (Zahl der Studenten, Zahl der Prüfungen und Promotionen, Höhe der Drittmittel) bedingen formale Strukturen, die durch eine Unzahl von Erhebungen, Datensammlungen und Kommunikationsprozessen gestützt werden müssen.

Diese Prozesse sind überwiegend durch die Mitwirkung der Professorinnen und Professoren gesteuert, die ihre Geschäfte wie Gemüsehändler führen. Diese fortscheitende Delegation von Verwaltungsaufgaben in die Zuständigkeit der Professoren überlagert das akademische Arbeiten, an dessen Ende die Exzellenz stehen soll. Die alte Ordinarienuniversität hat eine neue Geschäftsidee, der geniale Forscher und Lehrer ist durch den Businessman/die Businesswoman ersetzt worden. Diese Entwicklung wird in der geplanten Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes fortgesetzt und gleichzeitig zugespitzt, indem die staatliche Aufsicht über die Lehre verstärkt wird.

Der vorliegende Entwurf zur Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes zieht die alten Fronten wieder gerade, der Staat ist der böse Bube. Diese kleine Novellierung, die im Kern der Umsetzung des Bologna-Prozesses dient, weitet die staatliche Kontrolle wieder aus. Der Zuwachs an Autonomie, den die Hochschulen durch Vertragshandeln gewonnen haben, wird am Objekt der Studienreform wieder zurückgenommen. Nach einer Reformphase der Ökonomisierung (auch Privatisierung) und Entstaatlichung (auf dem Weg der Hochschulverträge) folgt nun die Wiedereinführung der traditionellen Staatsaufsicht. Dies betrifft zum Beispiel den aufsichtsrechtlichen Bestätigungsvorbehalt des Senats von Rahmen-, Studien- und Prüfungsordnungen (§ 31 des Entwurfs). Gleichzeitig wird im Prozess der jetzt gesetzlich geregelten Akkreditierung die bisherige Qualitätssicherung durch externe Gutachter durch die Möglichkeit zur Erteilung von Auflagen ausgeweitet: Qualitätssicherung wird staatlicher Kontrolle untergeordnet (§ 8). Die ohnehin unerträglich langwierigen Verfahren der Akkreditierung werden damit einer Selbststeuerung durch die Hochschulen entzogen. Gewiss ist, dass diese Aufsicht durch den Staat viel doppelte Arbeit und noch mehr Gremiensitzungen mit sich bringen wird.

Und weil Gremienarbeit so viel Spaß macht, wird zusätzlich eine neue Mitgliedergruppe eingeführt, Lehrbeauftragte sollen künftig mitbestimmen (§ 43). Jeder, der die Selbstverwaltung der Hochschulen kennt, graust sich. Lehrbeauftragte, sofern sie das Angebot wahrnehmen, für ihr bisschen Geld auch noch in Gremien zu sitzen, werden als Dozenten in die Selbstverwaltung eingeführt. Niemand weiß so richtig, welche Interessen sie verfolgen werden. Am nächsten lägen ihre eigenen. Es wird um Geld gehen. Die Forschung, der Exzellenzwettbewerb, die Hochschule als Ort wissenschaftlichen Arbeitens, wissenschaftlicher Bildung und Begegnung, wird gegenüber der Lehre nachrangig. Die Hochschulen werden zu höheren Bildungsanstalten, verwaltet wie Schulen. Die Möglichkeit, dass Hochschulen bei den Problemen der Umsetzung des Bologna-Prozesses die Fähigkeit zur Selbststeuerung ausbauen, wird versperrt. Die neuen Aufgaben, wie die Zulassung von beruflich Qualifizierten zum allgemeinen Hochschulstudium dürfen die Hochschulen selbst regeln( § 11). Aber wie? Die Antwort steht aus. Es kommt ein neuer Verwaltungsaufwand auf die Hochschulen zu, obwohl gerade die Regelung des Zugangs von beruflich Qualifizierten, das heißt die Anerkennung von Berufsabschlüssen in Konkurrenz zu allgemeinen Schulabschlüssen, eine genuine Staatsaufgabe wäre.

Insgesamt werden keine neuen Konzepte der internen und externen Steuerung der Studienreform eingeführt. Die Rückkehr der staatlichen Aufsicht unterläuft die Selbststeuerung der Universitäten und damit deren professionelle Kompetenz. Sind schwache Hochschulen gute Hochschulen?

Die Autorin ist Professorin für Politikwissenschaft an der Freien Universität. Zwischen März 1989 und Februar 1991 war sie Wissenschaftssenatorin in Berlin

Barbara Riedmüller

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